Die Zahlmarke ist hoch. Im Dezember sollen eine Million Impfungen im Südwesten verabreicht werden, im Januar noch mehr. Das alles sollen nach dem Willen von Sozialminister Manfred Lucha 155 Impfteams und die niedergelassenen Ärzte schaffen. Die bisherigen offenen Impfaktionen durch mobile Impfteams brachten lange Wartezeiten mit sich, viele Bürger mussten unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. Die Hausärzte aber sind vielerorts bis Jahresbeginn ausgebucht.

Erschwerend hinzu kommt die neue Limitierung von Biontech für niedergelassene Ärzte, stattdessen soll verstärkt Moderna verimpft werden, weil der Bund hier noch Vorräte hat, die im Frühjahr andernfalls zu verfallen drohen. Ein Coup des geschäftsführenden Gesundheitsministers Jens Spahn, für den er von mehreren Ministerpräsidenten hart kritisiert wurde.

Bei einer Impfaktion in der Stadthalle Pfullendorf kamen viele Menschen und standen lange an. Der mitgebrachte Impfstoff aber war zu ...
Bei einer Impfaktion in der Stadthalle Pfullendorf kamen viele Menschen und standen lange an. Der mitgebrachte Impfstoff aber war zu knapp – die Nachfrage wurde unterschätzt. | Bild: Moll, Mirjam

Dabei wird Impfstoff ohnehin in großen Mengen gebracht: Allein eine Million Boosterimpfungen werden nach Angaben des Sozialministeriums schon im Dezember fällig. Im Januar werden es noch mehr. Aus dem Sozialministerium heißt es, dass monatlich 600.000 Impfungen über die Impfaktionen und 400.000 über die niedergelassenen Ärzte erreicht werden könnten. In welchem Umfang dabei Erstimpfungen geleistet werden können, ist unklar.

Wären Impfzentren besser gewesen?

Ende September ließ der Bund die Finanzierung für die Impfzentren auslaufen, sie wurden heruntergefahren – übernehmen sollten die Hausärzte. Die Miete für die Hallen und die Kosten für das Personal hätten schnell zu Kosten in Millionenhöhe geführt, hätte man die Zentren dennoch offengehalten, argumentiert auch das Sozialministerium. Zudem seien die Zentren nicht mehr ausreichend frequentiert worden, teils nur noch zu zehn Prozent, wie Amtsleiter Uwe Lahl dem SÜDKURIER sagte.

Das könnte Sie auch interessieren

Mit mobilen Impfteams könne man dagegen niederschwelliger und vor Ort Impfungen anbieten. Die Impfteams aber müssen von einem zentralen Krankenhaus für jeweils drei Kreise gestellt werden. Die Organisation der Impfaktionen hängt an Kreis und Kommunen. Im Fall des Kreises Konstanz sind es neun Impfteams, die der Gesundheitsverbund Konstanz stellen soll. Personal, das eigentlich im Krankenhaus selbst gebraucht wird, wo es ohnehin Engpässe gibt.

Dezentrale Impfstützpunkte statt zentrale Impfzentren

„Das ist ein Geburtsfehler“, sagt Landrat Zeno Danner. Nicht vorrausschauend und planlos habe die Landesregierung gehandelt, moniert er. Er hätte sich gewünscht, dass nicht alle Impfzentren komplett abgebaut werden, das Personal bei deren Schließung direkt in kleinere, dezentrale Angebote übergegangen wäre.

So aber seien Verträge zwangsläufig gekündigt worden, Dienstleister nicht mehr verfügbar. Über 100 Mitarbeiter würden aber gebraucht, um sieben Tage die Woche Impfaktionen anbieten zu können, sagt er. Wolle man zusätzlich feste Impfstützpunkte anbieten, entsprechend mehr. „Daran hängt es“, sagt er dem SÜDKURIER. Die Räumlichkeiten ließen sich dagegen organisieren.

Im Kreis Konstanz sollen demnach mehrere feste Impfstützpunkte entstehen, in Engen nimmt er bereits am Samstag seinen Dienst auf. Ärzte des Medizinischen Versorgungszentrums schlossen sich zusammen, Termine konnten vorab online über die Seite der Stadt gebucht werden und sind bereits ausgebucht. Die Aktion soll nun regelmäßig stattfinden, ähnliche Modelle sollen voraussichtlich im Milchwerk in Radolfzell, in Singen sowie im Konstanzer Bürgersaal entstehen.

Ähnlich geht man in anderen Kreisen vor: So kündigte der Kreis Waldshut mehrere dezentrale „Mini-Impfzentren“ unter anderem in Bad Säckingen an, Termine sollen über einen Online-Anbieter buchbar sein.

Das könnte Sie auch interessieren

Terminvergabe über Buchungssysteme

Zwar schaffen die Impfteams nach Angaben von Danner ohne Termin mehr Impfungen: So hätten zwei Impfteams in der Region an verschiedenen Impfaktionen mit Termin etwa 300 Impfungen geschafft, ohne Termin dagegen mehr als 500.

Doch um lange Wartezeiten zu vermeiden, gibt man in Konstanz schon jetzt Nummern aus, langfristig sollen wieder Buchungssysteme eingerichtet werden. Allerdings über Veranstaltungsanbieter, nicht über die bisherigen komplizierten Onlinebuchungen der Kassenärztlichen Vereinigung oder die Hotline, die häufig überlastet war. „Das entspricht zwar nicht der Landesvorgabe, ist aber sinnvoll, um den Strom der Impfwilligen zu lenken“, so Landrat Danner.

Es geht auch anders: In Tübingen wurde ein Pop-Up-Impfzentrum eingerichtet, Termine können vorab online gebucht werden.
Es geht auch anders: In Tübingen wurde ein Pop-Up-Impfzentrum eingerichtet, Termine können vorab online gebucht werden. | Bild: Marijan Murat

„Die Impfzentren waren zu keinem Zeitpunkt ausgelastet“, sagt auch der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung, Kai Sonntag. Die Zentren seien geschlossen worden, weil der Bund die Finanzierung einstellte „und es schlicht keine Patienten mehr gab.“ Die Ärzteschaft habe aber nie gefordert, die Zentren ganz zu schließen, stellt er klar. „Wir haben lediglich in Frage gestellt, ob es so viele sein müssen“, sagt er dem SÜDKURIER.

Ärzte beteiligen sich großteils an Impfungen

In Baden-Württemberg beteiligen sich nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung etwa 3700 der circa 5000 Ärzte an den Impfungen – also längst nicht alle. Das liege vor allem daran, dass in dieser Rechnung auch Facharztpraxen einkalkuliert waren, erklärt Sonntag. Diese hätten sich nach und nach von den Impfaktionen zurückgezogen, weil die Patienten dafür fehlten. Hinzu komme der bürokratische Aufwand der Impfungen. Lange mussten Impfstoffe schon zwei Wochen im Voraus bestellt werden, inzwischen ist zwar wieder ein Wochenbestellrhythmus möglich, aber viele Ärzte gaben schon vorher auf.

Jeder Patient müsse beispielsweise auch bei den Auffrischungsimpfungen wieder aufgeklärt werden. Der zeitliche Aufwand für die Impfungen war manchen zu groß. Hinzu kam ein lange niedrigeres Honorar als für Ärzte, die in Impfzentren tätig waren. Inzwischen wurde aufgestockt. „Dadurch können Ärzte externes Personal hinzuziehen“, sagt Sonntag. Er glaubt, dass sich so wieder mehr Ärzte Impfungen anbieten könnten.

Impfungen beim Hausarzt sind häufig über Wochen ausgebucht, Termine mancherorts erst wieder im neuen Jahr verfügbar.
Impfungen beim Hausarzt sind häufig über Wochen ausgebucht, Termine mancherorts erst wieder im neuen Jahr verfügbar. | Bild: Christoph Schmidt

Dennoch glaubt Sonntag, dass die niedergelassenen Ärzte 400.000 Impfungen im Monat erreichen können. Allein binnen einer Woche seien 230.000 Impfungen erreicht worden, so der Sprecher der Vereinigung.

„Die Organisation ist nicht das Problem“, glaubt Sonntag. Vielmehr habe es zu viele widersprüchliche Empfehlungen gegeben aus der Politik, der Ständigen Impfkommission und der übergeordneten EMA. Das habe in den Praxen „viel Zeit und Nerven“ gekostet.

Auch Landrat Danner will sich über seine Ärzte nicht beschweren, im Gegenteil: Viele Ärzte seien sehr engagiert, betont er. Was die Impfaktionen angeht, gibt er sich zuversichtlich, „dass wir das hinkriegen werden – aber nicht alle vor Weihnachten“.