Manchmal fühlt sich Wolfgang Läuger (63) wie ein Gärtner. Dann streut er mit seinen Initiativen Samen. Er lädt ein zum Mitmachen für eine Demokratie, die unabhängig ist von Parteien und Lobbyisten, und für eine Wirtschaft, in der es mehr um mehr Empathie geht. Die größte Hürde: Die Haltung der Menschen. Sie vermuten nicht, dass dies heute schon möglich ist.

Läuger war Tonmeister. Er sagt, er habe das große Glück, nicht mehr für seinen Verdienst arbeiten zu müssen. Die freie Zeit nutzt er, um ehrenamtlich zu arbeiten. Sein Motto nach Erich Kästner: „Es gibt nicht Gutes, außer man tut es.“ Genau das macht er. Er trommelt in der Konstanzer Initiative Bürger:innenkonzil für ein Modell, das bisher einmalig ist in Deutschland.

Es basiert auf der Annahme, dass viele Menschen den Eindruck haben, die Politik entscheide über ihre Köpfe hinweg. Im Konstanzer Modell haben sie die Möglichkeit, mitzureden. „Bürger sind sehr gut imstande, etwas zu sagen, wenn man sie nur fragt“, sagt Läuger.

Es mischen keine Parteien mit

800 Unterschriften sind notwendig, dann können Konstanzer einen Bürgerrat anstoßen. In diesem sollen möglichst alle Bevölkerungsschichten vertreten sein, also Arbeiter ebenso wie Studierte. Deshalb werden nach einem statistischen Verfahren Bürger zufällig ausgelost.

Menschen, die sich nicht kennen, bearbeiten in der Regel einen Tag lang ein kontroverses Thema und machen dann der Politik Vorschläge. Für die Koordination sorgt ein Profi-Moderator.

Zufällig ausgewählte Bürger sollen es also besser machen als die gewählten Vertreter des Volkes? Ja, sagt Wolfgang Läuger, weil keine Parteien und Lobbyisten mitmischen. Er räumt ein: Auch in einem Bürgerrat könnten Extrempositionen aufeinander prallen.

Die Vernunft behält die Oberhand

Doch nach seiner Erfahrung behält die Vernunft Oberhand. „Menschen, die am Bürgerrat teilgenommen haben, sind begeistert. Es bildet sich Gemeinschaft.“

Eine große Gemeinschaft, das ist auch die Solidarische Landwirtschaft (Solawi) in Konstanz. Läuger sitzt im Vorstand. In dieser Solawi spiegelt sich wieder, was ihn bewegt: Die Wirtschaft müsse den Menschen dienen und nicht umgekehrt.

Gegenmodell zur industriellen Landwirtschaft

Die Solawi ist das Gegenmodell zur industriellen Landwirtschaft. Diese baut auf großen Flächen wenige Kulturen an. Gemüse wird entsorgt, weil es nicht den Normen von Supermärkten entspricht, also Karotten etwa zu groß oder zu klein gewachsen sind. Der Landwirt ist unter Druck. Bei der Solawi gibt es das nicht.

Da haben der Landwirt und die Gemeinschaft der Gemüsebezieher eine enge Verbindung. Beide sind verantwortlich dafür, dass es ökologisches Gemüse aus der Region gibt. Die Gemüsebezieher und nicht der Landwirt tragen das Risiko eines Ernteausfalls. Landwirt und Erntehelfer werden fair bezahlt.

Die Gemeinschaft bringt die Summe für den Anbau durch Monatsbeiträge auf. Aber anders als gewohnt, zahlt nicht jeder den selben Preis. Wichtig ist nur, dass die Gesamtsumme steht. Das heißt: Diejenigen, die es sich leisten können, zahlen mehr, als diejenigen, die wenig Geld haben.

Mehr als 50 Kulturen auf kleinen Flächen

Der Landwirt der Konstanzer Gemeinschaft, Josef Müller von der Insel Reichenau, baut mehr als 50 Kulturen auf kleinen Flächen an. Er erntet alles, egal wie groß oder klein. Die Bezieher können auf seinen Feldern helfen, sehen und verstehen wie der Landwirt arbeitet.

Das alles ist schon möglich. Wolfgang Läuger sagt: „Viele glauben, dass nur knallharter Wirtschaftsegoismus funktioniert. Ich versuche, zu beweisen, dass das nicht stimmt.“