Als die Spezialeinheit aus Bruchsal sich am Morgen des 21. März 2024 an einem Haus in Dogern im Landkreis Waldshut in Position brachte, wussten die Polizisten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) bereits, dass es gefährlich werden könnte. Sonst wären sie nicht hier, sonst wäre hier nicht schon mal ein SEK im Einsatz gewesen.

Die Polizisten sollten hier wieder einen Haftbefehl in Vollzug setzen – und einen 29-Jährigen wegen mehrfacher Bedrohung festnehmen. Der junge Mann soll über Jahre Polizisten, Staatsanwälte und Richter im Internet diffamiert, beleidigt und bedroht haben. Aber jetzt, knapp ein Jahr später, steht der Deutsche wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen.

Attacke gegen Polizisten: Ein Handgemenge, ein Sturz, zwei Verletzte

An jenem Tag im März fiel der 29-Jährige von der Terrasse seines Elternhauses drei Meter tief. Als die Beamten die Haustür aufspreizen wollten, soll der Mann, der kaum 1,60 Meter groß ist, versucht haben zu fliehen.

Als er einem Polizisten auf der Terrasse auf der Rückseite des Hauses gegenüberstand, soll er ein Klappmesser mit einer neun Zentimeter langen Klinge hinter seinem Rücken gehalten haben. Anstatt aber die Hände über den Kopf zu nehmen, soll er laut Anklage angegriffen haben – und versucht haben, den Polizisten in den Kopf- und Halsbereich zu stechen.

Trotz Schutzausrüstung erlitt der Polizist Schnittwunden im Gesicht und an der Schulter, konnte sich aber wehren – und der Dogerner stürzte in der Folge durch ein Glaselement. Er verletzte sich dabei am Kopf und Rücken. Die Wunden des Polizisten waren nur etwa einen Zentimeter tief, aber der Angriff sollte den Beamten noch länger beschäftigen.

Auch ein Mord-Urteil kommt infrage

Gleich zu Beginn der Beweisaufnahme teilte die Kammer um den Vorsitzenden Richter Martin Hauser mit, dass hier auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes aus niederen Beweggründen – übersteigerter Hass auf Polizeibeamte – zu prüfen sei.

Der 29-Jährige soll im März 2024 versucht haben, einen Polizisten in den Hals zu stechen, als er festgenommen werden sollte.
Der 29-Jährige soll im März 2024 versucht haben, einen Polizisten in den Hals zu stechen, als er festgenommen werden sollte. | Bild: Durain

Der Verteidiger will dagegen vom rechtsmedizinischen Sachverständigen abklären lassen, dass die Wunden, die der Polizist davon trug, auch durch eine Steifbewegung entstanden sein können. Denn ein gezielter Stich hätte wohl tiefere Wunden verursacht.

Der 29-Jährige schweigt zu den Vorwürfen. Dafür schaffen seine Strafakte und das, was später ein Kriminalbeamter über ihn aussagt, Fakten.

Schon einmal wegen Messerstich verurteilt

Als ein Kriminalkommissar später im Zeugenstuhl Platz nimmt, fragt er Richter Hauser, ob er nun mehrere Stunden über den Angeklagten referieren soll oder sich kurzfassen soll. Der Polizist selbst hat seit 2020 allein 17 Anzeigen gegen den Angeklagten gestellt.

Der Dogerner soll Jahre lang polemische und bösartige Mails an Vertreter der Staatsgewalt verfasst haben, er habe außerdem Videos oder Fotos in Sozialen Netzwerken verbreitet und diese beispielsweise als Pädophile verunglimpft. Dazu stellt er er ein Foto des Polizisten mit dessen Tochter, das er vorher von dessen Facebook-Seite genommen hatte.

Im Laufe der Jahre habe es hunderte Aktenvermerke allein von der Kripo Waldshut gegeben, sagt der Ermittler. Der Angeklagte folgt dabei in einem Muster: Polizisten, Staatsanwälte oder Richter nennt er Angehörige der „Köter-Rasse“, „widerliche deutsche Despoten“, „Angehörige der braunen Brut“, „Herrenmenschen“ oder „Blutrichter“.

Der Angeklagte wurde mehrfach verurteilt, stand zwei Mal vor dem Jugendschöffengericht. Das erste Mal wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Schon damals ging es um einen Stich mit einem Messer gegen den Hals.

Angegriffener Polizist soll aussagen

In dem Haus in Dogern gab es schon mehrere Polizeieinsätze – auch der Staatsschutz kam schon vorbei. Denn auch der inzwischen verstorbene Vater des Jungen fiel mit einem „ausgeprägten negativen Verhältnis zu Polizei und Justiz“ auf, wie es der Richter ausdrückte.

Wie ein Schuljunge sitzt der 29-Jährige neben seinem Verteidiger und folgt der Verhandlung regungs- bis emotionslos, blättert in den Unterlagen. Nur am Ende des Verhandlungstages spricht er noch kurz mit leiser Stimme: Und bedankt sich bei dem Polizisten der Spezialeinheit aus Bruchsal, dass er ihn damals medizinisch erstversorgt hat, als er mit einer Platzwunde am Kopf vor der Garage seines Elternhauses lag.

Gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen erklärte er nach dem Sturz, unter einer lebenslangen Amnesie, also Erinnerungsunfähigkeit, zu leiden. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt – unter anderem soll der verletzte Polizist aussagen. Ein Urteil wird für kommende Woche erwartet.