Sicherheitsbehörden gingen lange davon aus, dass die Reichsbürger-Szene wenig organisiert sei. Gut eine Woche nach den groß angelegten Razzien in Deutschland - auch in der Region – zeigt sich allerdings ein anderes Bild, ein sehr durchdachtes.
Reichsbürger-Netz hat bereits Uniformen entworfen
Axel Müller ist Bundestagsabgeordneter aus Weingarten im Kreis Ravensburg. Außerdem ist er Mitglied des Rechtsausschusses, der sich jüngst mit den Durchsuchungen befasst hat. Die Putschpläne mögen lächerlich wirken, sagt der CDU-Politiker. Doch die Gruppe hatte Zugang zu Waffen – und bereits Uniformen entworfen.
Was Reichsbürger angeht, hat sich Axel Müller in seiner Laufbahn als Richter am Amtsgericht in Tettnang und am Landgericht in Ravensburg immer wieder mit Anhängern auseinandersetzen müssen.
Dort leugneten sie die Zuständigkeit des Gerichts, sprachen von der „Deutschland GmbH“, erzählt er. „Dieses Rundwegleugnen, die Verfahrensregeln nicht einzuhalten – das ist bezeichnend für sie.“

Insgesamt aber handle es sich – das betrifft Deutschland wie Südbaden – um eine inhomogene Szene. Sie könne keinem politischen Lager zugerechnet werden, sagt Axel Müller. „Die Szene ist ein Sammelbecken unterschiedlichster Richtungen.“
Unter dem gemeinsamen Dach sammelten sich allgemeine Staatsleugner, aber auch Rechtsradikale, Antisemiten oder Querdenker. Sie eine die Ablehnung des Rechtsstates und der Bundesrepublik, aber aus unterschiedlichen Gründen und Motiven. Was auffällt: „Es ist eine Personengruppe, die teilweise persönlich und wirtschaftlich gescheitert ist.“
Südbaden nicht Mittelpunkt der Ermittlungen
Indes zeichnen sich die Konturen des Plans für einen Staatsstreich immer deutlicher ab. Wie die Bundesanwaltschaft Karlsruhe bestätigt, ist Südbaden und der Bodenseekreis nicht Mittelpunkt aktueller Ermittlungen.
Hier hätten lediglich Durchsuchungen stattgefunden, bei einer verdächtigen und einer unverdächtigen Person, Festnahmen habe es keine gegeben. Details nennt die Bundesanwaltschaft nicht, verweist stattdessen auf laufende Ermittlungen. Schon in der Vergangenheit gab es in der Region aber immer wieder Reichsbürger-Vorfälle.
Auch wenn sich die Untersuchungen nur eingeschränkt mit der Szene am Bodensee beschäftigen, sei sie nicht zu unterschätzen, bekräftigt Axel Müller. „In der Gruppe bildet sich eine neue Qualität heraus, eine immer stärkere Vernetzung.“ Der Rechtsstaat wird damit nicht mehr individuell abgelehnt.
Stattdessen bündeln Reichsbürger ihre Kräfte, um die Bundesrepublik mit Gewalt zu Fall zu bringen. Das habe einen anderen Charakter als nur einen Strafzettel nicht anzuerkennen und dann 20 Seiten Fax in die Behörde zu schicken. „Sie haben sich zusammengeschlossen und den Umsturz bis ins Detail organisiert.“
Mehr als 280 Heimatschutztruppen geplant
Verhindert hat das die Bundesanwaltschaft vergangene Woche durch eine Aktion, die über die deutschen Grenzen hinausreichte. 25 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer aus der Reichsbürger-Szene wurden festgenommen, Häuser von 52 Beschuldigten durchsucht. Dabei wurden mehr als 90 Waffen sichergestellt, Jagdgewehre, Pistolen, Armbrüste, Messer.
Reichsbürgerbewegung
Den Plänen nach sollten mehr als 280 Heimatschutzgruppen, paramilitärische Einheiten, bewaffnet werden. Die Bundesanwaltschaft wirft den Verdächtigen die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor.
„Wir wissen, dass es sogenannte Todeslisten gibt, Leute, die nach dem Staatsstreich exekutiert werden sollten.“ Dass diejenigen, die dem Kreis angehören wollten, eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben mussten.
Es gebe Hinweise, sagt Axel Müller, dass sogar Kasernen ausspioniert wurden. Selbst Uniformen seien bereits entworfen worden. „Darüber kann man schmunzeln“, meint der CDU-Politiker. Und dennoch: „Man sieht deutlich, wie durchorganisiert dieses Netz war. Das darf man nicht unterschätzen.“