Zwei ohrenbetäubende Explosionen mitten auf dem Bodensee. Ein bewaffneter Mann soll Passagiere des Ausflugsschiffs „München“ bedrohen und zwei Bomben gezündet haben. „Wie erreichen die Einsatzkräfte jetzt so schnell wie möglich das Schiff?“, fasst Jens Czechtizky vom Polizeipräsidium Einsatz das dreitägige Trainingsszenario am Wasser zusammen, welches bis Mittwoch wohl für viel Aufsehen in und um Überlingen sorgte.
Kurz nach den beiden Explosionen dröhnen die Rotoren eines Polizeihubschraubers mit Mitgliedern des Spezialeinsatzkommandos (SEK) bei Kaiserwetter über dem eiskalten Wasser vor Überlingen. Auch acht Polizeiboote, darunter Schnellboote der Wasserschutzpolizei mit hochgerüsteten Elitepolizisten an Bord, knattern über den See und verfolgen das immer noch mit Vollkraft fahrende Passagierschiff. Bald haben sie es eingeholt.
Elitepolizisten kommen aus der Luft
Zuerst erreichen die SEK-Mitglieder im Hubschrauber ihr Ziel. In Sekundenschnelle gleitet ein Elitepolizist nach dem anderen über ein Seil an Bord des im Szenario bedrohten Schiffes. Wenig später folgen die Kollegen auf den Schnellbooten.
Sie durchkämmen das eigens gecharterte und aus Sicherheitsgründen leere Passagierschiff, wie sie es tausendfach geprobt haben, und sollen dabei Unschuldige schützen und den oder die Täter neutralisieren – soweit das Szenario. „Was da so locker aussieht, ist ständiges Training. Im Ernstfall müssen wir vorbereitet sein. Es greift ein Rädchen ins andere, die Ruhe und das präzise Vorgehen beim Abgleiten vom Hubschrauber und dem Übersteigen auf das Boot“, schildert Czechtizky.
280 Männer und Frauen der Spezialeinsatzkommandos, der Wasserschutz- und Bereitschaftspolizei sowie der Hubschrauberstaffel proben im Verbund das Zusammenspiel aller Einsatzkräfte. Es ist die größte Übung zu Wasser, seit das Polizeipräsidium Einsatz im Jahr 2014 gegründet wurde. „Das kann man nicht jedes Jahr machen und das ist schon etwas Außergewöhnliches“, erklärt der Sprecher.
Geiselnahme, Terroranschlag, Amoklauf
Möglichst viele Elitepolizisten aus ganz Baden-Württemberg haben das dreitägige Training mehrmals durchlaufen, damit sie im Ernstfall genau wissen, was zu tun ist. „Die Herausforderung ist die, dass das Training keine alltägliche Gefahrenlage darstellt. Zum Glück ist es noch nicht sehr oft vorgekommen, aber die Wahrscheinlichkeit besteht trotzdem, dass es zu einer Geiselnahme oder einem terroristischen Anschlag auf einem Schiff kommen könnte. Dann müssen die Kräfte des Spezialeinsatzkommandos so rasch wie möglich vor Ort gebracht werden“, sagt Czechtizky.
Weitere denkbare Gefahrenlagen an Bord eines Schiffes auf dem Bodensee, Rhein oder Neckar, welche ein solch konzertiertes Manöver erfordern würden, wären ein Amoklauf, eine Entführung oder eine bewaffnete Auseinandersetzung. Der Trainingszeitpunkt November ist bewusst gewählt. „Im Sommer wäre der Bodensee voll, deshalb haben wir diese Jahreszeit ausgesucht“, so der Polizist.
Der Aufwand ist jedenfalls enorm: Neben den Einsatzbooten und dem bedrohten Passagierschiff „München“ hat das Polizeipräsidium Einsatz auch das Ausflugsschiff „Überlingen“ angemietet, das nebenher mitfährt, um das Szenario so realistisch wie möglich wirken zu lassen.
„Absolute Profis“
Die Presse, darunter der SÜDKURIER, hat vom brandneuen Boot der Freiwilligen Feuerwehr Überlingen das Spektakel beobachtet. Auf dem Passagierschiff „Großherzog Ludwig“ fanden sich hochrangige Polizeikräfte aus den angrenzenden Präsidien in Konstanz und Ravensburg ein sowie auch Polizeikollegen aus den Bodensee-Anrainerstaaten Schweiz und Österreich.
„Auch für mich persönlich war die Übung wirklich spektakulär. Es macht mich stolz, die Kollegen vertreten zu dürfen. Sie sind absolute Profis, die nicht nur bei solchen Einsatzlagen, sondern im täglichen Dienst Menschenleben retten“, sagt Jens Czechtizky vom Polizeipräsidium Einsatz.