Wer am Stadtbahnhof Friedrichshafen mit dem Fahrrad zum Bahnsteig möchte oder dort ankommt, braucht gute Nerven, Zeit oder Muckis in den Oberarmen. Am besten etwas von allem. Vertreter des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) informierten vor Ort über Missstände, Verspätungen, ungeeignetes Zugmaterial und zu geringe Beförderungskapazitäten.
Eine Radlergruppe aus Heilbronn nimmt die Herausforderungen am Stadtbahnhof sportlich. Die Männer tragen ihre Räder die Treppe hoch. „Wir sehen das als Training für unsere viertägige Radtour rund um den Bodensee„, scherzen sie. In den Aufzug würde sowieso nur jeweils ein Fahrrad passen. Auch der Transport via Gepäckband ist keine wirklich praktikable Lösung.
ADFC fordert Installation von Schieberinnen an den Treppen
„Vor allem, wenn viele Züge gleichzeitig ankommen oder abfahren, gibt es ein extremes Kapazitätsproblem“, stellt ADFC-Kreisvorsitzender Bernhard Glatthaar fest und fordert kurzfristig die Installation von Schieberinnen an den Treppen. „So hätten zumindest Radfahrer einen barrierefreien Zugang zu den Gleisen 2 bis 5.“ Hilfreich wären Schieberinnen für Petra und Jürgen Müller-Beier aus Heilbronn gewesen. Aufgrund einer kurzfristigen Gleisänderung mussten sie ihre schweren E-Bikes sogar einmal mehr hoch- und runtertragen. „Schade, dass es in diesem großen Bahnhof keine Aufzüge zu den Gleisen gibt“, bedauert Müller-Beier.

Im Rahmen der geplanten Bahnhofsmodernisierung, die von 2019 auf 2021 verschoben wurde, fordert der ADFC an den Gleisen 2/3 und 4/5 zusätzlich zu einem Aufzug eine Rampe, die auch Radlergruppen einen barrierefreien Zugang von und zu den Gleisen ermöglicht. „Die neuen Aufzüge an der Nord- und Südseite des Stadtbahnhofs müssten außerdem deutlich größer werden“, sagt Glatthaar. In den aktuellen Planungen sei nur das absolute Mindestmaß vorgesehen und die Stadt wolle nicht mehr als 2 Millionen Euro für den Umbau beisteuern. Dabei müsse gerade mit Blick auf die Klimaschutzziele von einem deutlich wachsenden ÖPNV ausgegangen werden. „Mit so einem Bahnhof ist das nicht möglich.“

Veraltete Züge taugen kaum zur Mitnahme von Fahrrädern
In den Aufzug hoch zum Franziskusplatz passt übrigens gar kein Fahrrad hinein. Hier bleibt den Radlern für den Weg nach oben eine Rampe mit enger Kurve. „Mit einem Fahrradanhänger ist sie so gut wie gar nicht zu meistern“, sagt Glatthaar.

Ein Dorn im Auge sind den ADFC-Vertretern auch die alten Züge der Regionalbahn in Richtung Lindau. „Sie sind für die Fahrradmitnahme völlig ungeeignet“, sagt Ralf Hoppe, der auch Fahrgastbeirat beim Verkehrsverbund Bodo ist. „Durch Schwierigkeiten beim Aus- und Einladen der Räder kommt es automatisch zu Verspätungen.“ Zudem passiere es immer wieder, dass Fahrgäste aus Kapazitätsgründen in der Regionalbahn nicht mitgenommen werden. Dabei sei die Fahrradmitnahme im Zug für den Tourismus am Bodensee ein wichtiges Leistungsmerkmal. „Wir freuen uns, dass dieses veraltete Zugmaterial auf dieser Strecke nun endlich ausgetauscht werden soll“, so Hoppe. Der ADFC fordere, dass dann auch ausreichende Kapazitäten für die Fahrradmitnahme bereitgestellt werden.
Pünktlichkeit der Züge auf Bodenseegürtelbahn bei 74 Prozent
Mit Blick auf die Verspätungen – im Juli lag die Pünktlichkeit der Züge auf der Strecke der Bodenseegürtelbahn bei 74 Prozent und auf der Strecke Stuttgart-Lindau bei knapp 70 Prozent – fordert der ADFC, dass Zeitkartenbesitzer von der Bahn eine finanzielle Erstattung bekommen. „Liegt die Verspätungsquote bei 10 Prozent, sollten sie 20 Prozent des Preises erstattet bekommen, liegt sie bei 20, dann 40 Prozent“, erklärt Hoppe. „Wir fordern solche drastischen Maßnahmen, weil sonst nichts passiert.“