Dieser Schritt, den die Stadt als Klinikträger jetzt gehen will, ist kein Schnellschuss. Seit Jahren türmen sich die Verluste, inzwischen weit über 20 Millionen Euro pro Jahr. Deshalb hat die Stadt im Oktober 2024 öffentlich den Bodenseekreis gebeten, in Gespräche über eine Beteiligung einzutreten. Weil Friedrichshafen die Last nicht mehr allein tragen kann und will. Weil etwa drei von vier Patienten nicht in der Zeppelinstadt wohnen. Weil eigentlich der Landkreis verpflichtet ist, die klinische Versorgung der Kreisbewohner sicherzustellen.

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Gespräche zwischen Stadt und Landkreis gab es, doch bisher ohne Ergebnis. Sonst wäre Oberbürgermeister Simon Blümcke nicht vorgeprescht. Bereits im Oktober 2024 hieß es aus dem Rathaus, dass spätestens im März 2025 klar sein müsse, wie es weitergeht mit dem Medizin Campus Bodensee (MCB) und seinen beiden Kliniken in Friedrichshafen und Tettnang. Jetzt ist Juli. Und OB Blümcke, gleichzeitig Chef des Aufsichtsrats im Klinikverbund, läuft die Zeit davon. Deshalb soll der Gemeinderat, der sich offenbar einig ist, am Montag die Reißleine ziehen. Zum Jahresende will die Stadt als Träger aus dem Klinikverbund aussteigen.

Etat im Bodenseekreis ebenfalls am Anschlag

Was macht der Bodenseekreis? Die Situation ist vertrackt. Der Kreistag hat im Februar einen Jahresetat beschlossen, der trotz Erhöhung der Kreisumlage um zwei auf 32 Prozent ein Defizit von 8,5 Millionen Euro einpreist. Eine Sparkommission wurde eingesetzt. Und jetzt soll sich der Landkreis auch noch um das hochdefizitäre Krankenhaus kümmern? Bei 18 Bürgermeistern im Kreistag dürfte ein solcher Vorschlag von Landrat Luca Prayon keine Begeisterungsstürme auslösen. Denn dann zahlt jede Gemeinde über eine deutlich höhere Kreisumlage mit. Und mancher Kommune steht das Wasser finanziell ebenfalls bis zum Hals.

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Helios-Spital zu klein als Kreisversorger

Aber einen anderen Weg gibt es eigentlich nicht. Der Bodenseekreis braucht ein Krankenhaus als Zentralversorger. Das kann das Helios-Spital in Überlingen – ein Haus der Regelversorgung mit 170 Betten und 6800 stationären Patienten im letzten Jahr – nicht leisten. In Friedrichshafen werden fast viermal mehr Patienten behandelt. Eine Planinsolvenz, die Simon Blümcke als Drohkulisse in Richtung Landratsamt aufgebaut hat, wäre ein Risiko für den Weiterbetrieb des Klinikums Friedrichshafen. Denn nur darum muss es gehen. Sonst bliebe nur der Verkauf.

Für die Klinik in Tettnang, dem früheren Kreiskrankenhaus, dürfte – wie für die insolventen Medizinischen Versorgungszentren beider Häuser – die Messe dagegen bereits gelesen sein. Auch wenn das kleinere Krankenhaus mit nagelneuen OP-Sälen nicht komplett von der Karte in der Gesundheitslandschaft Bodensee-Oberschwaben verschwinden wird. Der MCB hat es bisher nicht geschafft, beide Häuser im Verbund so zu managen, dass Friedrichshafen und Tettnang gehalten werden können. Mit den Vorgaben der Klinikreform dürfte das auch künftig nicht gelingen. Auch wenn die Stadt Tettnang nun versucht, ihr Krankenhaus zu retten. Am 2. Juli sprach sich der Gemeinderat einstimmig „für die Sicherung des Standorts Tettnang im Rahmen eines medizinischen Gesamtkonzepts am Medizin Campus Bodensee aus“ – inklusive Notfallversorgung.

Kliniken Friedrichshafen und Ravensburg unter einem Dach?

Damit rückt eine Option in den Mittelpunkt, die Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) für die Region Bodensee-Oberschwaben seit Jahren anmahnt. Im Dezember 2021 erklärte er im SÜDKURIER-Interview nicht nur das Ende für die Klinik Tettnang. Perspektivisch sei es wichtig, dass beide Landkreise mit ihren Klinikgesellschaften zusammenarbeiten. Und: „Wenn es nach mir geht, plant man dann natürlich gleich in einer gemeinsamen Gesellschaft des Oberzentrums Friedrichshafen-Ravensburg, weil die Menschen schon längst nicht mehr an den Kreisgrenzen unterscheiden, sondern sich an den Angeboten orientieren.“

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Die Krankenhäuser in Friedrichshafen und Ravensburg unter einem Dach: Diese Perspektive wurde in den vergangenen Jahren politisch torpediert. Mit der (nächsten) Krankenhausreform ändern sich aber die Spielregeln. In der Region am nördlichen Bodensee wird es über kurz oder lang eben nur noch diese beiden Krankenhäuser geben. Doppelstrukturen bei den medizinischen Leistungen in zwei Kliniken mit nur 25 Kilometer Abstand erlaubt der Gesetzgeber aber nur noch dann, wenn es die Zahl der Patienten oder die fachliche Expertise erlaubt. Zumindest eine Kooperation beider Häuser ist unausweichlich.

Am Landkreis geht kein Weg vorbei

Ein Blick in die Nachbarschaft zeigt, dass die Klinikversorgung hier schon lange regional gedacht und finanziert wird. In Ravensburg und Konstanz kümmert sich auch der jeweilige Landkreis um die Krankenhäuser. Dabei haben die Oberschwabenkliniken (OSK) 2023 selbst einen Rekordverlust von fast 32 Millionen Euro eingefahren, elf Millionen mehr als der MCB. Auch dort hadert die Geschäftsführung mit einer verfehlten Krankenhauspolitik, die Hauptursache für die finanzielle Misere sei. Es scheint die beste Option zu sein, wenn beide Kliniken gemeinsam planen, wie sie ihre Ressourcen künftig am besten zum Wohle ihrer Patienten einsetzen. Dann gehört der Bodenseekreis (mit) an den Verhandlungstisch.