Nach dem Zugunglück am Sonntagabend bei Zell im Landkreis Biberach dauert die Bergung der Wrackteile länger als zunächst gedacht. Ein Hangrutsch hatte einen aus Sigmaringen kommenden Regionalexpress der DB Regio entgleisen lassen. Drei Menschen starben, 36 wurden verletzt, darunter zwei Kinder. Auch die Zahl der Zug-Insassen wurde nach unten korrigiert. Demnach befanden sich laut Polizei nur 50 Personen im Zug; ursprünglich wurden doppelt so viele vermutet. Eine Gedenkfeier für die drei Toten soll am Freitag stattfinden.

Bilder werfen Fragen auf

Unterdessen werfen zwei Bilder, die kurz vor dem Unglück aufgenommen worden sind, neue Fragen auf. Denn sie legen Probleme mit den Abflüssen entlang der Bahnstrecke nahe.

Ein Bild zeigt genau jenen Schacht, an dem am Montagmorgen Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bahnchef Richard Lutz und Verkehrsminister Patrick Schnieder ihren Blick richten: Es ist der Gully am Hang oberhalb des Bereichs, wo sich die Erdmassen lösten.

Askin Bingöl, Polizeivizepräsident Präsidium Ulm, Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU), Bahnchef Richard Lutz und ...
Askin Bingöl, Polizeivizepräsident Präsidium Ulm, Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU), Bahnchef Richard Lutz und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sehen sich den Abwasserschacht an, der zuvor übergelaufen ist. | Bild: Bernd Weißbrod

Das Bild des dpa-Fotografen vom Sonntag zeigt: Das Wasser sprudelte vor dem Unglück nur so hinaus. Offenbar konnten die Regenmassen hier nicht abfließen.

Schmutz- und Regenwasser quillt nach einem Unwetter in Riedlingen-Zell aus dem Schacht.
Schmutz- und Regenwasser quillt nach einem Unwetter in Riedlingen-Zell aus dem Schacht. | Bild: Thomas Warnack

Das zweite Bild ist noch aufschlussreicher. Derselbe Fotograf hatte es knapp eine Stunde vor dem Unglück geschossen. Es zeigt einen Feuerwehreinsatz an einem Bahnübergang im nahe gelegenen Zwiefaltendorf. Zwischen dem Aufnahmeort und der Unglücksstelle liegen nur knapp zwei Kilometer. Züge Richtung Ulm passieren die Stelle, nachdem sie Zell passiert haben.

Feuerwehr bestätigt Einsatz an Bahnübergang

Die Riedlinger Feuerwehr bestätigt gegenüber dem SÜDKURIER, dass es am Sonntag an der Straße L271 bereits zu einem Einsatz gekommen war. Auch hier sei ein Ablaufschacht verstopft gewesen, weil Kieselsteine eingedrungen waren.

Die Gleise selbst standen nicht unter Wasser, als die Feuerwehrler um 17.13 Uhr anrückten. Das Wasser habe sich in einer Senke vor den Gleisen gesammelt. Klar ist aber auch: Knapp 57 Minuten später wird zwei Kilometer entfernt ein Zug entgleisen.

Bahn äußert sich nicht

Lagen also Warnmeldungen über mögliche Streckengefahren auf dem Abschnitt zwischen Riedlingen und Zwiefalten vor? War der Lokführer darüber informiert worden oder nicht? Dazu äußert sich die Deutsche Bahn nicht. Eine Sprecherin teilt auf Anfrage lediglich mit, dass die Behörden derzeit ermitteln. Die Bahn unterstütze diese „vollumfänglich“, wolle sich zu weiteren Details aber nicht äußern. Nach Recherchen des SÜDKURIER werden die Betriebszentralen der DB aber üblicherweise bei Unwetterereignissen informiert.

Mit einem Kran wird an der Unfallstelle, an der ein Regionalzug entgleist ist, ein Waggon angehoben. Ein Regionalexpress war am ...
Mit einem Kran wird an der Unfallstelle, an der ein Regionalzug entgleist ist, ein Waggon angehoben. Ein Regionalexpress war am Sonntagabend entgleist. | Bild: Jason Tschepljakow

„Eine lückenlose Rund-um-die-Uhr-Überwachung des gesamten Schienennetzes von über 33.000 Kilometer ist in der Praxis jedoch nicht möglich“, erklärte ein Sprecher. Die DB arbeite mit dem Deutschen Wetterdienst zusammen und nutze zusätzlich Prognosedaten eines privaten Dienstleisters.

Bei der Überwachung des Netzes setze man zudem auf Technik: Seit 2020 würden auf vielen Strecken große Menge an Daten mithilfe von Sensoren live erfasst. So würden unter anderem die Temperatur an Schienen oder in Stellwerken gemessen oder die verschiedenen Bauteile von Brücken, Bahnübergängen oder Erdkörpern überwacht. Auch Satellitendaten und Streckenvideos würden ausgewertet.

Tausende Kilometer Strecke gefährdet

Laut dem Geowissenschaftler Michael Krautblatter von der TU München liegt die Strecke des Unglücks im Bereich geologisch instabiler Schichten, insbesondere alter Gletscherablagerungen auf sogenannter „oberer Süßwassermolasse“. Diese könne bei Starkregen instabil werden. „Diese Ereignisse treten plötzlich an Stellen auf, wo es bisher wenig Probleme gab – und sie werden auch viel größer und heftiger“, sagte er dem WDR.

Trotzdem sei es im Einzelfall schwierig zu sagen, wo Erdrutsche genau auftreten werden. „Man muss sich vorstellen, dass hunderte von Kilometer Bahnlinie in Deutschland durch rutschanfällige Gebiete führen – wahrscheinlich sogar wenige tausend.“

Blick auf die Unfallstelle eines Zugunglücks, bei dem ein Regionalzug entgleist ist (Luftaufnahme mit einer Drohne).
Blick auf die Unfallstelle eines Zugunglücks, bei dem ein Regionalzug entgleist ist (Luftaufnahme mit einer Drohne). | Bild: Jason Tschepljakow

Bergung dauert an

Die Deutsche Bahn erklärte am Dienstag, dass sich die Bergung aufgrund des schwer zugänglichen Geländes äußerst schwierig gestalte. Ursprünglich war geplant gewesen, die Arbeiten bis Dienstagvormittag abzuschließen. Am Mittag teilte der Konzern jedoch mit, bislang sei ein Waggon geborgen worden, die Bergung von zwei weiteren laufe derzeit.

Es müsse ein spezielles Bergungskonzept entwickelt werden, da der Schienenkran derzeit noch keinen Zugang habe. Wann die gesamten Arbeiten abgeschlossen sein werden, sei weiterhin unklar.