Der Automobilzulieferer ZF steht wie seine Mitkonkurrenten vor großen Herausforderungen. Mit Hochdruck arbeitet man in der Konzernzentrale in Friedrichshafen am Umbau des Unternehmens: Weg vom reinen Getriebehersteller hin zum Technologieanbieter für die E-Mobilität und autonomes Fahren, viel Energie steckt der Konzern derzeit in die Forschung. Anfang August musste der Vorstandsvorsitzende Wolf-Henning Scheider seine noch im April geäußerte Umsatzerwartung um eine satte Milliarde Euro zurücknehmen, zudem brach der Gewinn im ersten Halbjahr 2019 auf die Hälfte des Vorjahreswertes ein.
Offener Streit vor Mitarbeitern
Und nun gibt es auch noch Ärger innerhalb des Führungskreises des Milliarden-Unternehmens. Offenbar gab es zwischen dem sonst als besonnen geltenden Vorstandsvorsitzenden Wolf-Henning Scheider und dem Friedrichshafener Standortleiter für die Nutzfahrzeugdivision, Dirk Hanenberg, einen handfesten Konflikt. Die Folge war der fast lautlose Abgang des beliebten Managers Hanenberg zum 1. September.

Nach SÜDKURIER-Informationen fand der Showdown zwischen dem ZF-Chef und seinem Standortleiter Mitte Juli mitten auf dem Firmengelände statt – in Halle 11 im Friedrichshafener ZF-Werk 2. In der Werkshalle, in der Räder und Wellen gefertigt werden, kam es zum offenen Disput, wie drei ZF-Insider dem SÜDKURIER bestätigten. Der ZF-Chef habe, so heißt es, den beliebten Standortleiter bei einem Rundgang durch das Werk vor seinen Mitarbeitern lautstark kritisiert. Dabei sei er „persönlich verletzend und diskreditierend“ gewesen, sagen die Quellen übereinstimmend.
Der Eklat, bei dem auch Vorstandsmitglied Wilhelm Rehm dabei gewesen sein soll, führte am Ende wohl zum Abgang Hanenbergs – immerhin einer der wichtigsten Werksleiter im 150 000-Mitarbeiter Konzern. „Das hat das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht“, sagt ein Insider. Schon zuvor habe es immer wieder Meinungsverschiedenheiten zwischen Dirk Hanenberg und Wolf-Henning Scheider gegeben. Bei der Belegschaft in Werk 2 wird noch heute über den Vorfall geredet, bei dem es „ordentlich gescheppert“ habe, wie man sich bei ZF erzählt. Dirk Hanenberg galt bei seinen Leuten als Manager, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt und den Mund aufmachte, wenn er es für nötig hielt.
Mittlerweile hat Hanenberg das Unternehmen verlassen. Die Umstände seines Ausscheidens wollte ein ZF-Sprecher aber gegenüber dem SÜDKURIER nicht kommentieren. Anders als bei anderen wichtigen Personalwechseln wurde der Weggang von Dirk Hanenberg auch nicht öffentlich kommuniziert – eine entsprechende Pressemitteilung der Konzernkommunikation dazu gab es nicht. ZF-Mitarbeiter erfuhren per Aushang in den Pausenbereichen von der Personalie. Im ZF-Intranet heißt es, dass Hanenberg das Unternehmen aus „persönlichen Gründen verlassen habe, um sich einer Aufgabe außerhalb der ZF zu widmen“. Bis zu einer Nachfolgeregelung werde Fredrik Staedtler die Leitung der Produktion Division Nutzfahrzeugtechnik übernehmen.
Auch der ZF-Vorstandsvorsitzende Wolf-Henning Scheider will sich zur Causa Hanenberg nicht äußern. „Das ist allein Sache der Division, ansonsten kommentiere ich den Vorgang nicht“, sagte er am Rande der Eurobike am Mittwoch auf Nachfrage des SÜDKURIER. Dabei war der studierte Maschinenbauer Hanenberg ein echtes ZF-Gewächs. Seit 1991 arbeitete er bei ZF.
ZF-ler bedauern den Abgang
In den sozialen Netzwerken wird die Personalie heftig diskutiert und Hanenbergs Abgang bedauert. „Das ist bitter“ heißt es, oder: „Schade, dass er gegangen ist. Der war noch vom alten Schlag und hatte auch mal Zeit, mit dem einen oder anderen ein paar Sätze zu reden.“
Der Manager ist nicht der einzige prominente Abgang bei ZF in den letzten Monaten. Im Zuge der Abgasaffäre verließen beispielsweise Entwicklungschef Harald Naunheimer und PKW-Getriebe-Entwicklungschef Jürgen Greiner ZF. Vor fast genau einem Jahr verließ Ex-Personalvorstand Jürgen Holeksa aus eigenem Wunsch ZF und macht mittlerweile erfolgreich Kommunalpolitik in Friedrichshafen.