Chilis Anblick lässt wohl keinen kalt. Wie ein lebendiges Suppenhuhn sieht die Henne aus, die kaum noch Federn am Leib hat. Auch Red, Hot und Pepper marschieren mit nacktem Po und kahler Brust über die Strohauflage in ihrem neuen Zuhause. Birgit Kubalczyk und ihr Mann Klaus Fiederer haben in ihrem Garten am Mömpelgardweg in Manzell extra ein Zelt um das kleine Hühnerhaus aufgebaut und einen Heizlüfter hinein gestellt, um die Vier vor der Kälte zu schützen. So viel Platz und Komfort hatten die Hühner noch nie.

Die fast federlose Chili hockt sich gern vor den Heizlüfter und genießt die warme Luft.
Die fast federlose Chili hockt sich gern vor den Heizlüfter und genießt die warme Luft. | Bild: Jana Messmer

Fertig für den Schlachthof

Bis vor wenigen Tagen teilten sich die Vier mit Hunderten Legehennen einen Stall. Sie und ihre Artgenossen haben in einem Alter von durchschnittlich 16 Monaten in der Eierproduktion schon ausgedient und werden dann ohne großes Federlesen auf dem Schlachthof „entsorgt“. 16 Monate, in denen das Federvieh keine direkte Sonne und kein Gras gesehen hat und so eng gehalten wird, dass sich die Hennen gegenseitig die Federn ausrupfen.

Red, Hot, Chili und Pepper hatten allerdings Glück: Sie gehören zu 234 Hennen, die der Verein „Rettet das Huhn“ am letzten Oktoberwochenende bei einem Eierproduzenten bei Freiburg ausstallen durfte. 234 geschundene Kreaturen trotz Bodenhaltung, die nun bei Hühnerfreunden den Rest ihres Lebens das tun können, was ihrer Art entspricht – ohne am Ende doch im Suppentopf zu landen.

Hühner lieben Mehlwürmer Video: Jana Messmer

Das ist eine Bedingung, wenn der Verein die Tiere in Obhut gibt. Die Federn übrigens wachsen nach. „Ich hoffe, dass sie bis Weihnachten ein bisschen mehr auf den Rippen haben“, sagt Birgit Kubalczyk über ihre vier Zöglinge. Bis dahin bekommt Chili ihr Leibchen an, wenn sie im Außengehege frische Luft schnappen darf. Sehen die rotbraunen Legehennen wieder wie gesunde Hühner aus, ziehen sie ins große Hühnerhaus um, wo dann nachts alle Hennen am Mömpelgardweg unter einem Dach schlafen.

Das weiße Zelt schützt die vier Hühner vor Kälte und vor ihren gesunden Artgenossen im Garten. Wenn sie wieder bei Kräften sind, ...
Das weiße Zelt schützt die vier Hühner vor Kälte und vor ihren gesunden Artgenossen im Garten. Wenn sie wieder bei Kräften sind, schlafen alle Hühner unter Dach des Hühnerhauses. | Bild: Jana Messmer

Hennen mit Charakter

Das Ehepaar ist schon vor einem Jahr auf‘s Huhn gekommen, wegen der Eier aus eigener Haltung. Aus den gekauften Küken sind inzwischen Hennen mit Charakter geworden, die die großen Zweibeiner richtig lieb gewonnen haben. „Es sind kluge, lustige, gewitzte Tiere“, sagt Birgit Kubalczyk, die Anna am meisten in ihr Herz geschlossen hat. Die Kleinste hat sich inzwischen zum Gockel aufgeschwungen und ist der Chef der Hühnerbande im Garten hinterm Haus.

Anna, Professor Mömpel und Gardi hatten bis vor wenigen Tagen den Garten im Mömpelgardweg für sich.
Anna, Professor Mömpel und Gardi hatten bis vor wenigen Tagen den Garten im Mömpelgardweg für sich. | Bild: Jana Messmer

Professor Mömpel ist eine stattliche Henne mit prächtigem Federkleid, die es eher gemütlich mag. Und Gardi ist die Glucke, die so eisern wie erfolglos auf ihrem ersten Gelege saß, dass ihr die Menschen befruchtete Eier besorgt und untergeschoben haben. So lange habe die „Krawallschachtel“ Lärm gemacht wie ein ausgewachsener Hahn. Die ersten beiden Hühner aus eigener Zucht dürften selbst bald Eier legen. Die drei Hähne hat das Ehepaar bei einem Bauern mit 80 Hühnern in Pension gegeben.

Red ist neugierig und kampfeslustig.
Red ist neugierig und kampfeslustig. | Bild: Jana Messmer

Ein Ei für zwölf Cent?

Eier gibt‘s im Haus am Mömpelgardweg jetzt jedenfalls genug. Denn auch die vier adoptierten Hühner legen fast jeden Tag ein Ei – was sich für Eierbauern offensichtlich schon nicht mehr rechnet. Kein Wunder: Was bekommt der Erzeuger, wenn das Ei im Supermarkt nur zwölf Cent kostet? Mit dem Blick als Hühnerhalter ist dem Ehepaar nun völlig klar: „Wenn wir als Verbraucher für das Ei keinen fairen Preis bezahlen, dann muss ihn jemand anderes für uns bezahlen, in dem Fall Red, Hot, Chili und Pepper“, sagt Birgit Kubalczyk.

Klaus Fiederer mit Anna auf dem Arm: Die vorwitzige Henne ist der Boss im Garten am Mömpelgardweg.
Klaus Fiederer mit Anna auf dem Arm: Die vorwitzige Henne ist der Boss im Garten am Mömpelgardweg. | Bild: Jana Messmer

Sie und ihr Mann sind nicht die Einzigen in Friedrichshafen, die Hühner als Mitbewohner haben. „Unter uns ist ein kleines Netzwerk entstanden“, sagt sie und nennt als Beispiel das „Huhniversum“ im Zeppelindorf. Auch auf diesem Kanal werben die Hühnerfreunde eifrig um weitere Pensions-Plätze für rund 300 Legehennen, die im Dezember ausgestallt werden sollen. Am Mömpelgardweg möchte man auf die gackernde Schar hinterm Haus nicht mehr verzichten.