Für Reig‘schmeckte hält der Alltag am Bodensee so manchen dialektalen Fallstrick bereit. Ob Schwäbisch oder Badisch: Die hiesigen Mundarten bieten viel Potenzial für Missverständnisse. Das haben auch die Reaktionen auf den Bodensee-Dialektkurs gezeigt, den wir vor einiger Zeit veröffentlicht haben. Das war Anlass für uns, einen Aufruf zu starten: Wir haben die Leser gebeten, uns ihre lustigsten Anekdoten rund um das Schwäbische zu schicken.

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Eine Auswahl der Leserzusendungen drucken wir nun auf dieser Seite ab: Eine Hagnauerin berichtet von den Lernfortschritten ihres Reig‘schmeckten Ehemannes und aus Markdorf hören wir von einem Wort, das sogar unter Bodensee-“Ureinwohnern“ nicht weit verbreitet scheint.

Vom „Traubenhüter“ bis zum „ebbes Guetschmeckes“: Das sind die Anekdoten unserer Leser

„Mein Mann, ein schriftdeutsch sprechender Nei‘gschmeckter, nein, er bezeichnet sich lieber als ein „Zugeheirateter“, hatte öfter Verständigungsprobleme mit seinem Schwiegervater, einem Ur-Hagnauer. Als seine Freundin und spätere Frau übte ich also mit ihm von Anfang an die see-alemannischen Wochentage, meist auf den Fahrten zur Familie zwischen Frankfurt und Hagnau. Bis heute kann er sie problemlos aufsagen: „Mändig – Ziischtig – Miggde – Dunnschdig – Frittig – Samschdig – Sunndig“. An die Bedeutungen von Teppich und Kittel hat er sich ebenfalls gewöhnt, er verwendet sie sogar selbst. Und ganz besonders gerne hört er Wendungen wie „mir ganget“, „ihr hond“, „se wellet it“ oder das richtig schwierige „ite“ für „nicht“.“
Birgit und Diethard Hubatsch, per E-Mail
„Vielleicht gefallen Ihnen noch diese beiden Beispiele zur Erweiterung Ihrer unterhaltsamen Mundart-Serie: Westlich von Friedrichshafen, vor allem in Konstanz, Meersburg und Überlingen mussten teilweise sogar ehrwürdige Berufsstände für Sprichwörter herhalten. So war zum Beispiel jemand, der nicht besonders hell im Kopf war, ein richtiger „Traubenhüter“, und die Großmutter meines Mannes, eine waschechte Konstanzerin, gab oft auf die Frage nach ihrem Befinden die Auskunft: „Ha, heut geht‘s mer id wie nem Pfarrer z‘Oschtere“.“
Marli Mellert, Meersburg
„Zu meiner Frau in die Apotheke in Pfullendorf kam circa 2007 eine Kundin und verlangte „ebbes Guëtschmeckes“ – lange Beratung unter dem Personal, ohne Ergebnis. Dann kam eine ältere Kundin und klärte auf, dass Guëtschmeckes etwas Gutriechendes (Parfum) sei. Frage am Rande: Schreibt man Guëtschmeckes eventuell so: Guëtschmäckes (wie G‘schmäckle)? Den Ausdruck hatte auch ich nach 50 Jahren am Bodensee von meinen Ureinwohner-Freunden bis dahin noch nicht gehört.“
Dieter Frowein, Markdorf

Auch unsere Redaktion ist vor Missverständnissen nicht gefeit. Kein Wunder, denn schließlich besteht sie größtenteils aus Reig'schmeckten. Während Redakteurin Christina Bömelburg bereits als Kind an den Bodensee gezogen ist, kamen Redaktionsleiterin Kerstin Mommsen und unsere Mitarbeiterin Katy Cuko erst im Erwachsenenalter mit dem Schwäbischen in Kontakt. Sowohl die gebürtige Düsseldorferin Kerstin Mommsen als auch die im Erzgebirge aufgewachsene Katy Cuko stießen nach ihrem Umzug an den Bodensee an ihre sprachlichen Grenzen.

Kerstin Mommsen etwa wurde durch die E-Mail einer Kollegin komplett aus dem Konzept gebracht. Und bei Katy Cuko sorgte einst ein simples Gespräch übers Wetter für Verwirrung. Und obwohl in Ailingen aufgewachsen, war auch Christina Bömelburg als Kind vor sprachlichen Missverständnissen nicht gefeit: Vor allem die regionalen Eigenarten bei der Zeitangabe bereiteten ihr Mühe.

Redaktionsleiterin Kerstin Mommsen: „Das Geheimnis von ‚No ned hudla‘“

Kerstin Mommsen.
Kerstin Mommsen. | Bild: Jud, Marcel
„Ich erinnere mich gut daran, wie es war, als ich an den Bodensee zog und echte Probleme mit dem Schwäbischen hatte. Als ich wegen eines gebrochenen Fußes mit Gips in der Wohnung meines heutigen Mannes sechs Wochen verbrachte, luden mich manchmal die Nachbarn ein auf einen Kaffee. In geselliger Runde saßen wir bei schönstem Sommerwetter gemeinsam am Tisch, doch ich verstand nur Bahnhof. Wenn mich jemand etwas fragte, antwortete ich freundlich mit „Ja“, dabei lächelnd und innerlich hoffend, mich nicht bis auf die Knochen zu blamieren. Als ich 2007 beim SÜDKURIER anfing, kam ich als „Reig‘schmeckte“ an meine Grenzen: Als sich nämlich zwei Kollegen lautstark stritten. In tiefstem Schwäbisch-Slang schrien die beiden sich an. Bis heute weiß ich nicht, worum es eigentlich ging. Zu Beginn meiner schwäbischen Zeit hatte ich aber eine wunderbare Lehrerin, meine Kollegin Natalie Baumbusch, die mir beibrachte, dass es meist schon reicht, Wörter mit einem „-le--“ zu verlängern. „Fischle, Eimerle, Gutsle“, erklärte sie mir. Das war ja einfach. Einmal aber bekam ich eine E-Mail von ihr. Darin schrieb sie mir: „No ned hudla“. Ich starrte auf den Bildschirm und starrte und starrte, ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben, was das bedeuten sollte. Schwäbisch schwätzen kann ich immer noch nicht, dafür aber verstehen – meistens jedenfalls!“
Kerstin Mommsen, SÜDKURIER-Redaktionsleiterin

Redakteurin Christina Bömelburg: „Mit dem Bodenbelag zum Picknick“

Christina Bömelburg.
Christina Bömelburg. | Bild: Tesche, Sabine
„Als jemand, der rund 90 Prozent seines Lebens am See und den allergrößten Teil dieser 90 Prozent in Friedrichshafen verbracht hat, zähle ich, aufgewachsen in „Oilinga“, vermutlich zu den ziemlich umfassend Neig‘schmeckten. An einen kürzeren und einen ausgeprägteren Moment der Verwirrung in Kindheitstagen kann ich mich dennoch erinnern. Zumal ich das Problem mit dieser einen Begrifflichkeit nicht allein hatte, wie eine Reaktion bei Facebook auf unseren Mundart-Beitrag jüngst zeigte. Als eine Freundin – quasi das Gegenteil einer Zugezogenen – vor einem Picknick ankündigte, „en Teppich“ mitzubringen, war ich zugegebenermaßen gespannt. Wecken und süßer Sprudel auf Läufer? Ein Teppich war für mich bis dahin – nun ja – ein Teppich eben. Ein Bodenbelag und nichts, worauf man sich im Schwimmbad oder beim Picknick niederlässt. Und dann waren da die (Drei-)Viertel-Zeitangaben. Mein erster Herleitungsversuch: „Halb acht“ bedeutet eine halbe Stunde vor 8 Uhr, also bedeutet „Viertel acht“ eine Viertelstunde vor 8 Uhr. Inzwischen bin ich aber wieder ein sehr pünktlicher Mensch. Und eine Neig‘schmeckte, die zumindest kaum mehr Verständigungsprobleme hat, aber weiter immer wieder dazulernt: Wenn der Kollege Thomas Kapitel von Reig- statt Neig‘schmeckten schreibt, zum Beispiel.“
Christina Bömelburg, SÜDKURIER-Redakteurin

Mitarbeiterin Katy Cuko: „Nicht alles zu wörtlich nehmen“

Katy Cuko.
Katy Cuko. | Bild: Cuko, Katy
„Dialekte? Sind mir nicht fremd! Dabei bin ich – geboren im Erzgebirge (vogtländisch!) – unter dem Einfluss astreinen Hochdeutschs mitten im heutigen Brandenburg aufgewachsen. Derart gestärkt, konnte meiner Sprache jahrelanger sächsischer Einfluss mit längeren Aufenthalten im Berliner Milieu dann nichts mehr anhaben. Trotzdem war der Einzug ins Schwabenland vor knapp 25 Jahren wie ein Sprung ins kalte Wasser – kommunikatives Neuland sozusagen. Ich erinnere mich bis heute an einen der ersten, rätselhaften Dialoge mit einer Ur-Schwäbin, dem viele folgten. Wir standen am Seeufer, genossen bei strahlendem Sonnenschein trotz bitterer Kälte die Mittagspause an diesem schönen Wintertag, und dann sagt die Frau mit hochgezogenen Schultern doch „‘s isch schattig heit“ zu mir. Mein Blick muss ihr wohl signalisiert haben, dass ich ihr nicht ganz folgen konnte. Also wiederholte sie ihren Ausspruch. Meine Frage „wieso schattig?“ verstand sie dann wiederum nicht. Es dauerte eine Weile, bis ich kapierte, dass sie „kalt“ meint und sie verstand, dass ich ganz offensichtlich kein schwäbisch verstehe. Nach fast 25 Jahren am See klappt das heute sehr viel besser mit dem Verstehen und Verständigen selbst im breitesten Dialekt. Und ich hab‘ gelernt, dass man im Schwabenland nicht alles so wörtlich nehmen sollte.“
Katy Cuko, SÜDKURIER-Mitarbeiterin

Nur der Volontär – also ich – konnte nichts zur Anekdoten-Sammlung der Redaktion beitragen

Liegt es daran, dass ich zwar in keinem schwäbischen, aber aber dafür in einem alemannischen Sprachgebiet aufgewachsen bin? Auf „Schwiizerdütsch“ unweit des Bodensees sozialisiert wurde? Nun gut, dass eine Decke „Teppich“ genannt wird, kam mir mehr als „schwäbisch“ vor, als ich es das erste Mal hörte. Aber ansonsten „verstoh i eigentli alles, wa diä do so labered“, wie ich in meinem Heimatdialekt sagen würde. Zumindest dachte ich das.

Eines Besseren wurde ich belehrt, als Kerstin Mommsen und ich uns dem Schwäbischen vertiefter widmeten. Als Leiterin der Häfler SÜDKURIER-Redaktion hat sich Kerstin Mommsen inzwischen gute Passiv-Kenntnisse des Schwäbischen angeeignet. Sie versteht fast alles. Doch wie sieht es eigentlich mit dem Sprechen aus? Genau das haben wir uns gefragt und den Test gemacht. Anlass war das Erscheinen des Oberschwäbischen Kalenders und des Schwäbische Bilder- und Lesebuch „S goht weiter“.

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Kerstin Mommsen hat Texte aus den beiden Publikationen vorgelesen, ich habe sie dabei gefilmt. Und tatsächlich verstand ich teilweise nur noch Bahnhof. Doch zum Glück gibt es den Kollegen Thomas Kapitel: Er hat die Texte als Hörproben aufgenommen, mit korrekter Aussprache, und mir bei der Übersetzung ins Hochdeutsche geholfen. Die Videos und Hörproben finden Sie in unserem Internet-Artikel. Und keine Angst: Für alle, die des Schwäbischen nicht gänzlich mächtig sind, gibt es Video-Untertitel!