Der Terminkalender der Häfler Nikolausgilde ist bereits prall gefüllt: 120 Familien und zwölf Kindergärten werden die acht Nikoläuse der Gilde – jeweils mit ihrem Knecht Ruprecht – am 5. und 6. Dezember in und um Friedrichshafen besuchen. An späteren Daten folgen Auftritte in Vereinen und Altersheimen. Freie Termine gibt es kaum noch. „Eventuell kann einer unserer Nikoläuse am 6. Dezember zusätzlich einzelne Besuche übernehmen“, sagt Berthold Erich Schwarz, der die „Nikolausgilde Friedrichshafen“ 1985 mitgegründet hat.
Der Grund, dass die Gilde fast keine freien Kapazitäten mehr hat: Der Nachwuchs fehlt. Die meisten Gilde-Mitglieder seien bereits im Rentenalter, sagt Schwarz: „Unser ältester Ruprecht ist gar 93 Jahre alt.“ Nur zwei Nikoläuse seien um die 40. Dabei wäre es das beste Alter, um sich den roten Wams umzuhängen und den weißen Bart und den Bischofshut, die Mitra, aufzusetzen, findet Schwarz: „40 ist ein ganz gutes Alter, um anzufangen, wenn man eine Familie hat und in der Regel die Bedürfnisse von Kindern kennt.“
Eine Alternative zum Angebot der Häfler Nikolausgilde sind die Nikolausbesuche der katholischen Gemeinden in unserer Region.
Berthold Erich Schwarz selbst hat mit 25 Jahren angefangen, als Knecht Ruprecht
„Ein Arbeitskollege, der bereits als Nikolaus unterwegs war, hatte mich gefragt, ob ich ihn begleiten wolle“, erzählt Schwarz, der bis zur Rente als Werkstofftechniker in der Forschung und Entwicklung bei der ZF Friedrichshafen arbeitete. Nach drei Jahren als Knecht Ruprecht wurde Schwarz 1978 selbst Nikolaus. „Wir haben vor allem Familien von anderen Arbeitskollegen besucht“, erinnert sich der heute 69-Jährige. Mit der Zeit hätten er und sein Kollege dann immer mehr Anfragen erhalten und es seien weitere Nikoläuse dazugekommen.

„Nach dem Vorbild der Nikolausgesellschaft aus Zürich, der rund 300 Nikoläuse angehören, gründeten wir 1985 unsere eigene Gilde“, erzählt Schwarz. Zu Beginn habe die Häfler Nikolausgilde nur aus ZF-Mitarbeitern bestanden. Auch nach über 40 Jahren als Nikolaus ist Schwarz von dem vorweihnachtlichen Brauch noch immer begeistert: „Ich habe wahnsinnige Freude daran.“ Und die Nachfrage nach Nikolausbesuchen habe in den vergangenen Jahren sogar zugenommen.
Doch warum ist es für die Häfler Nikolausgilde dann so schwierig, neue Mitglieder zu finden?
Da spiele sicher der Aufwand eine Rolle, den das Ehrenamt mit sich bringe, sagt Schwarz: Die Kostüme müssen besorgt und gepflegt, Vorgespräche mit den Eltern geführt und Texte geschrieben werden. Und auch für die Besuche müsse man genügend Zeit einrechnen: mindestens 30 Minuten pro Familie, so Schwarz: „Früher war es sogar gang und gäbe, dass wir Nikoläuse jeweils eine Woche Urlaub genommen haben.“

Noch mehr ins Gewicht fällt laut Schwarz, dass das Amt kein Geld abwerfe. „Unsere Auftritte sind kostenlos. Trotzdem erhalten wir immer wieder Spenden.“ Anfangs hätten sie damit einen Teil ihrer Ausrüstung bezahlt. Inzwischen leiteten sie die Spenden an wohltätige Institutionen im Bodenseeraum weiter. Genau das schrecke jedoch viele ab, so Schwarz: „Wir haben immer wieder Aufrufe gemacht. Anfang der 1990er-Jahre hatten wir bei einer Info-Veranstaltung sogar 20 Leute. Aber am Ende war keiner bereit, unentgeltlich mitzumachen.“

Schwarz kann das nicht verstehen, denn das Nikolaus-Amt sei sehr bereichernd
Der 69-Jährige erzählt von rührenden Begegnungen im Altersheim, wo es vor allem darum gehe, auf die Menschen zuzugehen und ihnen die Hand zu halten. Und er freut sich darüber, dass nach anfänglicher Skepsis auch nicht-christliche Familien den Nikolausbesuch im Kindergarten akzeptiert haben. Schließlich gehe es der Gilde nicht um Religion oder Missionierung, sondern um die Brauchtumspflege, betont Schwarz. Und über allem stehe das universell gültige Motto der Nikolausgilde: „Teilen, helfen, schenken.“