„Reif, sag‘ ich immer, ist der Apfel, wenn er vom Baum fällt.“ Warum dieser Leitsatz für das Leben und Schaffen von Günther Schäfer aus dem Radolfzeller Ortsteil Stahringen so wichtig ist? Der Unternehmer besitzt die Streuobstmosterei „Brisanti“ und ist damit – nicht nur am Bodensee – eine echte Rarität. Seine Produkte werden ausschließlich aus „baumreifem“ Obst hergestellt. Damit gemeint sind Äpfel und Birnen, die vollkommen ausgereift und frisch vom Baum gefallen sind.
Gibt man den Früchten die Zeit, habe das viele Vorteile, so Schäfer: Streuobstwiesen tragen zum einen als vielfältiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen zur Biodiversität bei. Zum anderen ist die Frucht geschmacksintensiver und zudem noch gesünder als gewöhnliches Tafelobst, denn sie hat mehr Vitamine und sogenannten Polyphenole. Das sind sekundäre Pflanzenstoffe, die Antioxidantien enthalten und entzündungshemmend wirken können.

Nach Nabu-Schätzungen existieren bundesweit rund 300.000 Hektar Streuobstbestände, davon über 95 Prozent Streuobstwiesen. In Europa liegen viele Bestände in Nordspanien, Frankreich, Luxemburg, der Schweiz, Österreich und eben Deutschland – zum Beispiel am Bodensee.
Warum Bio nicht immer gut sein muss
Und es gibt noch einen weiteren Vorteil, den so eine Streuobstwiese hat: „Wir verwenden für unsere Wiesen keinerlei Spritzmittel“, erklärt Günther Schäfer. Das sei nicht nur umweltschonender, sondern auch gesünder – und besser als Bio, wie er erklärt. „Nur weil irgendwo Bio draufsteht, heißt das nicht immer, dass dann alles perfekt ist“, erklärt Schäfer weiter und fügt hinzu: „Denn im Bio-Anbau dürfen zwar keine chemischen, dafür aber natürliche Pflanzenschutzmittel verwendet werden.“ Das sei nicht immer unbedenklich.
Auch der Bund für Umwelt und Natur kritisiert auf seiner Internetseite, dass das staatliche Biosiegel zwar vertrauenswürdig sei, aber nur Mindestanforderungen stelle. Andere Biosiegel seien strenger. Für Verbraucher sei daher nicht immer klar, was ein Siegel wirklich bedeutet. Zudem stünden die Kontrollbetriebe in finanzieller Abhängigkeit zu den Produzenten, die sie kontrollieren sollen – es bestehe also ein Interessenkonflikt. Weil viele Menschen das Siegel jedoch als Orientierung nutzen, ist das Obst der „Brisanti“-Mosterei dennoch biozertifiziert, so Schäfer.
Zur Herkunft seines Obsts berichtet Günther Schäfer: „Wir haben als Kelterei ungefähr tausend Bäume, die wir selbst bewirtschaften. Dazu kommen insgesamt 40 Vertragslieferanten, die hier verteilt sind in der Region und für uns anbauen und uns zu unseren Konditionen beliefern.“ Die Wiesen liegen unter anderem in Konstanz-Oberdorf, bei Überlingen, in Richtung Engen-Bittelbrunn, in Schlack am Randen, Stockach, Aach oder bei Pfullendorf.
Letztere zählt zu den am weitesten entfernten Wiesen. „30, 40 Kilometer – das ist unser maximaler Umkreis“, so Schäfer. Die Entfernung ist absichtlich gewählt, schließlich bekommen Limo und Co. nur bis dorthin das „Gutes vom See“-Siegel. Eine wichtige Auszeichnung für das Unternehmen, so Schäfer, der seine Limos und Cidres nicht nur direkt in Stahringen und per Versand verkauft, sondern auch an viele Händler, Cafés, Restaurants und Campingplätze in der Region.
Diese Getränke gehören zum Sortiment
Apropos Limo: Was zählt denn nun alles zum Sortiment von Brisanti? Limos, Säfte und Cidre – Günther Schäfer zählt auf: „Bei uns gibt es zwei verschiedene Fruchtlimos, beide auf Apfel-Birne-Basis. Eine rote mit Holundersaft und eine grüne mit Zitronenverbene-Tee.“ Die rote sei etwas süßer, die grüne Limo eher frisch. Bei beiden Sorten fällt jedoch auf: Klebrige Süße à la Cola und Co. sucht man hier vergebens. „Wir setzen auf Natürlichkeit“, stellt Schäfer fest.
Deswegen ist in den Limos auch kein Zucker zugesetzt, alle Süße kommt direkt aus der Frucht. In Zahlen heißt das: Die grüne Limo mit Zitronenverbene hat laut Schäfer einen Fruchtgehalt von 50 Prozent, die rote von 65 Prozent. In der roten Limo stecken 7,3 Gramm Zucker auf 100 Milliliter, in der grünen 7,8 Gramm pro 100 Milliliter. Zum Vergleich: Bei Cola sind es 10,6 Gramm pro 100 Milliliter.

„Hinzu kommen noch der klassische Cidre aus Apfel und Birne und einer aus Boskop-Saft, gepaart mit Holunderblütensirup.“ Letzterer sei der einzige mit zugesetztem Zucker, eben wegen des Sirups, und ein kluger Einfall seiner Frau gewesen. „Auf dem Abendmarkt in Radolfzell hatten wir oft unsere Mostbowle mit dabei“, erzählt Schäfer. „Als dann Corona kam, hatte sie die Idee, diese Bowle in Flaschen zu füllen und den Leuten das Leben wieder etwas zu versüßen“, fügt er hinzu. Also hätten sie das Rezept ein wenig verändert, die Bowle flaschentauglich gemacht und den Holunderblüten-Cidre kreiert, den es bis heute zu kaufen gibt.
Doch damit nicht genug: Auch verschiedene Säfte und Mostsorten gehören zu „Brisanti“, genauso wie der „Birnoh“ – ein Destillat aus Bodensee-Birnen – und der Streuobst-Verjus aus Apfelgrün, den man unter anderem für die Herstellung von Cocktails und in der Küche gebrauchen kann.
Preislich liegt eine Flasche der „Brisanti“-Limonade bei etwa 2 Euro bis 2,50 Euro, je nach Handel, und damit zum ersten Mal etwas über dem Mitbewerber „Seezüngle“, der ebenfalls Fruchtlimos vom Bodensee herstellt. Das kommt durch die Preiserhöhung von circa zehn Prozent, die am 1. Juli in der Streuobstmosterei in Kraft getreten ist, so Schäfer.
Darum setzt Schäfer auf dunkles Glas
Wer schon mal eines der Produkte erstanden hat, dem ist vielleicht das Glas der Flasche aufgefallen. Im Gegensatz zu vielen anderen Getränken kann man deren Farbe nämlich nur erahnen. Und das hat einen Grund. „Marketingtechnisch wurde mir schon oft ans Herz gelegt, Weißglas für meine Flaschen zu verwenden“, gibt Günther Schäfer zu, „aber UV-Licht schadet den guten Inhaltsstoffen unserer Limos. Und weil wir die nicht verlieren wollen, verzichten wir lieber auf schickeres Aussehen und verwenden Braunglas.“