Das juristische Nachspiel der Bürgermeisterwahl ist vorerst beendet. Doch es bleiben Fragen offen. Nicht nur deshalb, weil das Verwaltungsgericht Sigmaringen seine Entscheidung erst noch begründen wird, warum es den Eilantrag des Mitbewerbers um den Rathaus-Posten abgelehnt hat, Dieter Staubers Amtseinsetzung vorerst zu untersagen. Der SPD-Fraktionschef selbst möchte sich zur Entscheidung des Gerichts inhaltlich nicht äußern. Er halte es jedoch für bemerkenswert, dass der Antragsteller seine Vorwürfe aus der Anonymität heraus erhebe. „Wenn ich etwas zu sagen habe, stehe ich mit meinem Namen dafür ein“, betont Stauber.
Vorauswahl oder nicht?
Die Stadt stellt sich auf den Standpunkt, der Gemeinderat habe am 1. Oktober unter den zum Schluss verbliebenen fünf Bewerbern den künftigen Bürgermeister wählen können. Die Auswahlkommission habe allein die Aufgabe gehabt, aus dem Kreis der letztlich neun Bewerber diejenigen Kandidaten zu benennen, die sich in den Fraktionen und später im Gemeinderat persönlich vorstellen konnten. Dies sei "ein übliches und rechtlich zulässiges Verfahren", argumentiert die Stadt. Nach welchen Kriterien jedoch die Kommission ausgesiebt hat und warum sich von neun Bewerbern nur vier persönlich den Fraktionen vorstellen durften, obwohl auch unter den restlichen fünf fachlich geeignete Kandidaten waren, erklärt die Stadt auf Nachfrage nicht.
Insgesamt vier Bewerber machen nun ihrem Unmut über dieses Verfahren Luft. Mit einem Unterstützerschreiben beim Verwaltungsgericht sprang ein Kollege dem Antragsteller bei, der ebenfalls einmal Bürgermeister war. Zwei weitere Bewerber haben sich mit ihren Statements schriftlich an unsere Zeitung gewandt. Da sie alle nach wie vor Karriere machen wollen, möchten sie anonym bleiben.
Bewerber betrachtet Auswahlverfahren als Farce
„Auch ich betrachte das Auswahlverfahren als Farce“, schreibt ein Bewerber, der derzeit Hauptamtsleiter in einer baden-württembergischen Kleinstadt ist. Er habe seine Bewerbung vor dem Wahltermin zurückgezogen, weil er seine Chancen aufgrund der „offensichtlich vorausgegangenen Absprachen zwischen den Fraktionen als aussichtslos“ ansah. Außerdem sei ihm seitens der Stadtverwaltung deutlich gemacht worden, dass sich die Fraktionen auf eine Auswahl zwischen zwei Bewerbern verständigt „und weitere Bewerber auf dem Stimmzettel wohl keine Chance hätten“, schreibt er. Damit sollte wohl in erster Linie das Risiko eines zweiten Wahlgangs vermieden werden, vermutet er. Durch persönliche Kontakte nach Friedrichshafen habe er zudem erfahren, „dass es bereits eine Absprache zur Wahl von Herrn Stauber gab“.
Weitere Kritik am Auswahlprozedere
Genau wie in Baden-Württemberg sind auch in Nordrhein-Westfalen Dezernenten kommunale Wahlbeamte und werden vom Gemeinderat für acht Jahre gewählt. Dort heißt es in der Gemeindeordnung allerdings ausdrücklich, dass Beigeordnete „die für ihr Amt erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen und eine ausreichende Erfahrung für dieses Amt nachweisen“ müssen.
Vor diesem Hintergrund fragt sich der Bewerber aus diesem Bundesland, ob man das Auswahlprozedere am Bodensee womöglich als „absurde, provinziell-verfilzte Kumpaneipolitik" bewerten müsse. Er selbst arbeite seit Jahren an vorderster Front einer Großstadtverwaltung. Das Anforderungsprofil der öffentlichen Stellenausschreibung für den Häfler Verwaltungsdezernenten schien ihm „geradezu auf meine Person zugeschnitten zu sein“, schreibt er an unsere Zeitung. Dass nun ein Bewerber obsiegt habe, der „mal eben so über acht oder gar neun Besoldungsstufen hinweg katapultiert wird“, und auch noch bisher in einer völlig andersartig ausgerichteten Behörde arbeitet, hält er für fragwürdig.
Keine Reaktion der Gemeinderäte
Dieser Bewerber habe nach seiner kurzen Vorstellung in den Fraktionen allen weitergehende Gespräche angeboten. „Still wird das Echo sein“: Treffender als mit diesem Songtitel der Berliner Band Element of Crime, schreibt er, lasse sich die (Nicht)Reaktion der kompletten Häfler Kommunalpolitik kaum beschreiben. Eigentlich sollten doch gerade in diesen Zeiten die Vertreter der demokratischen Parteien alles daran setzen zu beweisen, dass sie noch in der Lage seien, gemeinsam für das Gemeinwohl einzustehen. „Die Häfler Stadträte legen stattdessen alle gemeinsam Zunder dafür, Demokratieverdrossenheit und Politikerschelte in einem unerträglichen Maße noch stärker anzufeuern.“
Es geht auch anders
Dass es auch anders geht, zeigt das Wahlergebnis für den neuen Sozialbürgermeister in Pforzheim. Mitte Juni wurde Frank Fillbrunn, bis dahin Sozialdezernent im Landkreis Uckermark, trotz seines FDP-Parteibuchs mit zwei Dritteln der 37 Ratsstimmen gewählt, obwohl die Pforzheimer SPD als zweitgrößte Fraktion nach der CDU das Vorschlagsrecht hatte. Deren Kandidatin, fachlich zum Gewählten abgeschlagen, erhielt nur neun Stimmen. Bei der Wahl in der achtgrößten Stadt in Baden-Württemberg durften sich insgesamt acht Bewerber direkt persönlich vorstellen.