Die Forderung nach gleichem Gehalt wie männliche Kollegen ist ein Kernthema im Feminismus. „Gender-Pay-Gap“ nennt man das auch, also die Kluft zwischen dem Gehalt von Männern und Frauen im gleichen Job.

Mit dieser feministischen Grundsatzforderung hat nun auch die 2000-Seelen-Gemeinde Todtmoos im Landkreis Waldshut zu kämpften, in Form einer Klage der ehemaligen Bürgermeisterin Janette Fuchs vor dem Verwaltungsgericht Freiburg.

2014 trat die heute 59-Jährige ihr Amt in Todtmoos an, wurde aber nach Beschluss des Gemeinderats nur in die Besoldungsgruppe A14 eingestuft und damit niedriger als ihr Vorgänger Herbert Kiefer bei Amtseinführung im Jahr 1990. Der Grund für diese Entscheidung geht aus den vorliegenden Protokollen des Gemeinderats nicht hervor.

Schon zu Beginn ihrer Amtszeit habe sich Fuchs diskriminiert gefühlt, sagte sie 2023. Demnach habe ein Gemeinderat ihr gegenüber geäußert, dass sie sich eben nach einem Nebenjob umsehen soll, sollte das Geld nicht reichen. Erst ab Mitte ihrer achtjährigen Amtszeit wurde sie in die höhere Besoldungsgruppe eingruppiert.

„Ich wäre nicht den Streitweg gegangen, wäre es meinem Nachfolger ebenso ergangen wie mir, also zuerst A14 und dann A15“, sagt Janette ...
„Ich wäre nicht den Streitweg gegangen, wäre es meinem Nachfolger ebenso ergangen wie mir, also zuerst A14 und dann A15“, sagt Janette Fuchs gegenüber dem SÜDKURIER. Das Foto stammt aus dem Jahr 2022. | Bild: Daniela Jakob

Dass ihr männlicher Nachfolger Marcel Schneider, der bis heute noch Bürgermeister von Todtmoos ist, bei seiner Amtseinführung 2022 gleich in A15 eingruppiert wurde, brachte laut ihr das Fass zum Überlaufen, sagt sie.

„Ich wäre nicht den Streitweg gegangen, wäre es meinem Nachfolger ebenso ergangen wie mir, also zuerst A14 und dann A15“, sagt Fuchs nach der Verhandlung am Verwaltungsgericht im Gespräch mit dem SÜDKURIER. „Aber das war einfach nicht fair.“

Das Verwaltungsgericht musste entscheiden: Liegt eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts nach Paragraph 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor? Dafür gibt es Indizien, findet das Gericht.

Schließlich sei die Situation zwischen Janette Fuchs und ihrem Vorgänger Herbert Kiefer vergleichbar: Beide waren Bürgermeister der gleichen Gemeinde, beide hatten mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen. Dazu komme der Umstand, dass Fuchs‘ Nachfolger genau wie der Vorgänger sofort in die höhere Besoldungsgruppe eingestuft wurde – eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts sei zu vermuten.

Dadurch muss die Gemeinde nachweisen, dass die Einstufung von Fuchs nichts mit ihrem Geschlecht zu tun hatte, sondern andere Faktoren eine Rolle spielten.

Gemeinde dementiert Benachteiligung aufgrund des Geschlechts

Kein Gemeinderat habe explizit geäußert, dass Fuchs wegen ihres Geschlechts in die niedrigere Besoldungsgruppe eingestuft wurde, erklärte ein Stuttgarter Rechtsanwalts im Namen der Gemeinde.

Während Kiefers Amtszeit habe Todtmoos mehr Einwohner zu verwalten gehabt, die Zahl der Übernachtungen sei größer gewesen, die Aufgaben seien mit der aufkommenden Digitalisierung schwieriger geworden. Eine Vergleichbarkeit zwischen Kiefer und Fuchs sei demnach nicht gegeben. Allein der Umstand, dass beide Bürgermeister waren, reiche dafür nicht, argumentiert die Gemeinde.

Richterin Katharina Jann lässt das Argument nicht gelten: Sie glaube nicht, dass die Aufgaben der Bürgermeister zwischen 1990 und 2014 so viel leichter geworden sind, für Gemeinden werde es ja nur schwieriger.

Am Verwaltungsgericht Freiburg wurde der Fall der ehemaligen Bürgermeisterin Janette Fuchs verhandelt.
Am Verwaltungsgericht Freiburg wurde der Fall der ehemaligen Bürgermeisterin Janette Fuchs verhandelt. | Bild: Silas Stein/dpa

Und auch die Tatsache, dass Fuchs nach der Hälfte ihrer Amtszeit in die höhere Besoldungsgruppe eingruppiert wurde, nennt Richterin Jann einen bemerkenswerten Vorgang: „Da hat man zwischendurch gesagt, dass sie ihren Job als Frau doch ganz gut gemacht hat, jetzt kriegt sie A15, das muss ich jetzt so flapsig sagen“, sagt die Richterin.

Man müsste alle Gemeinderäte vor Ort laden und die müssten dann auch die Wahrheit sagen, erst dann könne man entscheiden, ob nach dem Geschlecht so entschieden wurde oder nicht, argumentiert der Anwalt der Gemeinde – das beabsichtigt die Kammer aber nicht.

„Ich glaube nicht, dass ein Gemeinderat dann sagt, er habe so entschieden weil die Frau eigentlich in die Küche gehört“, begründet Richterin Jann, „es kommt darauf an, dass unterbewusst Motive mitwirken und was da alles mitschwingt, kann man nicht klar widerlegen.“

Fuchs könnte Recht bekommen

Eine Summe von rund 36.500 Euro Schadensersatz für die erste Hälfte ihrer Amtszeit mit niedrigerer Besoldungsgruppe und eine Entschädigung in Höhe von 7000 Euro hält das Verwaltungsgericht für angemessen.

Für alle Frauen habe sie gekämpft, sagt die 59-Jährige inbrünstig nach der Verhandlung – und für Gerechtigkeit. Jetzt will sie nur noch einen Knopf an die Sache machen. Mittlerweile sei sie glücklich pensioniert.

In einer früheren Fassung des Artikels stand geschrieben, dass die finale Urteilsverkündung noch aussteht. Wie Janette Fuchs‘ Anwalt Jörg Düsselberg am Sonntag nach der Verhandlung verkündete, hat die 59-Jährige einen Erfolg am Gericht erzielt. Das Verwaltungsgericht hat die Gemeinde Todtmoos zu einem Schadensersatz von den genannten rund 36.500 Euro und einer Entschädigung von 7000 Euro verurteilt. Das Urteil liegt bisher nicht schriftlich vor, das Verwaltungsgericht hat Berufung zugelassen.