Leuchtend bunt sind die Schrotträder vor dem Parkhaus am See. Ein Passant bleibt auch prompt stehen und schaut sich das Ganze etwas genauer an. Der Vorderreifen eines gelben Rads ist verbogen, der Lenker hängt darüber. Auf einem Plakat, das an dem Rad befestigt ist, steht „Helm drauf“, auf weiteren Plakaten heißt es „Fahre nüchtern“ und „Vorbild sein“.

Die Räder wurden dort im Rahmen der Aktion „Crash-Bike“ vom Polizeipräsidium Ravensburg aufgestellt, sie sollen Menschen für die Gefahren des Radfahrens sensibilisieren. Gerade am Bodensee ist auf den Radwegen in den warmen Monaten einiges los, daher stehen die Räder hier an zentraler Stelle.

Ein „Crash Bike“ am Parkhaus am See: Die Schrotträder sollen auf die Gefahren beim Radfahren hinweisen.
Ein „Crash Bike“ am Parkhaus am See: Die Schrotträder sollen auf die Gefahren beim Radfahren hinweisen. | Bild: Simon Conrads

In Friedrichshafen scheinen diese Hinweise besonders angebracht – denn die Stadt hat laut des Polizeipräsidiums die „größte Unfallbelastung“ in dessen Gebiet, also neben dem Bodenseekreis auch den Landkreisen Sigmaringen und Ravensburg. Das erklärte Polizeipräsident Uwe Stürmer kürzlich im Häfler Finanz- und Verwaltungsausschuss. Über 20 Prozent der Fahrradunfälle im Präsidiumsbereich spielten sich 2024 laut Zahlen der Polizei in Friedrichshafen ab, mit 218 Unfällen in der Stadt nahm die Zahl dabei im Vergleich zum Vorjahr um 14,7 Prozent zu.

Viele Einheimische an Unfällen beteiligt

Allein mit der Vielzahl an Touristen lassen sich die Werte in Friedrichshafen nicht erklären. „Es sind viele Einheimische an den Unfällen beteiligt“, sagt etwa Holger Beutel, Leiter des Referats Prävention beim Polizeipräsidium Ravensburg dem SÜDKURIER. Touristen auf dem Bodensee-Radweg seien oft gut ausgerüstet, sagt Beutel. „In der Stadt ist das weniger der Fall.“

Holger Beutel, Leiter Referat Prävention beim Polizeipräsidium Ravensburg
Holger Beutel, Leiter Referat Prävention beim Polizeipräsidium Ravensburg | Bild: Polizeipräsidium Ravensburg

Unfallschwerpunkte lassen sich nach den Definitionen der Polizei allerdings nicht ausmachen, die Orte sind über das Stadtgebiet verteilt. Holger Beutel sieht in Friedrichshafen allerdings ein grundsätzliches Problem von Innenstädten gegeben: „Der Strauß an Verkehrsteilnehmern wächst immer weiter, aber die Fläche nicht.“ Fahrer von Autos, Lastwagen, Pedelecs, Lastenrädern, E-Rollern und Fußgänger teilen sich heutzutage also den begrenzten Platz auf und an den Straßen, da kommt es zwangsläufig häufiger zu brenzligen Situationen.

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Dazu kommt, dass das Handling von Pedelecs für manche Menschen eine Herausforderung ist – und sich natürlich nicht alle Verkehrsteilnehmer immer nur rücksichtsvoll verhalten. In Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung wird aber genau das gefordert. „Ich sage immer, wenn jeder das beachten würde, bräuchten wir keine anderen Verkehrsregeln“, sagt Beutel.

Dass auch manche Fahrradfahrer nicht rücksichtsvoll fahren, ist auch Bernhard Glatthaar bewusst. Der Kreisvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) sagt: „Als Radfahrer ärgere ich mich am allermeisten über falsch fahrende Radfahrer.“ Denn deren Vergehen würde auf das Image aller Radler negativ ausstrahlen. Dennoch seien Autofahrer die häufigsten Unfallverursacher.

Zahlen der Polizei stützen die Aussage: Bei 104 Unfällen in Friedrichshafen zwischen Radfahrern und Autofahrern lag die „Hauptunfallursache“ zu rund 65 Prozent bei den Autofahrern. Häufig handele es sich dann um Abbiege- und Vorfahrtsverstöße, heißt es vom Präsidium. An Kreuzungen, Einmündungen und Kreiseln spielen sich die Unfälle demnach vorwiegend ab.

Blick in den Unfallatlas

Bernhard Glatthaar empfiehlt Interessierten den Blick in den Unfallatlas. Dort ist zu sehen, dass die Unfallorte sich über das gesamte Stadtgebiet verteilen. Glatthaar sieht als ADFC-Vertreter einen grundsätzlichen Mangel an Infrastruktur für Radfahrer in Friedrichshafen. Da gebe es an vielen Stellen Verbesserungsbedarf.

Die digitale Anzeige in der Friedrichstraße zählt Radler.
Die digitale Anzeige in der Friedrichstraße zählt Radler. | Bild: Simon Conrads

Die Friedrichstraße als zentrale Achse in der Innenstadt nennt er als Beispiel für mangelnde Sicherheit. „Das ist überhaupt keine entspannte Situation“, sagt Glatthaar, daran habe die Einführung von Tempo 20 nichts geändert. Verhältnismäßig viele Unfälle gibt es dort trotzdem nicht. Glatthaar vermutet, dass das damit zusammenhängen könnte, dass einige Radfahrer die Friedrichstraße – und etwa auch die Charlottenstraße – meiden, da sie sich dort nicht sicher fühlen.

Tipps für sicheres Radeln

Um das eigene Sicherheitsgefühl auf dem Rad zu verbessern, hat Holger Beutel vom Polizeipräsidium noch einige Empfehlungen. Eine Helmpflicht gibt es zwar nicht, empfohlen wird das Tragen dennoch. Um für andere Verkehrsteilnehmer – gerade Auto- oder Lastwagenfahrer – besser sichtbar zu sein, sei es dienlich, nicht zu dunkle Kleidung zu tragen. Wer besonders auffallen will, kann sogar eine Warnweste anziehen.

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Eine große Rolle spiele immer wieder Alkohol. Zwar ist es erlaubt, mit bis zu 1,6 Promille noch aufs Rad zu steigen, Beutel rät aber davon ab. Schließlich nennt Beutel das Thema Aufmerksamkeit. Auch das Fahren mit Kopfhörern ist grundsätzlich erlaubt, man sollte aber darauf achten, nicht mit voller Aufmerksamkeit der Musik oder dem Podcast zu lauschen.