Julia Stubenbord weiß, dass die Emotionen hochkochen, wenn es um das Thema „Hundeführerschein“ geht. Seit Anfang der Woche ist bekannt, dass die Landesregierung für Hundebesitzer und andere Tierhalter in Baden-Württemberg einen Sachkundenachweis plant und eine Kennzeichnungs- und Versicherungspflicht für Hunde einführen will. Seitdem laufen bei Stubenbord, der Landesbeauftragten für Tierschutz, und dem Bürgertelefon in ihrer Stabsstelle im Stuttgarter Landwirtschaftsministerium die Drähte heiß.
Angst vor der Prüfung
„Es gibt Familien, die verzweifelt sind, dass sie durch die Prüfung fallen, ihnen ihr Lumpi weggenommen werden könnte oder sie das nicht bezahlen können“, sagt Stubenbord und schiebt gleich eine Beruhigung hinterher: „Aber noch ist gar nicht klar, wie das konkret aussehen soll.“

Aus Tierschutzsicht aber, daran lässt die Veterinärin keinen Zweifel, sei ein Sachkundenachweis absolut zu begrüßen. Dass er freilich weder ein Mittel gegen Hinterhofzüchter oder illegalen internationalen Welpenhandel ist und auch niemanden daran hindert, einen Hund trotz absolvierter Prüfung schlecht zu halten oder zu führen, weiß sie. „Aber dass man eine Vorschrift auch brechen kann, ist ja kein Argument dafür, darauf zu verzichten.“

Der Sachkundenachweis richte sich vor allem an Menschen, die sich neu einen Hund anschaffen wollten. „Viele wissen nicht, welche Bedürfnisse ein Hund hat und was Normalverhalten ist“, sagt Stubenbord. „Das ist das Hauptproblem, und nach so einer Prüfung machen sich dann manche hoffentlich vor dem Kauf Gedanken.“
Die Hoffnung hat auch Thomas Steidl, Präsident der Landestierärztekammer Baden-Württemberg. „Wir haben bereits vor Jahren einen Vorstoß bei der Landesregierung unternommen, einen Sachkundenachweis für Tierhalter einzuführen und freuen uns, dass das nun offenbar Gehör findet“, sagt Steidl. Den Begriff „Hundeführerschein“ hält er für unglücklich. „Es geht um Sachkunde. Aus unserer Sicht gibt es vor allem zwei Gründe dafür: Zum einen die Verringerung der Unfallgefahr, die es ja nicht nur bei Hunden, sondern auch bei Reptilien oder anderen Tieren gibt, und zum anderen der Tierschutzaspekt. Wer sich einen Hund für die nächsten zehn, 15 Jahre in die Familie holt, kann sich schon mal an einem Samstag ein paar Stunden hinsetzen und sich einen Vortrag über Hundehaltung anhören.“

Vorbild für Baden-Württemberg soll dabei laut Koalitionsvertag das niedersächsische Hundegesetz sein. Landestierärztepräsident Steidl plädiert allerdings für eine eigene Variante. „Man sollte jedenfalls das niedersächsische Modell, das ja schon ein paar Jahre alt ist, nicht unkritisch eins zu eins übernehmen“, sagt Steidl. „Wir stehen gerne bereit, bei der Ausgestaltung zu beraten.“ Eine Garantie, dass ein Hund dann richtig gehalten wird, sei ein Sachkundenachweis aber nicht.

„Aber es wäre zumindest mal ein Anfang“, so Steidl. Probleme sieht er indes bei der Umsetzung. „Es darf kein Verwaltungsmonster entstehen, zudem gibt es die Gefahr eines grauen Marktes und der Geldmacherei bei selbst ernannten Hundeexperten und Hundeschulen“, befürchtet er.
Für manche Senioren der einzige Kontakt
Der Landesseniorenrat verweist zudem auf einen anderen Aspekt. „Grundsätzlich begrüßen wir einen Sachkundenachweis für die Hundehaltung“, sagt der Landesvorsitzende Eckart Hammer. Er gibt jedoch zu bedenken, dass für alleinstehende und einsame alte Menschen der Hund oft noch das einzige Lebewesen sein könne, das Nähe, Körperkontakt und Geborgenheit vermittle. „Sachkundenachweis und Versicherungspflicht sollten deswegen so gestaltet werden, dass die zunehmende Zahl armer alter Menschen nicht an der Hundehaltung gehindert werden“, sagt Hammer.

Das ist auch der Landestierschutzbeauftragten Stubenbord ein Anliegen. „Sicher wird es Ausnahmen und auch für Bedürftige oder Rentner Lösungen geben“, glaubt sie. „Und meines Wissens nach ist in Niedersachsen bei der Prüfung auch noch niemand durchgefallen.“