Praxisaufgabe, Umzug, Unzufriedenheit – Gründe für einen Hausarztwechsel gibt es viele. Im Bodenseekreis, der bei der Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) in die beiden Mittelbereiche Überlingen und Friedrichshafen eingeteilt ist, ist die Versorgungslage rein rechnerisch zwar noch im grünen Bereich. Allerdings könnten auch hier laut KVBW noch zehn Allgemeinmediziner in Vollzeit einen Kassensitz bekommen. Man kann also weder von einer Unter- noch von einer Überversorgung an Hausärzten sprechen.

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Dennoch machen viele Patienten im Bodenseekreis die Erfahrung, dass es schwierig ist, einen neuen Hausarzt zu finden. Der SÜDKURIER erklärt, welche Ansprüche und Rechte Patienten haben, wohin sie sich im Notfall wenden können – und wann der beste Zeitpunkt für die Arztsuche ist.

Hilfe! Mein Hausarzt geht in Rente und hat keinen Nachfolger. Wo kriege ich jetzt einen neuen Arzt her?

„Keine Frage, dass das für die Patientinnen und Patienten eine schwierige Situation ist. Daher gibt es auf diese Frage auch keine einfache Antwort. Sicherlich kann der Suchradius erweitert werden“, sagt Kai Sonntag, Sprecher der KVBW, die für die Versorgung der Region mit Kassenärzten zuständig ist. Ferne unterstütze die Rufnummer 116 117 bei der Suche nach Hausarztterminen. Kurz: es ist Eigeninitiative gefragt und meist bleibt nur das Abtelefonieren von Praxen. Doch viele sind voll, nehmen keine neuen Patienten mehr, oder haben bereits Wartelisten. „Es gibt keinen Anspruch, aufgenommen zu werden“, erläutert Sonntag.

Dr. Germar Büngener ist Allgemeinmediziner in Friedrichshafen und Vorsitzender der Kreisärzteschaft Bodensee. Sein Geheimtipp: ...
Dr. Germar Büngener ist Allgemeinmediziner in Friedrichshafen und Vorsitzender der Kreisärzteschaft Bodensee. Sein Geheimtipp: „Suchen Sie in der infektfreien Zeit einen Arzt.“ | Bild: Lippisch, Mona

Ich bin akut krank und habe keinen Hausarzt. Habe ich einen Anspruch, trotzdem einen Termin in einer Hausarztpraxis zu bekommen?

„Ja“, erklärt Dr. Germar Büngener, Vorsitzender der Kreisärzteschaft Bodensee, und selbst Allgemeinmediziner in Friedrichshafen, „Kassenärzte müssen außerhalb der Zeiten mit geregeltem Notdienst jeden Notfall entgegennehmen und dann gegebenenfalls untersuchen und das weitere Prozedere besprechen.“ Und wie ist der „Notfall“ definiert? Freilich geht es hier nicht um Fälle, bei denen Lebensgefahr besteht (z.B Herzinfarkte, Schlaganfälle, Unfälle), denn dann gilt es die 112 – also den Rettungsdienst – zu rufen. Bei einem verstauchten Fuß oder einer akuten schweren Infektion, etwa mit hohem Fieber, handelt es sich jedoch um medizinische Notfälle, die zwar nicht in einem Krankenhaus behandelt werden müssen, aber dennoch ärztlicher Hilfe bedürfen. In der Regel bekommen Sie dann tagesaktuell einen Termin – auch wenn Sie nicht Patient in der Praxis sind. Vorsorgeuntersuchungen fallen nicht unter einen Notfall.

Mein Partner hat bereits einen Hausarzt. Muss der mich als Angehörigen nicht auch annehmen?

„Nein, die meisten Ärzte handhaben das so, aber es gibt keinen Anspruch“, erläutert KVBW-Sprecher Kai Sonntag. Allerdings gibt es auch hier wieder die Ausnahme: „Haushaltsangehörige müssen nicht aufgenommen werden, aber sie müssen notfallmäßig behandelt werden, wenn sie ein echter Notfall sind“, sagt Hausarzt Büngener.

Kai Sonntag, Pressesprecher der KVBW
Kai Sonntag, Pressesprecher der KVBW | Bild: Juergen Altmann

Ich habe kein Auto und bin nicht mobil. Habe ich ein Recht auf eine wohnortnahe medizinische Versorgung?

Nein. Es gibt auch keine definierte maximale Fahrstrecke, die als zumutbar gilt. „Sicherlich müssen die Patientinnen und Patienten sich eine Fahrgelegenheit suchen“, sagt Sonntag. Es gilt jedoch nach wie vor, dass sich Patienten die Fahrt zum Arzt – oder auch ins Krankenhaus – unter bestimmten Umständen von der Krankenkasse bezahlen lassen können. Dafür benötigen sie ein ärztliches Attest über die Notwendigkeit der medizinischen Behandlung. Das ist allerdings eng geregelt. Wer beispielsweise eine ambulante Operation hat und deshalb nicht fahrtüchtig ist, kann sich das Taxi bezahlen lassen, weil dadurch ein stationärer Aufenthalt vermieden wird. Auch Patienten, die in Dauerbehandlung sind, zum Beispiel zu einer Dialysestation oder Chemotherapie müssen, haben Anspruch auf Erstattung. Für therapeutische Maßnahmen, wie eine Physiotherapie oder Massage, gilt das jedoch nicht.

Direkt rechts neben dem Eingang befindet sich am Wochenende die Notfallpraxis im Krankenhaus Friedrichshafen. Im Bodenseekreis gibt es ...
Direkt rechts neben dem Eingang befindet sich am Wochenende die Notfallpraxis im Krankenhaus Friedrichshafen. Im Bodenseekreis gibt es drei solcher Praxen. | Bild: Benjamin Schmidt

Ich bin am Wochenende krank und brauche einen Arzt. Wo bekomme ich Hilfe?

Hier kommen die Praxen der ärztlichen Bereitschaftsdienste an den Kliniken ins Spiel, die am Wochenende und an Feiertagen übernehmen. Es gibt im Bodenseekreis die Notfallpraxis am Klinikum Friedrichshafen (Röntgenstraße 2), in Tettnang am Klinikum (Emil-Münch-Straße 16) und in Überlingen (Härlenweg 1) am Helios-Spital. Geöffnet sind die Praxen ausschließlich an den Wochenenden und Feiertagen – von 8 bis 21 Uhr. Je nach Patientenaufkommen ist mit langen Wartezeiten zu rechnen, sodass diese Praxen ausschließlich bei akuten medizinischen Notfällen genutzt werden sollen. Für Kinder und Jugendliche gibt es jeweils einen diensthabenden Kinderarzt im Landkreis, der über die Notfallnummer 116 117 erreichbar ist.

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Ich brauche ärztlichen Rat. Wen kann ich anrufen?

„Hier möchte ich auch auf unser Telemedizinangebot docdirekt verweisen, was zumindest in bestimmten Situationen eine Alternative darstellen kann“, so Kai Sonntag vom KVBW. Docdirekt ist ein Angebot für alle gesetzlich Krankenversicherten und wird von der KVBW organisiert. Per App, Internet oder Anruf (116 117) können – ohne Terminvereinbarung – Ärzte zwischen Montag und Freitag (9 bis 19 Uhr) für eine Erstdiagnose kontaktiert werden. Zunächst nimmt eine medizinische Fachangestellte die Patientendaten auf, ähnlich wie beim Arztbesuch. Sie fragt Symptome ab und ordnet die Dringlichkeit ein. Außerdem erfasst sie die Krankenkassen-Daten, weshalb man das Versicherungskärtchen bereit halten muss. Handelt es sich um einen lebensbedrohlichen Notfall wird direkt an die Rettungsleitstelle vermittelt. Anderenfalls vereinbart die Fachangestellte einen Termin, zu dem ein Telemediziner zurückruft. Der Arzt berät und gibt einen Tipp zur weiteren Behandlung. Wenn Sie einen weiteren Termin in einer Arztpraxis benötigen, vermittelt der Telearzt an einen Kollegen vor Ort und macht Ihnen direkt einen Termin. Wichtig: Dieser Service steht Privatpatienten nicht zur Verfügung.

Der beste Tipp, um einen neuen Hausarzt zu finden?

Da hat Hausarzt Germar Büngener eine hervorragende Idee: „Ich empfehle einen Hausarzt nach der Infektzeit im Frühsommer zu suchen, da zu der Zeit erfahrungsgemäß etwas weniger Patienten in der Praxis erscheinen und dann ist die Wahrscheinlichkeit eine Ausnahme für eine Neuaufnahme zu machen, manchmal höher.“

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