Ab 15. März gilt die Impfpflicht in Pflegeheimen. Angestellte, die bis dahin keinen Nachweis über eine Impfung erbracht haben, müssen dann mit einem Betretungsverbot rechnen. Oder? Tatsächlich zeichnet sich ab, dass das neue Gesetz in der Praxis gerade dort kaum Umsetzung finden dürfte, wo die Impfquote besonders niedrig ist.

Stein des Anstoßes: Im kleinen Dörfchen Stahringen, Ortsteil von Radolfzell, liegt das Pflegeheim Waldblick. „Die kleine Oase der umsorgten Geborgenheit“ – so wirbt das Pflegeheim für sich, betreut 45 psychisch kranke Menschen, das Durchschnittsalter liegt bei 70 Jahren. Doch die Idylle bröckelt. Denn geimpft sind hier nur 20 Prozent der 30 Mitarbeiter. Damit droht dem Heim die vorübergehende Schließung mangels Personal – zumindest in der Theorie.

20 Prozent Impfquote

Dem SÜDKURIER sagte Heimleiterin Edith Klup Ende Januar, von ihren 29 Mitarbeitern seien nur neun geimpft. „Ich finde nicht, dass man Menschen zwingen sollte, sich impfen zu lassen“, betonte die Heimleiterin, die damals selbst angab, nicht geimpft zu sein.

Das Pflegeheim Waldblick in Stahringen liegt am Ortsrand, unmittelbar daneben verlaufen die Gleise des „Seehäsle“, das ...
Das Pflegeheim Waldblick in Stahringen liegt am Ortsrand, unmittelbar daneben verlaufen die Gleise des „Seehäsle“, das Richtung Stockach fährt. | Bild: Moll, Mirjam

Andere Medien berichten von 30 Mitarbeitern, von denen nur sechs geimpft seien und davon auch nur zwei vollständig. Selbst wenn man die Erstimpfungen mitzählt, entspräche dies nur einer Impfquote von 20 Prozent. Klären lassen sich die unterschiedlichen Angaben nicht, Heimleiterin Klup will nicht mehr mit dem SÜDKURIER darüber sprechen. Sie habe ihre Meinung zu diesem Thema bereits gesagt, erklärt sie am Telefon. Sie wolle abwarten, wie sich die Impfpflicht auf ihre Heim auswirke.

Klar dürfte sein, dass das Stahringer Heim weit unter dem Landesdurchschnitt liegt. Nach Zahlen des Sozialministeriums von Ende Februar sind von den derzeit 97.910 Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen 88,4 Prozent vollständig geimpft, allerdings nur 60,2 Prozent geboostert.

Uwe Seibel vom Regionalverband Südwest des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) geht allerdings davon aus, dass die Impfquote bei den Fachkräften in den Pflegeheimen deutlich höher liegt. „Wir gehen davon aus, dass der allergrößte Teil der Fachkräfte, mehr als 88 Prozent, geimpft sind.“ Zu den Beschäftigen in Pflegeheimen zählten ja aber auch anderes Personal wie Putzkräfte oder Küchenhilfen. Welche Auswirkungen die Einführung der Impfpflicht ab 15. März auf die Versorgungslage haben wird, vermag aber auch er nicht einzuschätzen: „Das wäre Kaffeesatzleserei“, sagt er.

Konsequenzen für Stahringer Heim nicht zu befürchten

Im Stahringer Fall dürfte es nicht zur vorübergehenden Schließung kommen. Das zuständige Gesundheitsamt im Kreis Konstanz verweist darauf, dass „das Landratsamt Konstanz die gesetzlich festgelegte einrichtungsbezogene Impfpflicht als Untere Verwaltungsbehörde durchzusetzen“ habe. Dabei sei eine „Ermessensprüfung“ zu machen.

Weiter sagt Sprecherin Marlene Pellhammer: „Für den Bereich der stationären Pflegeeinrichtungen ist laut der Handreichung des Sozialministeriums auch zu prüfen, ob Tätigkeitsverbote zu einer signifikanten Unterschreitung der Personalvorgaben führen würden.“

Das wäre im Fall des Pflegeheims Waldblick gegeben. „In diesem Fall liegt in der Regel ein Überwiegen des Aspekts der Versorgungssicherheit nahe“, erklärt Pellhammer mit Verweis auf die Vorgaben des Sozialministeriums. „Eine vorübergehende Schließung der Einrichtung ist demnach wohl nicht zu erwarten“, vermutet sie.

Sozialministerium verweist auf Versorgungssicherheit

Diese Einschätzung teilt auch das Sozialministerium. „Sofern Tätigkeitsverbote zu einer signifikanten Unterschreitung der Personalvorgaben führen würden, auf die die Heimaufsichtsbehörden mit Anordnungen, Aufnahmestopps, Teilbetriebsuntersagungen reagieren müssten, dürfte der Aspekt der Versorgungssicherheit in der Regel überwiegen“, bestätigt Sprecher Florian Mader.

Dass die Mitarbeiter, die sich nicht impfen lassen wollen, damit ohne jegliche Konsequenzen weiter arbeiten dürfen, bedeutet das aber nicht, stellt der Sprecher klar. „Mildere Maßnahmen, wie eine befristete weitere Tätigkeit unter Auflagen“ kämen dann in Betracht. Zudem müssen Betroffene mit Bußgeldern rechnen.

Regionaler Caritasverband wirbt für Impfungen

Was halten andere Träger von Pflegeheimen von Impfquoten wie in Stahringen und der Aussicht, dass es voraussichtlich nicht geschlossen wird? Andreas Hoffmann ist Vorstand des Caritasverbands Konstanz. Er fragt sich, wie es angehen könne, „dass Heime, die sich nicht bemüht haben, dann auch noch Ausnahmeregelungen geltend machen können und Heime, bei denen es nur wenige Nicht-Geimpfte gibt, müssen mit Freistellungen rechnen.“ Das wäre „maximal unangemessen“.

Hoffmann sagt dazu klar: „Wir würden keine Heimleitung beschäftigen, wenn diese nicht hinter der Impfpflicht steht.“ Die Haltung der Leitung habe Einfluss auf die Mitarbeiter, auch die Ärzte in den Heimen genössen in der Regel das Vertrauen des Personals. In seinem Verband habe man seit den ersten Impfangeboten darum geworben, sich impfen zu lassen.

Dennoch steht auch Hoffmann einer Impfpflicht nur für Pflegekräfte kritisch gegenüber. „Die Bewohner sind nicht nur durch das Personal gefährdet, sondern auch durch Besucher. Wir sind deshalb für eine allgemeine Impfpflicht – die Pflege sollte nur vorausgehen und sollte jetzt nicht hängen gelassen werden“, fordert er.

Was aber, wenn ein Heim nicht mehr betrieben werden kann aufgrund eines akuten Mangels an geimpftem Personal? Hoffmann sieht in diesem Fall schwarz. „In unserer Region dürfte es, bis auf Einzelfälle so gut wie keine Möglichkeiten geben, dass andere Heime zusätzliche Bewohner aufnehmen.“