Die beiden Polizisten sind umringt von Marktbesuchern. Die Beamten des Referats Prävention in Friedrichshafen geben Ratschläge, verteilen Flyer, auf denen unter dem Titel "Vorsicht, Abzocke!" Tipps zum Schutz vor Telefonbetrügern zu finden sind. Geduldig hören sie den Geschichten der meist älteren Bürger zu.
Falsche Polizisten behaupten, Einbrecher hätten es auf die Opfer abgesehen
"Mich rief jemand an, meldete sich mit Steinmann von der Polizei in Friedrichshafen und erzählte mir, dass in meiner Nachbarschaft eingebrochen worden sei", erzählt etwa Egon Ludwig, der mit Einkaufskorb auf dem Markt unterwegs ist. Dann habe ihm der Anrufer geschildert, dass der Einbrecher zum Glück gefasst wurde.
In seiner Jackentasche habe man aber einen Zettel mit Ludwigs Namen gefunden. Er müsse daher davon ausgehen, dass bei ihm demnächst ebenfalls eingebrochen werde. "Da habe ich sofort aufgelegt", sagt Ludwig. Er habe gleich das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimmt. Dann rief er die Polizei an. Einen Herrn Steinmann kannte man dort nicht.
Mehr als 50 Vorfälle an einem Wochenende
"Bei uns wurden an einem Wochenende mehr als 50 solcher Vorfälle gemeldet", sagt Hans Hunger vom Referat Prävention in der Seestraße und betont, dass sich Egon Ludwig absolut richtig verhalten habe. Denn im Verlauf des weiteren Gesprächs gelinge es den Betrügern oft, den Angerufenen so sehr unter Druck zu setzen, dass dieser schließlich zum Opfer werde.
Der Betrüger lege dem Angerufenen ans Herz, sofort Fenster, Türen und Rollläden zu schließen, um sich vor dem drohenden Einbruch zu schützen. Komme er dieser Aufforderung nach, während der falsche Polizist in der Leitung warte, sei sich dieser sicher, dass er sein Opfer an der Angel habe und lasse es Bargeld und Wertsachen abholbereit in Tüten verpackt vor die Haustür stellen.
Ein "Polizist in Zivil" werde die Gegenstände vorübergehend in Sicherheit bringen, behaupten die Betrüger laut Hans Hunger häufig. In Wahrheit verschwinden Geld und Wertsachen auf Nimmerwiedersehen.
Millionenschäden in der Region
Hunger schildert noch extremere Fälle: Manchmal würden die Betrüger so weit gehen, dass sie ihren Opfern einreden, die Bankmitarbeiter stecken mit den Einbrechern unter einer Decke. Sie bringen sie dazu, ihr gesamtes Vermögen von der Bank abzuheben.
Oftmals fahren die Geschädigten völlig überstürzt mit dem Taxi zu ihrem Geldinstitut. "Da wurden bereits Millionenschäden alleine in unserem Präsidiumsbereich angerichtet", sagt Hunger. Die Opfer müssten dann damit leben, um ihre gesamten Ersparnisse betrogen worden zu sein.
Auch Birgit Wittig berichtet von einem solchen Anruf bei ihrem Schwiegervater. Der 89-Jährige wurde aufgefordert, Bargeld und Goldbarren zu verpacken, was dem Senior jedoch ziemlich seltsam vorkam. Auch er legte auf.
Polizei rät: Telefonat wirklich beenden
"Ganz wichtig ist, das Gespräch wirklich zu beenden, bevor man bei der Polizei anruft", sagt Hunger. Um ganz sicher zu gehen, dass man den Betrüger losgeworden ist, empfiehlt er sogar, zunächst bei Freunden oder Verwandten anzurufen.
Der kriminalpolizeiliche Fachberater weiß von Fällen, in denen die Betrüger misstrauisch gewordenen Senioren angeboten haben, auf das Freizeichen zu warten, um dann die Rufnummer 110 zu wählen. Doch anstatt bei der Polizei zu landen, blieben die Senioren in der gleichen Leitung und der Betrug konnte weitergehen.
Betrüger sitzen in Callcentern im Ausland
Doch nicht nur ältere Semester gehen den Betrügern auf dem Leim. Sie konnten auch schon jüngere Menschen überzeugen: "Die Anrufer sprechen perfekt Hochdeutsch, treten extrem souverän auf und sind mit dem Polizeijargon vertraut", sagt dazu Peter Härle. Wie der stellvertretende Leiter des Referats Prävention erklärt, handelt es sich bei dieser Form des Telefonbetrugs um international organisierte Kriminalität.
Die Anrufer sitzen in einer Art Callcenter im Ausland, die Verbindung zu den Komplizen vor Ort ist sehr lose, oft werden sie nur für einen Einsatz angeworben und für die Abholung der Beute mit einem Taschengeld abgespeist. Im Fall ihrer Festnahme geht der Polizei nur ein kleiner Fisch ins Netz, ohne Kenntnis über seine Auftraggeber.
Polizei warnt mit Flyern und bei Infoveranstaltungen
Um Bürger über die kriminellen Machenschaften, die in den vergangenen beiden Jahren sprunghaft angestiegen sind, aufzuklären, versorgt die Polizei Senioren mit Flyern, hält Vorträge in Senioreneinrichtungen, organisiert Info-Stände in Fußgängerzonen und sensibilisiert selbst Taxifahrer und Bankmitarbeiter für das Phänomen.
Erst Schockanrufe, dann Enkeltrick
Doch so klug wie diese Banden agieren, so flexibel sind sie mit ihrem Konzept. Begonnen hatten sie mit Schockanrufen, in denen die Anrufer von schweren Unfällen Angehöriger berichteten, um so Geld für angeblichen Rechtsbeistand zu erpressen.
Als diese Masche nicht mehr funktionierte, kam der Enkeltrick in Mode. Die angeblichen Enkel berichten dabei ihren Großeltern etwa, dass sie mit dem Auto verunglückt seien und dringend Geld für einen neuen Wagen brauchen. Angeblich stehen sie bei einem Gebrauchtwagenhändler, können jedoch nicht weg, da es noch weitere Interessenten für ein unwiderstehliches Schnäppchen gibt. Deshalb schicken sie einen Freund vorbei.
Die besorgten Großeltern hetzen nicht selten zur Bank, um das geforderte Geld zu holen, ihr Haus wird derweil observiert und Minuten nach ihrer Rückkehr klingelt bereits der angekündigte Kumpel, um sich mit dem Geld für immer aus dem Staub zu machen.
Betrüger locken mit angeblichen Gewinnen
Manche Betrüger versprechen ihren Opfern auch hohe Gewinne. Zuvor werden die Betroffenen aufgefordert, eine Gegenleistung zu erbringen. So wird zum Beispiel eine Gebühr eingefordert oder der Abschluss eines Zeitschriftenabonnements.
Mit so viel Gutgläubigkeit tut sich Egon Ludwig allerdings schwer. Für ihn ist klar, dass er auf diese Art von Betrügereien nicht hereinfallen wird. "Ich habe mein Geld noch", sagt er und schmunzelt. "Auch wenn es nur so viel ist, dass ich auf dem Markt einkaufen kann."
Wie Sie sich selbst und Angehörige schützen können
Wie Peter Härle, stellvertretender Leiter des Referats Prävention, sagt, suchen die Betrüger gezielt nach altmodischen Vornamen. Steht zum Beispiel eine Frau mit einem solchen Namen alleine im Telefonbuch, gehen sie davon aus, dass es sich um eine Witwe in fortgeschrittenem Alter handelt und wittern leichte Beute.
Doch auch Männer sind betroffen und vielfach telefonieren die Callcenter ganze Straßen systematisch ab. Auch Todesanzeigen werden durchforstet, um einige Zeit nach der Beisetzung emotional labile Menschen unter Druck zu setzen. Die Polizei gibt folgende Tipps, um sich vor den Telefonbetrügern zu schützen:
- Die Polizei erklärt, dass bei Anrufen der Polizei niemals die Notrufnummer 110 im Display erscheint. Sollte dies also der Fall sein, ist Misstrauen angesagt.
- Keinesfalls sollten sich Senioren am Telefon unter Druck setzen lassen.
- Wichtig ist, den Hörer sofort aufzulegen, wenn einem etwas merkwürdig erscheint.
- Am Telefon keine Auskunft über persönliche oder finanzielle Verhältnisse geben.
- Niemals dürfen Geld- oder Wertgegenstände an unbekannte Personen übergeben werden.
- Wer einen solchen Anruf erhält, sollte mit Familienmitgliedern oder vertrauten Personen darüber sprechen.
- Betroffene sollten auf keinen Fall die Rückruffunktion nutzen, um die Polizei anzurufen. Grundsätzlich auflegen, warten, dann 110 wählen.