Die Landwirte in Baden fordern, saisonale Arbeitskräfte aus dem Ausland von der erwarteten Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro auszunehmen. Bei besonders arbeitsintensiven Kulturen wie Erdbeeren, Himbeeren, Spargel oder auch im Weinbau machten die Löhne bereits bis zu 60 Prozent der Produktionskosten aus, sagte der Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV), Bernhard Bolkart, am Montag bei einer Pressekonferenz in Freiburg.
„Steigen diese Kosten weiter, können sie nicht einfach an die Verbraucher weitergegeben werden – dafür ist der internationale Preisdruck durch billige Importware zu hoch“, sagte der Verbandspräsident. Letztlich seien auch die Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität in Gefahr, so der Verband.
Immer weniger Erdbeeren
Gleichzeitig bekannte sich der Verband zum Mindestlohn für festangestellte Facharbeiter in der Landwirtschaft. „Hier zahlen viele Landwirte ohnehin längst mehr als 15 Euro. Man muss von seiner Arbeit auch leben können, gerade bei den aktuell so stark steigenden Lebenshaltungskosten“, sagte Bolkart.
Nach Angaben des BLHV sind seit Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 die deutsche Erdbeerproduktion und die Anbaufläche um rund 30 Prozent zurückgegangen. Inzwischen komme nur noch gut ein Fünftel des in Baden-Württemberg gegessenen Obstes aus regionalem Anbau. Bei Gemüse liege die Selbstversorgerquote bei 35 Prozent.
Bolkart schlug vor, Saisonkräften 80 Prozent des erwarteten, neuen Mindestlohns zu zahlen, das wären statt 15 Euro, 12 Euro. „Das ist für unsere Erntehelfer aus Bulgarien, Rumänien oder Polen gutes Geld, auch weil sie auf ihren Lohn keine Abgaben zahlen müssen und die Lebenshaltungskosten in ihren Heimatländern viel niedriger sind als in Deutschland.“ Ausländische Erntehelfer müssen keine Sozialabgaben zahlen, wenn sie höchstens 70 Tage pro Jahr in Deutschland arbeiten.
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro angekündigt. Eine Entscheidung soll bis Ende Juni fallen. Bislang gibt es keine Signale, dass Saisonkräfte ausgenommen werden sollen.
Auch Deutscher Bauernverband fordert 80 Prozent
In der „Rheinischen Post“ (Montag) forderte auch Bauernverband-Präsident Joachim Rukwied, niedrigere Mindestlöhne für Erntehelfer. Sollte die Erhöhung auf 15 Euro ohne Ausnahmen für Saisonarbeitskräfte kommen, wäre das ein „Strukturwandelbeschleunigungs- und Ausstiegsprogramm für viele Gemüse-, Obst- und Weinbaubetriebe“, kritisierte Rukwied.
Der badische Landwirteverband warnte, dass eine ausnahmslose Erhöhung zahlreiche Betriebe in Existenznöte treiben oder zur Aufgabe zwingen würde. „Es rechnet sich für viele Landwirte einfach nicht mehr, wenn sie auf dem Markt mit Ländern konkurrieren sollen, wo die Lohnkosten nur die Hälfte oder sogar nur ein Drittel betragen“, sagte Verbandsvize Martin Linser.
Er sprach von drastischen Folgen für die gesamte Kulturlandschaft und für die Umwelt. „Der Verlust kleinräumiger Landwirtschaft würde auch die Artenvielfalt treffen. Wollen wir in Baden-Württemberg künftig nur noch eine auf den höchstmöglichen Ertrag optimierte Agrarindustrie?“ (KNA)