Brigitte Geiselhart

Else sieht wirklich klasse aus. Renate, Emma und all die anderen auch. Tolle Figur. Und sie stehen gut im Futter. Weil es ihnen viel zu gut schmeckt und sie sich ausgesprochen wohlzufühlen scheinen. Gründe dafür gibt's mehrere. Einer ist sicherlich der häufige Tapetenwechsel. Bis vor Kurzem hat man auf dem Biohof von Frieder Hutt in Friedrichshafen-Berg allein auf Obst gesetzt. Seit einigen Wochen hat sich das ein wenig geändert. Dass man mit den beiden "Hühnermobilen", die jetzt im Einsatz sind, voll ins Schwarze getroffen hat und auch auf eine große Nachfrage seitens der Kunden trifft, davon sind Frieder Hutt und seine Frau Andrea überzeugt. "Mit dem Einstieg in die ökologische Mobilstallhaltung haben wir uns schon seit zwei Jahren befasst. Wir sind auf einer Bioland-Veranstaltung darauf aufmerksam geworden", erzählt Hutt. Der entscheidende Impuls für ein weiteres Standbein sei aber nicht zuletzt vom "Katastrophenjahr 2017" und den Risiken, die mit dem nicht wegzudiskutierenden Klimawandel verbunden sind, ausgegangen. Die Frostnächte Ende April hatten zu verheerenden Ernteausfällen geführt, die bei Äpfeln zwischen 95 und 100 Prozent gelegen hatten. Insgesamt konnten im vergangenen Jahr auf dem Hutt-Hof statt bis zu 1200 Tonnen gerade einmal 100 Tonnen Obst erwirtschaftet werden.

Andrea (mit Huhn Antonia auf dem Arm) und Frieder Hutt haben sich ein weiteres Standbein aufgebaut.
Andrea (mit Huhn Antonia auf dem Arm) und Frieder Hutt haben sich ein weiteres Standbein aufgebaut. | Bild: Brigitte Geiselhart

Die Idee, die hinter den Hühnermobilen steckt, ist einfach – und vor allem auch aus ökologischer Sicht überzeugend: Der fahrbare Untersatz fürs Federvieh ist artgerecht ausgestattet mit einem warmen Schlafplatz und einem "Scharr-Raum", in den sich jeweils 225 Hühner bei schlechtem Wetter zurückziehen können. Also ein Mobil, dass speziell für Hühner und ihre Bedürfnisse entwickelt wurde, das darüber hinaus auf dem Dach mit Solarzellen ausgestattet ist, die Strom für den Elektrozaun liefern, der die große Auslauffläche umgrenzt. Außerdem ist dadurch auch gesorgt für Heizung und Steuerung des mobilen Hühnerstalls, der – wie sein Name schon sagt – immer wieder seinen Standort wechselt. "Je nach Witterung ist das alle zwei bis drei Wochen der Fall", erklärt Andrea Hutt. "Auf diese Weise dürfen sich die Hühner immer wieder auf frisches Gras freuen. Auch dem durch den vom Hühnerkot verursachten Nährstoffüberschuss wird dadurch vorgebeugt." Dass man als ökologisch zertifizierter Biolandbetrieb die vorgeschriebene Auslauffläche von vier Quadratmetern pro Huhn nicht nur einhält, sondern nach Möglichkeit auch überschreitet, auch das komme bei der Kundschaft gut an, die gerne bereit sei, etwas tiefer in die Tasche zu greifen als für herkömmliche Supermarkteier.

"Der Bio-Kreislauf ist in jeder Hinsicht erfüllt", betont Frieder Hutt. Die Aufzucht und Haltung der Legehühner gehe ganz ohne Gentechnik und Antibiotika über die Bühne. Zu picken gibt es Körner, Erbsen, Bohnen, Mais, Getreide und Gras. "Die schön gelben Eidotter entstehen ganz ohne Farbstoffe im Futter", ergänzt Andrea Hutt. "Und die etwas klein geratenen werden zur Herstellung unserer Nudeln verwendet." Zum Einsammeln der rund 420 Eier pro Tag und zur Versorgung der Hühner ist die ganze Familie eingespannt – also auch die Söhne Johannes, Matthias und Christian, die mit Freude bei der Sache sind und sich natürlich nicht nur um ihre oben namentlich genannten "Lieblingshühner" kümmern. Zu tun gibt's für alle Familienmitglieder genug. Auch ums Ausmisten kommt man nicht herum. "Ein guter Dünger für die Obstbäume – auch das gehört zum Kreislauf", sagt Frieder Hutt.

Auch sie scharren sich gerne um den Weihnachtsbaum: Die Bewohnerinnen der Hühnermobile auf dem Berger Hutt-Hof.
Auch sie scharren sich gerne um den Weihnachtsbaum: Die Bewohnerinnen der Hühnermobile auf dem Berger Hutt-Hof. | Bild: Brigitte Geiselhart

 

 

Landwirte setzen vermehrt auf zusätzliche Standbeine

Der Klimawandel ist auch in der heimische Landwirtschaft spürbar.

Katastrophenjahr 2017: Die Frostnächte vom April haben besonders dem Obst- und Weinbau massiv geschadet. Rund 470 Anträge auf Frosthilfe, zum Teil noch nicht endgültig berechnet, ergeben ein Schadensvolumen von rund 33 Millionen Euro im Bodenseekreis, sagt Isabel Kling, zuständig für die Pressearbeit des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Besonders im Bodenseekreis sei von Obstbaubetrieben mit sehr hohen Einbußen auszugehen.

Zusätzliche Standbeine: Damit die Existenz der Betriebe weiter gewährleistet ist, besteht die Möglichkeit, weitere betriebliche Standbeine aufzubauen. "Die Chancen hängen dabei aber in hohem Maß von den persönlichen Kapazitäten und Fähigkeiten sowie den konkreten betrieblichen Standortvoraussetzungen ab", sagt Kling. Ihr zufolge wird diese Strategie vermehrt angewendet. In touristisch attraktiven Regionen zählen dazu etwa Investitionen in Ferienwohnungen. "Das Land unterstützt solche Investitionen weiterer landwirtschaftsnaher Betriebszweige wie Ferien auf dem Bauernhof oder Pensionspferdehaltungen über die einzelbetriebliche Investitionsförderung sowie Beratungsangebote und Maßnahmen der Absatzförderung." Verbreitet auch: die Nutzung vorhandener Dachflächen landwirtschaftlicher Gebäude für Fotovoltaikanlagen. "Bei den Chancen der Produktionsausweitung ist auch der verbundene zusätzliche Kosten-, Arbeits- und Organisationsaufwand zu berücksichtigen", warnt Kling.

Anpassung: In Kooperation mit der in Radolfzell beheimateten Bodensee-Stiftung sollen 30 über ganz Baden-Württemberg verteilte landwirtschaftliche Pilotbetriebe eine Art „Klimawandelbrille“ bekommen. Bis Ende 2019 will man aus den gewonnenen Daten und Erkenntnissen Vorschläge und Maßnahmenkataloge ableiten, um die individuelle und flächendeckende Anpassung landwirtschaftlicher Betriebe an den Klimawandel zu ermöglichen.

Martin Hahn, Landtagsabgeordneter der Grünen für den Wahlkreis Bodensee, agrarpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion und Vorsitzender des Agrarausschusses, nannte bei einem Vororttermin mit Bauernvertretern in Friedrichshafen ein Beispiel: „Wer hätte vor Jahrzehnten gedacht, dass der ehemals viel zu kühle Schwarzwald-Baar-Kreis beim Weizenanbau heute die Nase vorn haben würde?“. (lip/ght)