Hat Udo Schulz mit einem riesengroßen Holzkreuz eine Corona-Demonstration zum privaten Wohnhaus von Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) in Laiz geführt? Diese Frage sollte am Dienstag vor dem Amtsgericht Sigmaringen im Mittelpunkt stehen – eigentlich.

Stattdessen stand am zweiten Prozesstag ein Zeuge aus der Nähe von Stockach die meiste Zeit im Mittelpunkt. Der 52-Jährige hatte zahlreiche Corona-“Spaziergänge“ in Sigmaringen und Stockach organisiert und nachweislich versucht, zumindest eine weitere in Laiz beim Landratsamt Sigmaringen anzumelden, zog aber dann wegen der drohenden Auflage einer Maskenpflicht zurück. Zwei politisch brisante Demos zum Haus des Ministerpräsidenten fanden dennoch statt.

Udo Schulz steht am 13. Februar vor einer Polizeisperre in Laiz mit seinem Holzkreuz.
Udo Schulz steht am 13. Februar vor einer Polizeisperre in Laiz mit seinem Holzkreuz. | Bild: Telegram

Richterin Kristina Selig hatte per sitzungspolizeilicher Verfügung angeordnet, dass Zeugen und Besucher persönliche Gegenstände, darunter Smartphones und Taschen, abgeben müssen, bevor sie den Gerichtssaal betreten dürfen. Doch der Mann weigerte sich, sich von den zahlreich anwesenden Justiz- und Polizeibeamten durchsuchen zu lassen. Laut Augenzeugen soll er gesagt haben: „Mein Handy und mein Autoschlüssel bleiben im Hosensack.“

Drohungen und Beleidigungen

Daraufhin kam es laut Christoph Freudenreich, Direktor des Sigmaringer Amtsgerichts, zu einer „Rangelei“. Mehrere Justizbeamte sollen den Mann laut Augenzeugen in eine Ecke gedrückt und nach draußen auf die Straße befördert haben. Die Polizei nennt es später „Durchsetzung des Hausrechts“.

Udo Schulz (recht im Bild) mit seinem Anwalt Tomislav Duzel aus Konstanz, aufgenommen am ersten Prozesstag.
Udo Schulz (recht im Bild) mit seinem Anwalt Tomislav Duzel aus Konstanz, aufgenommen am ersten Prozesstag. | Bild: Hanser, Oliver

Dabei soll der als Zeuge geladene Mann den Beamten auch gedroht und sie beleidigt haben. Ein Sprecher des zuständigen Polizeipräsidiums Ravensburg bestätigt dem SÜDKURIER später auf Anfrage, dass eine Strafanzeige gegen den 52-Jährigen wegen Bedrohung und Beleidigung an die Staatsanwaltschaft Hechingen übermittelt wird.

Polizei kontrolliert Smartphone

Gleich acht Beamte und allen voran Richterin Selig versuchten, den Mann zur Vernunft zu bringen. Sie boten ihm an, dass er sein Smartphone zurückbekommt, nachdem er sich durchsuchen hat lassen – wiesen ihn aber darauf hin, dass es im Gerichtssaal verboten ist zu filmen. Nach der Verhandlung kontrollierte die Polizei, ob der Mann Filmaufnahmen angefertigt hatte und hätte andernfalls wohl sein Handy beschlagnahmt.

Laut Gerichtsdirektor Freudenreich hat sich der Zeuge am Ende doch durchsuchen lassen. „Der Vorfall führte zu einer Verzögerung, aber der Prozesstermin konnte durchgeführt werden. Verletzt wurde niemand“, sagte Freudenreich dem SÜDKURIER.

Zeuge provoziert Richterin

Doch auch die Vernehmung des Corona-Organisators vor Gericht ging alles andere als reibungslos über die Bühne. Gleich zu Beginn, als Richterin Selig ihn darauf hinwies, dass ihm bei einer wahrheitswidrigen Aussage im Zeugenstand eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr drohe, machte sich der polizeibekannte Mann darüber lustig.

Eindrücke vom Prozess gegen Udo Schulz am Amtsgericht Sigmaringen
Eindrücke vom Prozess gegen Udo Schulz am Amtsgericht Sigmaringen | Bild: Hanser, Oliver

Später stellte er wegen der verhängten 30.000-Euro-Geldstrafe gegen seinen Bekannten, den Angeklagten Udo Schulz, die Kompetenz der Vorsitzenden Richterin in Abrede und fragte sie, wo sie denn Jura studiert habe. Diese ließ sich jedoch nicht provozieren. Der 52-Jährige gab dann aber doch preis, was er sich von der versuchten Anmeldung der Laizer Corona-Demo beim Landratsamt Sigmaringen erhofft hatte: „Es bringt ja nichts, wenn wir am Bodensee laufen, da sieht uns Kretschmann ja nicht.“

Kripobeamtin über Telegram

Dann wurden mehrere Videos gezeigt, die ein weiterer Zeuge bereits am ersten Prozesstag dem Gericht übergeben hatte, dabei aber das Abspielen technisch nicht klappte. Auf den Videos zu sehen ist der sogenannte Corona-“Spaziergang“ an Kretschmanns Privathaus vorbei und Udo Schulz, wie er ein riesengroßes Holzkreuz über der Schulter trägt.

Udo Schulz vor seinem Haus in Bingen.
Udo Schulz vor seinem Haus in Bingen. | Bild: Hanser, Oliver

Als dritte Zeugin sagte eine Kriminalbeamtin aus, dass es zwischen dem Angeklagten und weiteren Versammlungsteilnehmern keinen Nachrichtenaustausch über die einschlägige Plattform Telegram gegeben hat. Auch Schulz hatte zuvor stets beteuert, Telegram gar nicht genutzt zu haben.

Strafverteidiger Tomislav Duzel aus Konstanz
Strafverteidiger Tomislav Duzel aus Konstanz | Bild: Hanser, Oliver

„Aus meiner Sicht belastet meinen Mandanten nichts“, sagte der Konstanzer Verteidiger Tomislav Duzel. Er erwartet am nächsten Verhandlungstag Ende Mai einen Freispruch für Udo Schulz und kündigt erneut an, andernfalls in Berufung gehen zu wollen.