Reisen bildet, sagt der Volksmund. Stichwort erweiterter Horizont. Herbert Brand, von allen nur „Brandy“ gerufen, kann das bestätigen. Seit der Mann, der 45 Jahre lang in der Schwedenschenke und im Kastaniengarten der Insel Mainau arbeitete, vor zwei Jahren in den Ruhestand ging, hat er seine Reiseaktivitäten intensiviert – wann immer es geht, zusammen mit seiner Ehefrau Ina.

Herbert Brand im Kreise von Red Ernst und dessen Familie.
Herbert Brand im Kreise von Red Ernst und dessen Familie. | Bild: Herbert Brand/Red Ernst

Nach Kambodscha im Januar und Februar ging er jedoch alleine. Denn dort verbrachte er seine Zeit in einer Art Dschungel – wilde Tiere inklusive.

Herbert „Brandy“ Brand besucht Kambodscha – und trifft seinen ehemaligen Azubi

Mit Einheimischen in einem kleinen Dorf, in das sich sonst nie Touristen verlaufen. Der Grund für diese außergewöhnliche Reise: „Brandy“ besuchte einen ehemaligen Auszubildenden, der unter seiner Regie auf der Mainau das Kochen erlernte und sogar den Meisterbrief ablegte.

Stolz zeigt Red Ernst seinen Meisterbrief, der ihn zum Küchenmeister auszeichnet.
Stolz zeigt Red Ernst seinen Meisterbrief, der ihn zum Küchenmeister auszeichnet. | Bild: Herbert Brand

„Ich war damals eher skeptisch“, blickt Brand zurück auf das Jahr 1989, als er Red Ernst auf der Blumeninsel anheuerte. Der heute 56-Jährige war eines von vielen in Deutschland adoptiertes Kriegskind, das vor den Gräueltaten der Roten Khmer unter Pol Pot in den Westen flüchtete. „Doch Red war fleißig und gewissenhaft. Er lernte sehr schnell. Große Klasse.“

Das Wiedersehen nach vielen Jahren: „Ich bin sehr stolz, meinem Lehrmeister mein alte und neue Heimat zeigen zu können. Ich hoffe, es ...
Das Wiedersehen nach vielen Jahren: „Ich bin sehr stolz, meinem Lehrmeister mein alte und neue Heimat zeigen zu können. Ich hoffe, es wird nicht das letzte Mal sein“, schrieb Red Ernst über den Besuch von Herbert Brand. Gemeinsam möchten sie Kindern helfen. | Bild: Herbert Brand

1999 verließ Red Ernst Deutschland, zog in die Schweiz, wo er arbeitete und eine Familie gründete. 2009 erfuhr er erstmals, dass seine leibliche Familie noch am Leben war, es kam zu ersten Kontakten – seither besuchte er sie jedes Jahr. Das Schweizer Fernsehen drehte eine Reportage über das erste Wiedersehen mit seinen Eltern.

Küche, Essplatz und Aufenthaltsraum in einem: Hier wohnt Red Ernst mit seiner Familie. Links seine Mutter, rechts seine Schwester sowie ...
Küche, Essplatz und Aufenthaltsraum in einem: Hier wohnt Red Ernst mit seiner Familie. Links seine Mutter, rechts seine Schwester sowie seine Tochter. | Bild: Herbert Brand

2019 ging er zurück in sein Heimatland Kambodscha und heuerte in der Gastronomie an. Im Heimatdorf von Red Ernst verbrachte nun auch „Brandy“ ein paar Wochen und tauchte ein ins Leben der Kambodschaner. „Einerseits war es sehr traurig und grausam, wenn man sieht, in welcher Armut viele Menschen dort leben“, erzählt er.

Red Ernst in seiner Kindheit. Die Roten Khmer entführten ihn und machten ihn zum Kindersoldat. Später gelang ihm wie vielen anderen ...
Red Ernst in seiner Kindheit. Die Roten Khmer entführten ihn und machten ihn zum Kindersoldat. Später gelang ihm wie vielen anderen Kambodschanern die Flucht nach Deutschland, wo er adoptiert wurde. | Bild: Red Ernst

„Andererseits sind sie Vorbilder für uns, denn sie lachen immer: Sie gehen abends lächelnd ins Bett und stehen morgens lächelnd auf.“

Red und seine jüngste Schwester Pou.
Red und seine jüngste Schwester Pou. | Bild: Herbert Brand
Kambodschaner, die auf dem Land leben, sind in der Regel komplette Selbstversorger.
Kambodschaner, die auf dem Land leben, sind in der Regel komplette Selbstversorger. | Bild: Herbert Brand

Bedrückend war für den 66-Jährigen auch der Besuch einer Gedenkstätte und eines Museums zur Erinnerung des Terrorregimes und des Genocides der Roten Khmer, dem geschätzt 1,7 Millionen Kambodschaner zum Opfer fielen.

„Brandy“ will nun helfen, einen Kindergarten in Kambodscha zu errichten

„Unfassbar, was dort passierte“, sagt Herbert Brand, der berührt ist vom Trip in das Land, das sich langsam von seiner schrecklichen Vergangenheit erholt.

Die Gedenkstätte zur Erinnerung des Terrorregimes und des Genocides der Roten Khmer.
Die Gedenkstätte zur Erinnerung des Terrorregimes und des Genocides der Roten Khmer. | Bild: Herbert Brand

Als er schließlich sah, mit welchen Mitteln die herzlichen Menschen versuchen, die Vergangenheit zu bewältigen und die Zukunft zu gestalten, wuchs in ihm das starke Bedürfnis, gemeinsam mit seinem ehemaligen Auszubildenden tatkräftig mitzuhelfen.

Kinder des Dorfes, aus dem Red Ernst stammt. Eine Schule existiert, ein Kindergarten noch nicht.
Kinder des Dorfes, aus dem Red Ernst stammt. Eine Schule existiert, ein Kindergarten noch nicht. | Bild: Herbert Brand

„Wir errichten einen Kindergarten, möchten Spielzeug kaufen und benötigen dafür Geld, sodass alles am richtigen Ort ankommt“, berichtet „Brandy“. „Bisher treffen sich die vielen Kinder des Dorfes auf einer Wiese und verbringen Zeit miteinander. Doch vor allem in der Regenzeit ist ein anständiges Dach über dem Kopf wichtig. Das wollen wir möglich machen.“

Auf der Freifläche im Vordergrund soll das Kindergarten-Gebäude entstehen.
Auf der Freifläche im Vordergrund soll das Kindergarten-Gebäude entstehen. | Bild: Herbert Brand

Die Begründung für sein Engagement drückt er so aus: „Wir möchten von unserem Wohlstand, in dem meine Familie und ich leben dürfen, etwas abgeben. Wir haben viel, andere sehr wenig.“ Der 66-Jährige schätzt, dass insgesamt 36.000 Euro benötigt werden.

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„Einige Konstanzer Unternehmen haben bereits gespendet“, kann er verkünden. „Wir freuen uns über jede Unterstützung.“ Im kommenden Jahr wird er voraussichtlich erneut nach Kambodscha reisen, vor Ort die Fortschritte begutachten und darüber berichten.

Im Mai jedoch bekommt er erst einmal Besuch: Red Ernst besucht mit seiner Familie den ehemaligen Lehrmeister und einstige Weggefährten in der Schweiz.