Dienstagmorgen, 9 Uhr. Der Nebel hängt über dem Wochenmarkt auf dem Charlottenhof. Von hier aus müsste sie eigentlich zu sehen sein: die erst kürzlich sanierte helle Drei-Zimmer-Wohnung, auf deren in Richtung Markthalle liegenden Balkon sich Morgen- und Abendsonne genießen lassen. So wurde die Mietwohnung zumindest vor wenigen Tagen noch in einer Anzeige auf dem Internetportal Immobilienscout24 beschrieben, dazu: ein Bild von einer Küchenzeile sowie ein Wohnungsgrundriss.

Dilara Zimmermann sucht bereits seit einer ganzen Weile nach einer neuen Wohnung für sich und ihre Familie. Das erfordert Geduld und Nerven. Mal sind Familien beziehungsweise Kinder unerwünscht, berichtet die 24-Jährige. Mal passen die tatsächliche und die in einer Anzeige angegebene Quadratmeteranzahl nicht zusammen. Mal klappt es einfach nicht. Auf das Angebot für die Wohnung in der Nordstadt aufmerksam geworden, startete die Häflerin einen weiteren Versuch. Was folgte, stellte bisherige unerfreuliche Erfahrungen während der Suche in den Schatten. Vor der Masche, die hinter dem Angebot gesteckt haben dürfte, will sie andere Wohnungssuchende warnen. „Der eine oder andere würde bestimmt zahlen“, ist Zimmermann überzeugt, nicht zuletzt aufgrund der angespannten Situation am Wohnungsmarkt. 

Balkon mit Blick auf die Markthalle? Eine jüngst über ein Immobilienportal angebotene Drei-Zimmer-Wohnung in der Katharinenstraße gibt ...
Balkon mit Blick auf die Markthalle? Eine jüngst über ein Immobilienportal angebotene Drei-Zimmer-Wohnung in der Katharinenstraße gibt es nicht. | Bild: Christina Bömelburg

Über ein Formular, automatisch gerichtet an eine Nicole Villwock, nahm Dilara Zimmermann Kontakt zum Anbieter auf. Im Inserat – ein Abbild des mittlerweile gelöschten Eintrages liegt dem SÜDKURIER vor – war eine „Wokvillimmob GmbH“ als Anbieter zu finden. Antwort erhielt die Häflerin von einem Tobias Kerkhoff. Per E-Mail stellte dieser sich als Besitzer der Wohnung vor und beschrieb in holprigen Sätzen, derzeit für acht Jahre in London zu arbeiten. Freunde in Deutschland, die eine Besichtigung der Wohnung ermöglichen könnten, habe er nicht. Sein Vorschlag: Er werde organisieren, dass sich ein "Airbnb-Agent" um eine Besichtigung und gegebenenfalls einen Mietvertrag und die Schlüsselübergabe kümmere. Vorab sei allerdings eine Zahlung von 1380 Euro, bestehend aus der ersten Monatsmiete und einer Kaution, zu leisten. Erforderlich seien zudem weitere Kontaktdaten sowie ein Foto des Reisepasses. Sollte der Vertrag nicht zustande kommen, werde die Zahlung vollständig zurückerstattet.

Dilara Zimmermann stimmte weder der Zahlungsweise zu, noch kopierte sie ein Ausweisdokument. Die Ausführungen des vermeintlichen Wohnungsbesitzers hatten sie längst misstrauisch gestimmt und an Betrugsfälle erinnert, wie es sie nach Auskunft von Jürgen Harder vom Referat Prävention des Polizeipräsidiums Konstanz in Abwandlungen schon seit Jahrzehnten gibt.

Der Kontakt brach ab. Der Kontakt mit wem aber? Die "Wokvillimmob GmbH" oder die dem Namen nach damit in Verbindung stehende Nicole Villwock scheint es genauso wenig zu geben, wie einen Tobias Kerkhoff, der gerade ein Projekt in Großbritannien bearbeitet und eine Wohnung in der Katharinenstraße besitzt.

Airbnb übernimmt weder Aufträge für die Verwaltung von Mietwohnungen, noch hat das Unternehmen "Agenten" im Einsatz, wie Sprecherin Isabelle Klot auf Anfrage dieser Zeitung bestätigt. Dass bekannte Firmennamen oder deren Seiten im Zusammenhang mit dubiosen Angeboten missbraucht werden, beschäftigt Airbnb allerdings genauso wie Immobilienscout24 – und weitere Plattformen. In einer Mitteilung des Immobilienportals heißt es auf Anfrage unter anderem: "Um unsere Nutzer zu schützen, haben wir verschiedene technische Filter und Abfragen installiert, mit denen wir neu eingestellte Objekte überprüfen." Verdächtige Objekte könnten in der Regel innerhalb kürzester Zeit identifiziert und zunächst deaktiviert werden. "Sollte sich der Verdachtsfall erhärten, löschen wir das Angebot und sperren das dazugehörige Anbieterkonto." Nach Betrugsobjekten und Sicherungsmaßnahmen gefragt, beschreibt das Unternehmen aber auch ein „Katz-und-Maus-Spiel“, da Betrüger ihre Strategie kontinuierlich anpassen würden.

Mancher hätte gezahlt. Neu ist die Masche nicht, sie findet sich aber immer wieder auch im Häfler Polizeibericht: 2014 etwa überwies ein Familienvater 1600 Euro ins Ausland. An der Adresse der vermeintlich gemieteten Wohnung in Wien, in die die Tochter des Häflers ziehen sollte, befindet sich eine Behörde. Ein Beispiel-Szenario, in dem sich die Geschichten beider Wohnungsanbieter wiedererkennen lassen, findet sich auf einem Informationsblatt zum Thema "Betrug mit Vorauszahlungen" der Polizei, Fazit: "Das Geld ist weg und auch die Wohnung existiert oft gar nicht oder gehört einem anderen ahnungslosen Eigentümer."

Möglich, dass die in der Nordstadt angebotene Wohnung nicht nur das Interesse von Dilara Zimmermann geweckt hat. Vielleicht hat sich auch der eine oder andere Interessent vor Ort umgeschaut. Geklingelt und nachgefragt hat allerdings niemand. Das wüssten Pfarrer Bernd Herbinger oder Pfarramtssekretärin Brigitte Cagnati sonst. Schließlich handelt es sich bei dem Haus, in dem die Wohnung laut E-Mail des Anbieters sein sollte, um das Pfarrhaus von St. Petrus Canisius.

 

Was misstrauisch stimmen sollte

Immer wieder erfinden Betrüger Geschichten, um Menschen zu Geldtransfers zu bewegen. Jürgen Harder vom Referat Prävention des Polizeipräsidiums Konstanz nennt im Gespräch etwa vermeintliche Erbschaften, ausgezahlt erst nach Begleichung von Gebühren, von einem unbekannten Verwandten im Ausland als Beispiel.

  • Wohnungsangebote: "Eine tolle Wohnung zu einem Schnäppchenpreis. Der Haken: Der Besitzer ist im Ausland, eine Besichtigung unmöglich", wird es auf einem Informationsblatt der Polizeilichen Kriminalprävention beschrieben. "Die Betrüger bieten an, den Schlüssel gegen eine Vorauszahlung der ersten Miete und Kaution zu schicken. Sollte die Wohnung nicht gefallen, wird angeboten, das Geld zu erstatten. Das ist aber nicht der Fall."
  • Erkennen: Vorsichtig ist zum Beispiel geboten, wenn ein Angebot unverhältnismäßig günstig erscheint, Fotos nicht zur Beschreibung passen oder eine E-Mail-Adresse die einzige Kontaktmöglichkeit ist, teilt Immobilienscout24 mit. Wenn dann noch eine Zahlung im Vorfeld der Besichtigung gefordert wird – egal, auf welchem Wege – sei dies ein eindeutiges Kennzeichen für ein unseriöses Angebot.
  • Reagieren: Beim geringsten Zweifel sollte der Kontakt mit dem Anbieter gar nicht erst aufgenommen oder sofort abgebrochen werden, sagt Jürgen Harder. Die nächste Polizeidienststelle sei im Falle von Unsicherheit die richtige Adresse.

Informationen unter: www.polizei-beratung.de