Zwei ohrenbetäubende Explosionen mitten auf dem Bodensee. Ein bewaffneter Mann soll Passagiere des Ausflugsschiffs „München“ bedrohen und zwei Bomben gezündet haben. „Wie erreichen die Einsatzkräfte jetzt so schnell wie möglich das Schiff?“, fasst Jens Czechtizky vom Polizeipräsidium Einsatz das dreitägige Trainingsszenario am Wasser zusammen, welches bis Mittwoch wohl für viel Aufsehen in und um Überlingen sorgte.

Kurz nach den beiden Explosionen dröhnen die Rotoren eines Polizeihubschraubers mit Mitgliedern des Spezialeinsatzkommandos (SEK) bei Kaiserwetter über dem eiskalten Wasser vor Überlingen. Auch acht Polizeiboote, darunter Schnellboote der Wasserschutzpolizei mit hochgerüsteten Elitepolizisten an Bord, knattern über den See und verfolgen das immer noch mit Vollkraft fahrende Passagierschiff. Bald haben sie es eingeholt.

Der Hubschrauber im Anflug auf die „München“.
Der Hubschrauber im Anflug auf die „München“. | Bild: Oliver Hanser

Elitepolizisten kommen aus der Luft

Zuerst erreichen die SEK-Mitglieder im Hubschrauber ihr Ziel. In Sekundenschnelle gleitet ein Elitepolizist nach dem anderen über ein Seil an Bord des im Szenario bedrohten Schiffes. Wenig später folgen die Kollegen auf den Schnellbooten.

Sie durchkämmen das eigens gecharterte und aus Sicherheitsgründen leere Passagierschiff, wie sie es tausendfach geprobt haben, und sollen dabei Unschuldige schützen und den oder die Täter neutralisieren – soweit das Szenario. „Was da so locker aussieht, ist ständiges Training. Im Ernstfall müssen wir vorbereitet sein. Es greift ein Rädchen ins andere, die Ruhe und das präzise Vorgehen beim Abgleiten vom Hubschrauber und dem Übersteigen auf das Boot“, schildert Czechtizky.

Jens Czechtizky, Sprecher des Polizeipräsidiums Einsatz
Jens Czechtizky, Sprecher des Polizeipräsidiums Einsatz | Bild: Oliver Hanser

280 Männer und Frauen der Spezialeinsatzkommandos, der Wasserschutz- und Bereitschaftspolizei sowie der Hubschrauberstaffel proben im Verbund das Zusammenspiel aller Einsatzkräfte. Es ist die größte Übung zu Wasser, seit das Polizeipräsidium Einsatz im Jahr 2014 gegründet wurde. „Das kann man nicht jedes Jahr machen und das ist schon etwas Außergewöhnliches“, erklärt der Sprecher.

So läuft die Großübung der Polizei für ein Terror-Szenario auf dem Bodensee Video: Oliver Hanser / Lukas Ondreka

Geiselnahme, Terroranschlag, Amoklauf

Möglichst viele Elitepolizisten aus ganz Baden-Württemberg haben das dreitägige Training mehrmals durchlaufen, damit sie im Ernstfall genau wissen, was zu tun ist. „Die Herausforderung ist die, dass das Training keine alltägliche Gefahrenlage darstellt. Zum Glück ist es noch nicht sehr oft vorgekommen, aber die Wahrscheinlichkeit besteht trotzdem, dass es zu einer Geiselnahme oder einem terroristischen Anschlag auf einem Schiff kommen könnte. Dann müssen die Kräfte des Spezialeinsatzkommandos so rasch wie möglich vor Ort gebracht werden“, sagt Czechtizky.

Elitepolizisten stürmen das Schiff von einem Schnellboot aus.
Elitepolizisten stürmen das Schiff von einem Schnellboot aus. | Bild: Oliver Hanser

Weitere denkbare Gefahrenlagen an Bord eines Schiffes auf dem Bodensee, Rhein oder Neckar, welche ein solch konzertiertes Manöver erfordern würden, wären ein Amoklauf, eine Entführung oder eine bewaffnete Auseinandersetzung. Der Trainingszeitpunkt November ist bewusst gewählt. „Im Sommer wäre der Bodensee voll, deshalb haben wir diese Jahreszeit ausgesucht“, so der Polizist.

Der Aufwand ist jedenfalls enorm: Neben den Einsatzbooten und dem bedrohten Passagierschiff „München“ hat das Polizeipräsidium Einsatz auch das Ausflugsschiff „Überlingen“ angemietet, das nebenher mitfährt, um das Szenario so realistisch wie möglich wirken zu lassen.

„Absolute Profis“

Die Presse, darunter der SÜDKURIER, hat vom brandneuen Boot der Freiwilligen Feuerwehr Überlingen das Spektakel beobachtet. Auf dem Passagierschiff „Großherzog Ludwig“ fanden sich hochrangige Polizeikräfte aus den angrenzenden Präsidien in Konstanz und Ravensburg ein sowie auch Polizeikollegen aus den Bodensee-Anrainerstaaten Schweiz und Österreich.

Auch ein Polizeihubschrauber war am Trainingsszenario beteiligt.
Auch ein Polizeihubschrauber war am Trainingsszenario beteiligt. | Bild: Oliver Hanser

„Auch für mich persönlich war die Übung wirklich spektakulär. Es macht mich stolz, die Kollegen vertreten zu dürfen. Sie sind absolute Profis, die nicht nur bei solchen Einsatzlagen, sondern im täglichen Dienst Menschenleben retten“, sagt Jens Czechtizky vom Polizeipräsidium Einsatz.