Das Restaurant „Hermannsdorfers im Schützenhaus“ am nördlichen Dorfrand von Daisendorf hat sich in der Region den Ruf einer hervorragenden Gastronomie erworben, die auch für den schmalen Geldbeutel erschwinglich ist. Seit 2012 die Wirtsleute Hermannsdorfer das Restaurant übernahmen. Nun scheint ein Ende abzusehen, im September soll Schluss sein. Elke und Thomas Hermannsdorfer, beide haben die 60 deutlich überschritten, freuen sich auf einen Ruhestand mit Zeit für ihre vielfältigen Hobbys und ohne die alltäglichen Beanspruchungen eines Fünf-Tage-Betriebs.
Folgen der Pandemie
Die Einbußen während der Pandemie seien noch nicht ausgestanden, sagen sie. Erwartbare Forderungen nach Rückzahlung der bezogenen staatlichen Hilfen drückten aufs Gemüt und Personalprobleme strapazierten die Frusttoleranz. Zwar hat das Paar im Bodenseegebiet einen großen Kreis treuer Gäste gewonnen, aber das Anspruchsverhalten einiger Besucher nerve, heißt es, etwa wenn sie den reservierten Tisch eine Stunde vor dem Hors d‘œuvre meinen absagen zu können.
Thomas Hermannsdorfer hat seinen Beruf von der Pike auf gelernt und in vielen Funktionen erlebt. Als ausgebildeter Hotelbetriebswirt hat er in Küchen der gehobenen Gastronomie gewirkt, etwa im Konstanzer Inselhotel und der Sterne-Küche des Stuttgarter Steigenbergers, viele Jahre arbeitete er in leitender Position bei Brauereien und Großküchen. Vor zehn Jahren dann erfüllte sich Hermannsdorfer einen lang gehegten Berufswunsch: „Ich wollte immer gern selber mal Wirt sein.“ Als das Schützenhaus 2012 frei wurde, schloss er schnell den Pachtvertrag mit dem Schützenverein.
Es begann eine Entwicklung, die sich am besten als praktische Entfaltung einer anspruchsvollen, sehr persönlichen, neugierigen, experimentierfreudigen Küchenphilosophie beschreiben lässt. Dazu gehören frische, nachhaltig erzeugte Lebensmitteln möglichst aus der Region und gern direkt aus Bretagne oder Auvergne. Zwei Wiener Großmütter hinterließen zudem ihren Einfluss auf der Speisekarte. Ebenso familiäre Bindungen nach Skandinavien und Freundschaften in Frankreich. Sie prägen immer wieder die Menüs. Beim Anrichten der Speisen auf dem Teller wolle man „weg von der Pinzette“.
Elke Hermannsdorfer, Kräuterpädagogin und zertifizierte Fachberaterin für Wildpflanzen, pflegt gleich neben dem Schützenhaus einen gut sortierten Kräutergarten und kann ihrem Mann am Herd quasi durchs Küchenfenster manch feine Aromanote hereinreichen. Wenn die Zeit reicht, tauscht Thomas Hermannsdorfer schon einmal die Schöpfkelle gegen die Gitarre und gibt im Gastraum französische Chansons zum Besten. „Badisch – Schwäbisch – Weltoffen“, dieses Bekenntnis haben die Hermannsdorfers über ihre Küchentür geheftet.
Interreligiöses Mahl
Was Letzteres bedeuten kann, war kürzlich bei einem Interreligiösen Mahl zu erleben. Während auf den Tellern Entenleber-Mousse, Rotzungenröllchen oder Chickencurry auf Linsen paradierten, stellten Vertreter verschiedener Religionen aus ihrem jeweiligen Glaubenszusammenhang zwischen den Gängen kurze Betrachtungen zum Thema Übergänge vor. Minia Joneck als Vorstand der Jüdischen Gemeinde Konstanz erinnerte zudem an den Exodus, also den Ausgang der Israeliten aus der ägyptischen Gefangenschaft. Sie schlug den Bogen zum Gewinn der Freiheit der Juden, die die Shoah überlebten. Als Vertreter des Christentums reflektierte Thomas Gleixner über einschlägige Passagen aus dem Lukasevangelium. Als Leiterin des Mahakala Ashrams Bodensee lenkte Sabine Thilow Vajramala den Blick auf die buddhistische Vorstellung, dass im Leben alles stets im Wandel begriffen sei. Abschließend erzählte der Wildnispädagoge Frank Brauchle von den tiefgreifenden spirituellen Erfahrungen auf seiner Mongoleireise.
Auf ihrem Weg in den Ruhestand befinden sich auch die Hermannsdorfers im Übergang. Sie suchen einen Nachfolger, der die derzeitige Restaurant-Idee fortsetzt. „Ein Ende der Gastronomie im Schützenhaus wäre für die Bürgerinnen und Bürger Daisendorfs und unsere touristische Anziehungskraft ein großer Verlust“, erklärte Bürgermeisterin Jacqueline Alberti auf Nachfrage.