Auch zwei Wochen nach dem vom Hochzeitfeuerwerk ausgelösten Brandinferno bei Reifengroßhändler Bruno Göggel gehen die Emotionen in Gammertingen hoch. „Wie kann es sein, dass der Kindergarten auf sein Grillfest wegen Brandgefahr verzichten musste, ein Unternehmer aber alle Genehmigungen für ein gefährliches Unterfangen bekommt?“, fragte eine aufgebrachte Frau bei einer Bürgerfragestunde im Rathaus von Gammertingen, bei der auch der SÜDKURIER dabei war.
Wie berichtet, hatte die 6500-Einwohner-Kommune am 19. Juli mit Verweis auf die Waldbrandgefahr Rauchen und Feuer machen „strengstens verboten“ und dies auf Ihrer Homepage veröffentlicht.
Schaden bei 25 Millionen Euro
Nur vier Tage später kam es zum von der Stadt Gammertingen nicht untersagten Hochzeitsfeuerwerk am privaten Anwesen von Bruno Göggel in unmittelbarer Nähe eines Waldes, einer Wohnsiedlung und des Betriebsgeländes.
Eine von acht Lagerhallen, in der Winterreifen gelagert waren, brannte völlig nieder. Die gigantische Rauchwolke zog in Richtung Süden. Den Schaden schätzt der Gammertinger Großbetrieb auf 25 Millionen Euro.

Ein verärgertes Unternehmer-Paar sagte bei der Bürgerfragestunde, dass die „erlaubnisgebende Instanz“, also die Stadt Gammertingen, verantwortungslos gehandelt hätte, weil sie das für den Großbrand ursächliche Feuerwerk nicht untersagt hatte.
Der Gedanke, was durch das Feuer und die Kunstflugvorführung noch alles passieren hätte können, habe das in direkter Nachbarschaft wohnende Ehepaar nächtelang nicht schlafen lassen. Sie deuteten den Verdacht an, dass bei wohlhabenden, spendenfreudigen Gammertingern, ein Auge zugedrückt würde.
„Es gab im Vorfeld keine Erkenntnisse“
Diesen Vorwurf wollte Bürgermeister Holger Jerg so nicht stehen lassen. „Wir lassen uns nicht kaufen!“, sagte er. Den Vorwürfen hielt er entgegen, dass zum Zeitpunkt des Hochzeitsfeuerwerks der Deutsche Wetterdienst die Waldbrandgefahr im Landkreis Sigmaringen bereits auf Stufe zwei (geringe Gefahr, Anm.) heruntergestuft habe, was beim geplanten Grillfest des Kindergartens noch nicht der Fall gewesen sei.
Außerdem habe es laut dem Stadtchef mehrfach geregnet, sodass keine akute Gefahr mehr gesehen worden sei.

Dem SÜDKURIER hatte Bürgermeister Jerg ein Stück selbstkritischer am Tag nach dem Feuerinferno gesagt: „Wenn wir die Brandlage gewusst hätten, hätten wir anders reagieren können. Aber es gab im Vorfeld keine Erkenntnisse“, so der Stadtchef, der selbst Gast war auf der pompösen Hochzeitsfeier mit Schlagersänger DJ Ötzi als Stargast.
Jerg schloss im SÜDKURIER-Gespräch später aus, dass die drei städtischen Kindergärten ein Grillfest hätten absagen müssen. Womöglich sei ein privater Waldkindergarten davon betroffen gewesen.
Widmungswidrige Nutzung?
Als das Unternehmer-Ehepaar in der Bürgerbefragung kritisierte, dass sich auf der vor einem Jahr von der Stadt als Mitarbeiterparkplatz genehmigten Fläche am Göggel-Betriebsgelände widmungswidrig die Paletten mit Reifen als Lagerplatz stapeln würden, sagte Jerg zu, dass er sich das ansehen wolle.
„Sie hätten das spätestens bei der Begehung des Areals schon längst sehen müssen“, herrschte ihn die Anwohnerin an. Sie war so sauer, dass sie die Bürgerbefragung vorzeitig verließ.
Gegen Ende sagte der Gammertinger Bürgermeister, dass es in seiner 23-jährigen Amtszeit drei Mal Schwierigkeiten mit privaten Feuerwerken gegeben habe. „Ein viertes Mal wird das nicht passieren!“, so Jerg. „Ich nehme Sie beim Wort“, sagte die Frau im Rausgehen aus dem Sitzungssaal.
Schon einmal ein Problem-Feuerwerk bei einem Göggel-Fest
Im SÜDKURIER-Gespräch erläuterte der Stadtchef, dass mit den beiden anderen Problem-Feuerwerken eines zum Stadtjubiläum und eines zum 25. Betriebsjubiläum von Reifen Göggel im Jahr 2007 gemeint waren.
Damals sei das Feuerwerk auf freiem Feld mit Schutzabsperrungen aufgebaut gewesen. Schaulustige hätten jedoch die Sicherheitsabstände nicht eingehalten. „Das war für uns auch beim aktuellen Feuerwerk der Grund zu sagen, der Standort auf dem geteerten Innenhof ist besser als draußen in der freien Natur“, so Jerg.

Doch sind Feuerwerke nun in Gammertingen verboten, damit es zu keinem vierten Problemfall kommt? „Sollte eine Anfrage kommen, werden wir uns das genau überlegen“, sagt der Stadtchef.
Er habe Landrätin Stefanie Bürkle, die laut ihrem E-Mail-Antwortassistenten seit Ende Juli bis 21. August im Urlaub ist, aber „omnipräsent“ sein soll, gebeten, eine gemeinsame Vorgehensweise für alle Kommunen im Kreis Sigmaringen zu finden.
Zahlreiche verunsicherte Bürgermeisterkollegen – nicht nur aus dem Landkreis – hätten Jerg nach den Schlagzeilen zum Großbrand angerufen und ihn um Rat gefragt, da in ihren Gemeinden bei Festen ebenfalls Feuerwerke geplant seien. „Es will ja niemand etwas falsch machen. Das Sprengstoffgesetz ist, wie es ist. Der Pyrotechniker hat die Verantwortung“, so der Gammertinger Stadtchef.
Er betonte, dass bei der Bürgerfragestunde lediglich drei von 6500 Einwohnern vor Ort gewesen seien. Aufgeregtheit sei keine da gewesen, aber er verstehe die Bedenken der Bürger, sagte Jerg.