Eine moderne Sexualmoral, die Öffnung des Priesteramtes für Frauen, die Abkehr vom Zölibat, die Aufarbeitung des Missbrauchs und ein anderer Umgang mit der Macht: Der sogenannte Synodale Weg – bestehend aus Vertretern verschiedener Laienorganisationen und den deutschen katholischen Bischöfen – hat sich vergangenes Wochenende in Frankfurt für weitreichende Reformschritte ausgesprochen. Weitreichender als erwartet.

Laienorganisationen fordern diese Reformschritte seit Jahren ein. Doch was wird nun daraus? Rein formal haben die Voten der Synodalversammlung nur begrenzt Wirkung, die meisten Bestimmungen werden auf Ebene der Weltkirche geregelt. Einige Papiere gehen noch in weitere Beratungen, bevor sie als verbindlich gelten. Danach muss Rom entscheiden, wie es mit den Empfehlungen umgeht.

Kritiker werfen der deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken deshalb vor, nur ein Schauspiel für die Gläubigen vorzuführen. Die Hoffnungen vieler Gläubigen sind dennoch groß. Der SÜDKURIER hat drei Vertreter der katholischen Kirche in der Region befragt.

Christina Leib-Kessler, Konstanz, ist Kirchengemeinderatsvorsitzende und Dekanatsratsvorsitzende. Sie findet: „Abspaltung wäre kein Problem“

Christina Leib-Kessler ist Pfarrgemeinderätin in Konstanz.
Christina Leib-Kessler ist Pfarrgemeinderätin in Konstanz.

„Das Ergebnis des Synodalen Wegs stimmt mich euphorisch, er setzt genau die richtigen Akzente: Kirche darf bunt sein, Frauen gehören in alle Ämter. Aber ich weiß auch, dass das nur Deutschland ist. Die Themen kommen in Rom gar nicht an. Das zeigt der jüngste Talkshow-Auftritt des Papstes: Die wichtigen Themen hat er gar nicht angesprochen.

Der Missbrauchsskandal, die Gleichberechtigung der Frau und der Umgang mit der Homosexualität – das sind Dinge, die Deutschland interessieren, in Österreich und der Schweiz. Der Rest von Europa ist anders unterwegs – und erst recht der Rest der Welt. Bei aller Euphorie stellt sich also die Frage: Haben die deutschen Bischöfe den Mut, das in Rom zu platzieren und im Notfall einen deutschen Sonderweg zu gehen?

Ich weiß nicht, wie ein Kompromiss aussehen könnte. Aber bei uns muss was passieren, sonst ist es zu spät. Ich habe meine Zweifel, ob sich die Bischöfe dazu durchringen können. Da fehlt der Mut zu sagen, jetzt machen wir unser Ding und schauen was passiert.

Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren. Aber ich habe die große Sorge, dass Menschen wie ich, die sich in Kirche engagieren, denen die Kirche wichtig ist – dass die austreten. Das ist spätestens seit dem Missbrauchsskandal ein ganz großes Thema.

Eine Abspaltung der deutschen katholischen Kirche wäre für mich kein Problem. Ich denke, dass unsere Kirche davon profitieren könnte.“

Ulrika Schirmaier, Lauchringen, ist als Lektorin, Kommunionshelferin und Mesnerin engagiert. Die Religionslehrerin rief 2019 rief eine Maria 2.0-Initiative am Hochrhein ins Leben. Sie findet: „Es hat sich etwas geändert“

Ulrika Schirmaier aus Lauchringen ist bei Maria 2.0 – und weiterhin ehrenamtlich in ihrer Kirche aktiv.
Ulrika Schirmaier aus Lauchringen ist bei Maria 2.0 – und weiterhin ehrenamtlich in ihrer Kirche aktiv. | Bild: Schlichter, Juliane

„Es ist ein Anfang gemacht. Mir ist es wichtig zu sehen, dass sich das Klima bei den Bischöfen stark verändert hat. Die haben wohl einfach erlebt, wie produktiv Diskussionen sein können! Ich habe den Kontakt bislang deutlich schwieriger erlebt. Wir hatten ja Unterschriften gesammelt, die wir Erzbischof Burger übergeben wollten, doch der fand keinen freien Termin für uns – selbst als die Bundestagsabgeordneten vom Hochrhein sich für uns eingesetzt haben.

An dieser Haltung hat sich anscheinend etwas geändert – den Kritikern wird nun zugehört. Was die Inhalte des Synodalen Wegs angeht: Für Maria 2.0 ist die Gleichstellung das zentrale Thema. Es sind schließlich zu 80 Prozent Frauen, die in der Kirche aktiv sind.

Ohne uns Frauen gäbe es die katholische Kirche wahrscheinlich gar nicht mehr. Das Diakonat der Frau, das der Synodale Weg unterstützt, wäre ein wichtiges Zeichen. Wir von Maria 2.0 wollen aber letztlich, dass Frauen auch Priester werden können.

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Genauso wichtig ist mir persönlich aber eine Kirche ohne Angst, eine glaubwürdige Kirche. Die frohe Botschaft muss im Mittelpunkt stehen und die Liebe Jesu – das gibt Heimat. Hut ab von dem Mut der Out-in-Church-Aktivisten!

Das zeigt: Wenn man sich zusammentut, kann man etwas bewegen. Ich verstehe das als Zeichen dafür, dass sich etwas bewegt. Auch wir machen weiter. Meine beiden Mitstreiterinnen von Maria 2.0 in Lauchringen sind zwar inzwischen aus der Kirche ausgetreten, aber sie kämpfen immer noch mit!“

Pater Stephan, Reichenau, hat vor 20 Jahren eine Cella auf der alten Klosterinsel gegründet. Der Münsterländer verspürt beim Synodalen Weg einen „Geist wie beim Pfingst-Wunder“

Pater Stephan Vorwerk, Benediktinermönch auf der Insel Reichenau.
Pater Stephan Vorwerk, Benediktinermönch auf der Insel Reichenau. | Bild: Angelika Wohlfrom

„Ich habe die Sitzungen des Synodalen Wegs mit großem Interesse im Internet verfolgt. Mich hat überrascht, wie sehr manche Bischöfe umdenken. Unser Glaube ist aus meiner Sicht viel zu bürokratisiert – Hauptsache Kirchenrecht! Aber da gibt es offenbar ein Umdenken.

Was mir gefällt: Beim Synodalen Weg konnten die Menschen angstfrei reden, ohne befürchten zu müssen, dass sofort dicht gemacht wird. Diese Toleranz hat mich beeindruckt. Ein wenig fühle ich mich an die Urkirche erinnert – da war so ein Geist da wie beim Wunder von Pfingsten.

Die katholische Kirche hat viel Schuld auf sich geladen. Wir sind immer noch geprägt von diesem Angst machenden Moralin, das sie verbreitet hat. Es wird Zeit, dass die Heilsbotschaft wieder in den Vordergrund rückt – und das tut sie. Auch durch Papst Franziskus. Er hat nach Johannes Paul II. und Benedikt die Tür wieder aufgemacht.

Was der Synodale Weg angestoßen ist, ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist. Aber ich habe die Hoffnung, dass sich etwas verändert. Beim Zölibat: Ich bin selbst Ordensmann, für mich kommt das nicht in Frage.

Aber ich finde es legitim und gut, wenn Priester heiraten – ob Mann oder Frau. Es geht darum, dass wir das Evangelium verkünden. Dafür brauchen wir Menschen, die gestützt werden in ihrer Partnerschaft. Zum Arbeitsrecht: Das ist eine Entwürdigung, Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften so zu behandeln.“