Eine ältere Frau geht die Werastraße in Hofen entlang. In der einen Hand hält sie einen Regenschirm, in der anderen eine volle Einkaufstasche. An einem eingezäunten Parkplatz bleibt sie stehen, liest, was auf einem mit Kabelbindern befestigten Schild steht und geht dann kopfschüttelnd weiter. „Eigentum verpflichtet“, ist auf dem Karton zu lesen. „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen.“ Mit diesem Hinweis auf das Grundgesetz geht die seit 2013 andauernde Posse um die Parksituation in der Werastraße weiter.

Unverständnis und Frust
Vor Ort herrscht mittlerweile eine Mischung aus Frust und Resignation. „Was willst du machen?“, fragt die Passantin mit Regenschirm und Einkauftasche. Ihren Namen möchte sie nicht nennen, wohl aber ihren „Senf dazugeben“. Wer die Schilder aufgehängt hat, wisse sie nicht. Doch die Aussage könne sie ohne Weiteres unterstützen. „Es ist schade, dass die Fläche nicht genutzt werden kann“, sagt sie.
Carsten Martin lädt gerade seinen Einkauf in sein am Straßenrand geparktes Auto. Er ist auf der Durchreise und wollte kurz ein paar Dinge besorgen. „Zum Glück ist gerade jemand weggefahren“, sagt er.
Auch er könne nicht verstehen, warum die Eigentümerin einen Parkplatz baut und ihn dann nicht nutzt. „Das bringt doch auch Geld.“
Parkplatz steht eigentlich bereit
Genutzt wird das Grundstück derzeit scheinbar nur durch die Pflanzenwelt, die sich das Areal langsam zurückerobert. Auf den Stellplätzen und am Zaun wachsen Blumen und Gräser. Auch ein Haselnussstrauch hat seine Wurzeln geschlagen.
Abgesehen davon spricht auf den ersten Blick nichts dagegen, den Anfang 2015 gebauten Parkplatz gegenüber der Norma-Filiale zu eröffnen. Die weißen Parkmarkierungen auf dem Boden sind noch erkennbar. Schranken und Parkautomaten stehen und sind augenscheinlich mit Strom versorgt. Denn das Display zeigt das korrekte Datum und die aktuelle Uhrzeit an.
Ein großes Schild neben der Einfahrt informiert über die Öffnungszeiten rund um die Uhr, über die Parkgebühren und auch darüber, dass die Zahlung nur mit EC-Karte möglich ist. Doch die Einfahrt ist weiterhin mit einem Zaun gesperrt, den die Eigentümerin mit einer Kette und einem Vorhängeschloss gesichert hat. So bleibt den Kunden der Geschäfte in der Umgebung nichts anderes übrig, als sich einen anderen Parkplatz zu suchen.
Stadt sieht keine Handhabe
Ob sich die Eigentümerin, eine Firma G. Bauer in Ravensburg, von dem Hinweis auf das Grundgesetz überzeugen lässt, darf zumindest bezweifelt werden. Der Versuch, Kontakt mir der Firma aufzunehmen und Antworten zu bekommen, bleibt wie in der Vergangenheit erfolglos. Und welche Möglichkeiten hat die Stadt, in dieser Sache tätig zu werden? Bisher sah sie keine Handhabe, da es sich um ein Privatgrundstück handelt. Daran hat sich nichts geändert.

Dementsprechend knapp fällt dann auch die Antwort in dieser Sache aus. „Wir waren regelmäßig mit der Eigentümerin in Kontakt und haben das persönliche Gespräch mit ihr gesucht“, sagt Andrea Kreuzer von der Pressestelle der Stadtverwaltung. „Die Entscheidung über die Öffnung und Nutzung des Parkplatzes liegt aber einzig und allein bei der Eigentümerin.“
Enteignung rechtlich nicht möglich
Der nächste Absatz im Grundgesetz nach „Eigentum verpflichtet“ behandelt übrigens das Thema Enteignung. Selbst wenn sie das in Betracht ziehen würde, fehlt der Stadt die rechtliche Grundlage. Nach Paragraf 85 Baugesetzbuch darf ein Besitzer unter anderem dann enteignet werden, wenn das Grundstück in einem Bebauungsplan liegt und dadurch eine bestimmte Nutzung vorgegeben ist. „Es handelt sich um ein Privatgrundstück, für das kein Bebauungsplan besteht, der eine Nutzung des Grundstücks als öffentlichen Parkplatz festsetzt“, macht Andrea Kreuzer deutlich. Eine Enteignung ist auf dieser Grundlage nicht möglich.