Überlingen, sagte Alice Weidel, „ist mein Hauptwohnsitz.“ Das sagte die Kanzlerkandidatin in einem Interview mit dem ZDF, das am 7. Januar aufgezeichnet wurde. Am 23. Februar waren Bundestagswahlen – und die Wähler im Wahlkreis Bodensee fragten sich, wenn sie den Stimmzettel in der Wahlkabine aufmerksam betrachteten, warum bei Weidel als Wohnort Berlin steht und nicht Überlingen?

Diskussionen um Weidels Wohnort gibt es seit 2017. Nach ihrer Nominierung zur Spitzenkandidatin der damaligen Bundestagswahl wurde bekannt, dass sie nicht nur in Überlingen mit Wohnsitz gemeldet, sondern auch in Biel in der Schweiz gemeldet war. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Lebensgefährtin und ihren beiden Kindern in Einsiedeln im Kanton Schwyz. Im ZDF-Interview im Januar wies Weidel unwirsch die Frage zurück, wie oft sie in Überlingen übernachte. Die Diskussion ist deshalb relevant, weil bei ihr die Frage nach der steuerlichen Veranlagung mitschwingt.

Zahlt Weidel Zweitwohnungssteuer?

In Überlingen ginge es um die Zweitwohnungssteuer. Sie würde dann fällig, wenn Weidel zwar mit Hauptwohnsitz in Überlingen gemeldet ist, sich tatsächlich aber überwiegend an einer anderen Adresse aufhält. Wir fragten im Rathaus nach. Mit Verweis auf das Steuergeheimnis, das auch für Personen des öffentlichen Lebens gelte, gibt die Stadtverwaltung Überlingen dazu keine Auskunft. In ganz allgemeiner Weise, ohne auf Weidels Situation einzugehen, teilte die städtische Pressestelle mit: „Wenn beispielsweise die überwiegend genutzte Wohnung im Ausland liegt und die Zweitwohnung in Überlingen, so wäre die Person zweitwohnungssteuerpflichtig, obwohl sie melderechtlich mit alleiniger Wohnung gemeldet wäre. Die Abkopplung der Zweitwohnungssteuer vom Melderecht hat auch den Vorteil, dass der Steuerpflicht nicht dadurch entgangen werden kann, indem Personen sich mit Hauptwohnung anmelden, obwohl dies nicht den tatsächlichen Aufenthaltsverhältnissen entspricht.“

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Das steckt hinter der Wohnort-Angabe „Berlin“

Ist nun die Angabe „Berlin“ auf dem Wahlzettel ein Indiz dafür, dass Weidels überwiegend genutzte Wohnung nicht in Überlingen liegt? Nein. Das liegt an einer Auskunftssperre nach dem Bundesmeldegesetz, die Weidel beantragte, als im April 2017 erstmals Schweizer Zeitungen und der SÜDKURIER zu Weidels Wohnort recherchierten. Sie kann dann beantragt werden, wenn für die Person durch eine Melderegisterauskunft „eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann“, so die Formulierung im Bundesmeldegesetz.

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Folglich greift nun Paragraph 38 der Bundeswahlordnung, wie die Pressestelle des Landratsamtes mitteilt. Darin sei geregelt, dass auf dem Stimmzettel „anstelle des Wohnortes der Ort der Erreichbarkeitsanschrift des Bewerbers zu verwenden ist“. Dabei handelt es sich um einen juristischen Begriff und bezeichnet eine Anschrift, unter der eine Person offiziell und tatsächlich erreichbar ist.