Rana Kerdieh wohnt in Meersburg, absolviert ihren Bundesfreiwilligendienst allerdings in Ravensburg. Da sie für die Fahrt täglich mehr als zwei Stunden benötigt, macht sie sich auf die Suche nach einer Mietwohnung vor Ort. Der Markt ist unverändert angespannt, auf einem bekannten Immobilienportal stößt sie aber auf ein Angebot, das zu passen scheint: 35 Quadratmeter soll die vollmöblierte Bleibe haben, Kaltmiete: etwas mehr als 400 Euro.

„Ich bin derzeit in Madrid – Spain“
Kerdieh nimmt sofort Kontakt auf. Die erste Antwort lässt auf sich warten, es folgt eine Entschuldigung. „Ich bin derzeit in Madrid – Spain“, heißt es in der E-Mail in einem kuriosen Mix aus Deutsch und Englisch. Die Mailadresse mit dem Namen der Vermieterin wirkt jedoch seriös, Kerdieh antwortet noch einmal.
Dann wird die junge Frau misstrauisch. „Die meisten Wohnungen in Ravensburg sind nur zwei, drei Tage online und dann vergeben“, schildert sie, „das Angebot dieser Frau war aber zwei Wochen online.“ Auch die Vorgehensweise – ein Kurier soll den Schlüssel übergeben – macht sie stutzig. Obendrein schickt ihr die vermeintliche Vermieterin das Foto eines Passes zu. „Ich finde komisch, dass sie das gemacht hat“, sagt Kerdieh.
Pass-Inhaberin hat bereits Anzeige erstattet
Tatsächlich stellt sich heraus, dass der Pass zwar echt ist, die Inhaberin allerdings nicht in Spanien weilt, sondern zum Zeitpunkt eines Gesprächs mit dem SÜDKURIER im Hinterzimmer ihrer eigenen Apotheke in der Nähe von Dortmund sitzt. Der Anruf überrasche sie nicht, an die 40 Personen hätten sich bereits bei ihr gemeldet, sie selbst den Identitätsdiebstahl längst angezeigt. Das Inserat zur angeblichen Wohnung in Ravensburg steht inzwischen nicht mehr online.
Was es mit Kerdieh macht, beinahe an Betrüger geraten zu sein? „So richtig kann ich das nicht beschreiben“, sagt sie, „aber klar ändert sich was: Ich weiß jetzt, dass ich vorsichtig sein muss, und schaue danach, ob bei den Angeboten eine Telefonnummer steht.“
Derartige Fälle werden immer wieder angezeigt
Wie oft solche und ähnliche Fälle im Bodenseekreis vorkommen, darüber kann Oliver Weißflog, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Ravensburg keine Auskunft geben. Die Fälle seien statistisch nicht gesondert erfasst: „Daher können wir Ihre erste Frage nicht quantitativ beantworten, wenngleich derartige Fallkonstellationen immer wieder bei der Polizei angezeigt werden.“ In den meisten Fällen bleibe es glücklicherweise beim Versuch, da die Mitteiler bei derartigen Inseraten Verdacht schöpften und nicht auf etwaige Forderungen nach finanziellen Vorleistungen eingingen.
Ob falsche Wohnungsinserate häufiger mit einem Identitätsklau verbunden werden? Die Masche sei durchaus bekannt, so Weißflog, allerdings komme sie nicht in jedem Fall vor. Oft würden Interessenten aufgrund der Angebote zunächst misstrauisch, da sie „zu gut sind, um wahr zu sein“. Um hier weiteres Vertrauen zu erschleichen und die Unsicherheiten auszuräumen, werden dann gegebenenfalls auch derartige Fake-Identitäten eingesetzt.
Sorgsamer Umgang mit Dokumenten wie dem Pass
Grundsätzlich gelte, mit persönlichen Identitätsdokumenten äußerst sorgsam umzugehen, um gar nicht erst die Möglichkeit zu schaffen, dass diese von Fremden missbraucht werden könnten. „Wir haben das bei den Impfausweisen auch gesehen“, nennt Weißflog ein aktuelles Beispiel. Derartige Dokumente gehörten nicht elektronisch weitergegeben oder veröffentlicht. „Auch nicht per Mail: Eine Mail ist wie eine Postkarte, sie kann theoretisch von jedermann gelesen werden, der technisch dazu in der Lage ist.“
Informationen zu Umgang mit sensiblen Daten sowie Empfehlungen für die Wohnungssuche im Netz finden sich auf der Seite der Polizeilichen Kriminalprävention.
Worauf Wohnungssuchende achten sollten
Wohnungssuchenden rät Weißflog, sich stets dessen bewusst zu sein, dass niemand etwas zu verschenken habe. Angebote, die zu gut seien, um wahr zu sein, sollten daher immer die Alarmglocken läuten lassen. Auch Angebote, bei denen der Vermieter vorgebe, nicht selbst zur Besichtigung vor Ort sein zu können und gegebenenfalls trotzdem vorab bereits eine Kaution oder sonstige Zahlung fordere, ohne je persönlich in Erscheinung getreten zu sein, müssten die Alarmglocken läuten lassen: „Grundsätzlich gilt: Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl – das trügt meist nicht!“