Wenn Beratungen im Bundestag in Berlin oder im Landtag in Stuttgart über Gesetze stattfinden, dann sind die zu den Beratungen gehörenden Unterlagen – wenn zum Teil auch kurzfristig – über die entsprechenden Internetseiten zugänglich. Jeder Interessierte kann sich vorab darüber informieren und die Medien können berichten und Meinungen und Stimmungen zu den Vorhaben einholen und damit zur Meinungsbildung beitragen.

Wenn die Unterlagen nicht veröffentlicht werden würden, dann hätten die Medien zum Beispiel nach § 4 des Pressegesetzes Baden-Württemberg einen entsprechenden Auskunftsanspruch. Diese Auskunft könnte nur mit dem Argument, dass etwas wirklich vertraulich ist, verweigert werden. Die Verwaltungen und die Stadt- und Gemeinderäte müssen also akzeptieren, dass die Beratungsthemen und auch die Beschlussvorschläge schon vor einer Sitzung öffentlich diskutiert werden.

Doch in St. Georgen (Schwarzwald-Baar-Kreis) sieht man dies seit dem 1. Februar dieses Jahres anders. Der Gemeinderat hat in erstaunlicher Einmütigkeit auf Vorschlag des Bürgermeisters Michael Rieger einen Eingriff in die Rechte der Medien vorgenommen: In § 14 Abs. 4 heißt es jetzt wörtlich: „Die Vertreter der Presse werden sieben Tagen vor der Sitzung in elektronischer Form über die öffentliche Sitzung informiert. Von der Verwaltung ist hierbei zu gewährleisten, dass diese den Inhalt der Vorlagen erst nach Ablauf der öffentlichen Sitzung verwertet (Sperrfrist), es sei denn, dass die vorherige Veröffentlichung durch den Bürgermeister genehmigt wurde“. Im Gegensatz dazu ist in dem Absatz vorher geregelt, dass die Stadträte über die Sitzungsthemen vorab die Öffentlichkeit unterrichten dürfen.

Landespresserecht setzte andere Maßstäbe

Die Regelung in § 14 Abs. 4 ist rechtlich nicht haltbar. Sie verstößt gegen höherrangiges Recht, nämlich die Auskunftsregeln im Landespresserecht, die ausdrücklich eine Zensur verbieten und vom Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises hätten beanstandet werden müssen. Denn Satzungen und Geschäftsordnungen dürfen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Wenn die Gemeinde Auskunft über die Beratungsgegenstände erteilen muss, dann bedeutet dies zugleich, dass darüber auch ohne Einschränkungen berichtet werden darf.

Zudem bürdet die Regelung der Verwaltung Unmögliches auf. Wie soll die Verwaltung denn die Einhaltung der „Sperrfrist“ überwachen? Ein Instrumentarium dafür gibt es nicht, eine Rechtsgrundlage, den Medien eine Berichterstattung zu verbieten, auch nicht. Die Medien dürfen ohne Einschränkung über die Beratungsgegenstände vorab berichten. Nebenbei: Sie könnten die Informationen auch von den Stadträten erhalten haben, die ja informieren dürfen. Und darüber dürfen die Medien berichten.

Es wäre sinnvoll gewesen, wenn sich Verwaltung und Stadtrat rechtlichen Rat eingeholt hätten, bevor eine solche sinnlose Regelung in der Geschäftsordnung beschlossen wurde. Man kann solche Regelungen auch wieder aufheben, klüger zu werden, ist ja nicht verboten. Nachahmen sollte dies keiner.