Der Ton der Sirenen bohrt sich ins Trommelfell. Mit Blaulicht und Martinshorn fährt die Flughafen-Feuerwehr auf das Rollfeld. Peter Wetzel, die Kamera an den Zaun gedrückt, steht beim LSC Restaurant mit unverstelltem Blick auf das Geschehen. Auf der App Flightradar-24 konnte er sehen, welche Maschine im Anflug auf den Bodensee Airport in Friedrichshafen ist. Mit Klick auf das entsprechende Flugzeugsymbol, gab die App Details wie Airline, Flugzeugtyp und Ankunftszeit Preis. Hat die Maschine technische Probleme? Doch der Jet landet sicher in Friedrichshafen und die Feuerwehr zieht sich in ihren Hangar zurück. Ein Foto der Bombardier macht der Planespotter trotzdem.

„Ein Flugzeug ist etwas, womit man die Welt bereisen kann, das fasziniert mich“, sagt der Rentner und passionierte Hobby-Fotograf. Oftmals stehe er stundenlang am Flughafen und schaue zu, wie Passagiere aussteigen und stellt sich vor, dass sie vor zwei Stunden noch in Istanbul waren. Das mache Fernweh.

Wo die einen träumen, hat die anderen längst das Jagdfieber gepackt. Als Angela Merkel in Friedrichshafen zwischenlandet, stehen auch die Spotter am Zaun. „Das ist ein bisschen so, wie wenn ein Jäger Geweihe sammelt“, erklärt Alexander Hofmann seine Leidenschaft. Manche, weiß er, nehmen durchaus zehnmal denselben Flugzeugtyp auf, aber immer mit einer anderen Lackierung. Andere sind auf Luftfahrzeugkennzeichen spezialisiert. Sie fotografieren die kryptischen Buchstabenfolgen, die dem Kenner Auskunft über Herkunft und Typ des Fluggeräts geben. Doch die Mehrheit der Spotter kennen sich mit Flugzeugtypen aus und versuchen, so viele wie möglich zu fotografieren.

„Wenn ich erfahre, dass ein internationales Flugzeug kommt, geht‘s raus“, erzählt Fabian Reichlmair. Das verschafft dem Elftklässler, der seine Freizeit ansonsten mit Computerspielen verbringt, frische Luft und Bewegung und das bei jedem Wetter. Als Friedrichshafen den Ausweichverkehr von Insbruck abwickelte, stand er sechs Stunden im Schneesturm. Denn die Lufthansa kommt immer mit einem Canadair-Jet von Bombardier, die Sun Air fliegt die Dornier Do 328, Turkish Airlines eine Boeing 737-800, die Wizz Air einen Airbus A 320 und davon ist der größte Teil bereits abfotografiert.

Auf der Jagd nach dem Besonderen fahren oder fliegen aktive Planespotter deshalb auch andere Flughäfen an. Paris, London, Madrid, Wien und Lissabon, Alexander Hofmann hat bereits 20 verschiedene besucht. Wem noch eine Iljuschin in der Trophäensammlung fehlt, kann sich einer organisierten Reise nach Nordkorea anschließen. Dem risikofreudigen Spotter winken dort fünf verschiedene Typen dieses Fliegers, die nirgendwo sonst auf der Welt zu sehen sind. „Wenn ich Geld hätte, würde ich das sofort machen“, sagt Fabian begeistert und gibt gleich noch einen Geheimtipp preis. Im Iran kämen noch alte Boeings wie die 727 zum Einsatz, von denen es weltweit vielleicht noch 15 Exemplare gibt.

Für solche Highlights reisen die Spotter aus Stuttgart, Zürich und Wien nach Friedrichshafen an. Bereits dreimal sei eine aus Dubai kommende 727 hier gelandet, sagt Hofmann. Eine Delikatesse, wie auch die Antonow An-74-200, die hauptsächlich in Russland fliegt und sich zwei- bis dreimal im Jahr nach Friedrichshafen verirrt. Das Sahnehäubchen: Niemand weiß, wem sie gehört.

Etwa 30 Spotter gibt es hier, die meisten von ihnen gehören der Aviation Community Friedrichshafen (ACF) an, etwa 15 sind aktiv. Eine durchschnittliche Menge für einen kleinen Flughafen, findet Fabian Reichlmair. In Stuttgart tummeln sich etwa 200, in Frankfurt 500 Flugzeugfans, die meisten männlich. Und Spotten ist ein weltweites Phänomen.

Etwa 80 000 Fotos hat Alexander Hofmann seit 2015 gespeichert. Nachdem er sie bearbeitet hat, lädt er sie auf seiner Website und bei Instagram hoch. Dabei gehe es nicht in erster Linie darum Likes zu generieren. Wichtiger sei, die Fotos zu teilen und Tipps zu geben, wie man in Friedrichshafen am besten fotografieren kann. Die ACF stellt dafür einen Spotting Guide ins Netz, mit einer Beschreibung, wo man zu welcher Uhrzeit sein Teleobjektiv am wirkungsvollsten zum Einsatz bringt.
Während Peter Wetzel seine Fotos ans ZDF schickt und sich freut, wenn sie dort im Morgenmagazin zu sehen sind, will Alexander Hofmann sein Leben dem Fliegen widmen. „Ich habe mich nach dem Abitur unter anderem bei der Flugschule einer großen deutschen Airline beworben und werde dort demnächst meinen Einstellungstest für die Pilotenausbildung absolvieren“.

Planespotten
Im Zweiten Weltkrieg und auch während des Kalten Kriegs hielten manche Länder Soldaten und Zivilisten an, Flugzeuge zu „spotten“. Um zu registrieren, wann sie kamen und wann sie den Luftraum wieder verließen, wurden die Luftfahrzeugkennzeichen aufgeschrieben. Dieses einfache Notieren, das noch heute von manchen Spottern betrieben wird, wurde im Laufe der Jahre vom Fotografieren abgelöst.