Die Fasnacht als Großereignis mit Tausenden von Zuschauern und Hunderten an Maskenträgern ist für kommendes Jahr gestrichen. So lautet die einhellige Empfehlung der 13 Verbandschefs, die insgesamt mehr als 70 närrische Zünfte oder Vereine im in Baden-Württemberg vertreten. Sie sind in einer Arbeitsgemeinschaft organisiert, die sich beim Treffen in Bad Dürrheim auf diese grobe Linie einigte.
Das Risiko ist zu hoch
Die fünfte Jahreszeit wird 2021 kaum wiederzuerkennen sein, berichten die Teilnehmer aus der Sitzung. Die Narrentreffen werden ohne Ausnahme abgesagt, wenn es nach ihnen geht. Denn wenn nur eines stattfinden würde, wäre es ein weitstrahlender Anziehungspunkt und könnte sich ungewollte zum Infektionsherd entwickeln, sagt Roland Wehrle dem SÜDKURIER.
Wehrle ist Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte. Dieses Infektionsherd-Risiko werde kein Organisator eingehen. Wehrle verweist auch auf die Haftung, die eine ausrichtende Zunft damit übernehmen würde.
Gefährliche Nahkontakte beim Fasnachtsball
Auch für die Saalfasnacht sehen die närrischen Spitzen keine Chance, ebenso wenig für närrische Partys, Prunksitzungen oder für die beliebten Bälle, wo es zwangsläufig zu Nahkontakten kommt.

Auch der Straßenumzug findet sich auf der Streichliste. Er findet zwar im Freien statt, doch stehen die Zuschauer oft eng gedrängt und haken gerne unter. Auch herausragende Ereignisse wie die Fasnetsküchlefahrt über den Bodensee (von Bodman nach Sipplingen) fällt aus, ebenso die Zunftmeistertagung der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee.
Auf der Suche nach Ersatz
„Die Fasnacht als solche wird natürlich nicht ausfallen“, sagt Rainer Hespeler, Präsident der Narrenvereinigung. Gefragt sind nun kleinere Formen des Brauchtums, die man unter freiem Himmel praktizieren kann.
Die Zünfte halten bereits eifrig nach alten Bräuchen Ausschau. Hespeler nennt zum Beispiel die Schülerbefreiung, die man ausbauen könne. Oder den Besuch von Altenheimen: Eine kleine Musikkapelle kann alten Menschen vor dem Heim aufspielen, ohne das Haus zu betreten. „Für viele älteren Leute könnte es die letzte Fasnacht sein“, sagt Hespeler, der selbst begeisterten Akkordeonspieler ist.

Auch das Narrenbaumstellen, das in vielen Gemeinden üblich ist, muss 2021 keinesfalls ausfallen. Als Freiluftveranstaltung bietet es sich auch in Zeiten von Corona an. Hespelers Prognose: „Im nächsten Jahr erleben wir die kreativste Fasnacht seit Langem.“
Feiern zwischen Sofa und Küche
Dazu zählt auch eine Praxis, die im vergangenen Jahrhundert noch gang und gebe war: Narren klingeln an Privathäusern und gehen in die Wohnungen, sobald ihnen geöffnet wird. Denn vor dem Siegeszug der Wirtshaus-Fasnacht spielte sich das maskierte Brauchtum häufig zwischen Straße und Häusern ab. Das könne man neu entdecken, denkt Rainer Hespeler. Gleichzeitig sorgt er sich um die Gastronomie, wo mancher Betreibe schließen musste; manche Dorffasnacht ist ohne Gasthaus oder Kneipe gar nicht mehr denkbar.
Die Überlegungen und Empfehlungen der 13 Präsidenten sind vorläufig. Das sagen sie selbst. Sie werden das Infektionsgeschehen streng beobachten. Sie wollen nicht au Biegen und Brechen feiern und feiern lassen mit dem Risiko, die Coronagefahr zu erhöhen. „Alles, was wir heute beschließen, kann schon morgen Makulatur sein,“ ahnt Roland Wehrle.