Rund fünf Monate sind es noch, dann schreibt Papageno-Chef Patrick Stier das nächste Kapitel seiner Karriere. Im Mai, so es denn mit der Sanierung des historischen Gebäudes klappt wie geplant, möchte der 35-Jährige einen weiteren großen Schritt als viel beachteter Chef de Cuisine tätigen: Im Wonnemonat eröffnet er das altehrwürdige Pinocchio mit der weit über die Region hinaus bekannten Adresse Untere Laube 47 neu – dann allerdings als Papageno. Mit dem Namen des Restaurants im Konstanzer Stadtteil Paradies also, dessen Chef er seit 2019 ist.

Schon damals, als er den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, nahm er den Namen aus der Altstadt direkt an die Grenze zur Schweiz mit, nachdem er das Papageno von Johan Kraxner übernommen hatte. 2010 heuerte er bei Kraxner an, heute kann er mit Fug und Recht behaupten: „Wir haben mit dem Haus etwas aufgebaut, was ich nicht aufgeben möchte.“
Patrick Stier machte aus dem Papageno ein „Juwel“
Der Guide Michelin erwähnt und empfiehlt das Papageno regelmäßig, die Genuss-Magazine Gusto oder Falstaff ebenfalls, die legendäre Confrérie de la Chaîne des Rôtisseurs, eine internationale gastronomische Gesellschaft mit Sitz in Paris, bezeichnete das Papageno als „Juwel“.

Und nun also der Umzug in das Haus, das zum Lebenswerk des Maurizio Canestrini und seiner Frau Sylvia wurde. Das Ehepaar hörte im vergangenen Jahr nach 37 Jahren auf. Sie machten das Pinocchio zu einer kulinarischen Institution. Zu einem Edel-Italiener der ersten Stunde nicht nur in Konstanz, sondern in der gesamten Region. Mit Gästen aus ganz Europa, ja der halben Welt. Jürgen Klinsmann, Oliver Bierhoff, Zucchero, Usain Bolt, Günter Grass, italienische Fußball-Nationalspieler. Wer am Bodensee war und was auf sich hielt, ging ins Pinocchio.
Das Pinocchio in Konstanz wird komplett renoviert – und dann zum Papageno
In Zukunft aber weht französischer statt italienischer Wind durch die historischen Gemäuer des unter Denkmal stehenden Gebäudes, das im Mittelalter Teil der Stadtmauer war. Patrick Stier ist ein Freund der Küche unseres westlichen Nachbarlandes. Geboren und aufgewachsen ist er auf der Ostalb in Ellwangen. Gelernt hat er in seiner Heimatstadt in der traditionellen Weinstube Kanne. „Das war optimal“, erzählt er dem SÜDKURIER bei einem Kaffee im Papageno. „Ich war in meiner Heimat, in einer gut-bürgerlich-schwäbischen Küche und ich konnte alle Basics als Koch lernen.“
Über Auslandsstationen im Ötztal und St. Moritz kam er 2009 schließlich nach Konstanz. Zunächst Hotel Halm, dann Papageno. Stück für Stück arbeitete er sich nach oben – ohne einen genauen Karriereplan zu verfolgen. „Auf dem Trichter Gourmet-Küche war ich lange nicht“, sagt er. „Ich habe ja auch nie in einem Sterne-Haus gearbeitet.“
Das Innenleben seines zukünftigen Restaurants wird derzeit komplett saniert und renoviert – soweit das in dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes möglich ist. „Wir verändern schon einiges, natürlich unter Berücksichtigung der Auflagen. Ich möchte, dass die Gäste das Gefühl haben, ins Papageno zu kommen und nicht ins Pinocchio.“

Der 35-Jährige gilt für viele Experten der Szene als der nächste Konstanzer Sterne-Koch. Koryphäen wie Bertold Siber, der in den 70er, 80er, 90er und zu Beginn des neuen Jahrtausends im Stephanskeller und später im Seehotel Siber Michelin-Sterne erkochte und bundesweit kulinarische Maßstäbe setzte, prognostizierte vor rund einem Jahr gegenüber dem SÜDKURIER: „Der Patrick wird größte Auszeichnungen erhalten. Da habe ich keinen Zweifel. Wahrscheinlich früher als wir alle denken. Er ist ein fantastischer Vertreter der französischen Küche und für sein Alter schon sehr, sehr weit.“
Auch Jochen Fecht, der sein Konstanzer Sterne-Restaurant San Martino vor einem Jahr schloss und seither als Berater unterwegs ist, ist davon überzeugt, „dass der Patrick es sehr weit schaffen kann. Aber ein Selbstläufer ist das nicht.“
Der nächste Sterne-Koch aus Konstanz? Patrick Stier verspürt da keinen Druck
Was denkt der so Gepriesene über diese Aussagen? „Das ehrt mich natürlich“, sagt er leicht verlegen. „Wenn zwei solche Spitzenköche so über mich reden, dann ist das sehr schön für mich. Aber ich stehe nicht jeden Morgen auf und möchte einen Stern erhalten. Das Wichtigste sind für mich zufriedene Gäste, die gerne wieder zurückkommen. Dafür arbeite ich.“
Druck verspüre er überhaupt nicht, „denn über jede Auszeichnung kommen für mich Gesundheit und Glücklichsein. Und ich möchte auch, dass meine Mitarbeiter glücklich und gesund sind.“ Einen solchen Zustand bezeichnet er gerne als Sahnehaube auf dem Kuchen, „eine Auszeichnung wäre dann die Kirsche auf der Sahnehaube. Aber ehrlich: Auch ohne die Kirsche schmeckt der Kuchen super.“ Bei diesem leckeren Vergleich muss auch er herzhaft lachen.
Sylvia und Maurizio Canestrini freuen sich, dass mit Patrick Stier ein Vertreter der Haute Cuisine als Nachfolger gefunden wurde. „Das erleichtert Maurizio das Ende des Pinocchio ungemein“, sagt Sylvia Canestrini. Ein neuer Pächter für das Haus, in dem jetzt noch das Papageno beheimatet ist, ist laut Patrick Stier noch nicht gefunden.