Klara (Name geändert, die Redaktion) kommt aus der Cafeteria. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, als sie Alex sieht, der schwanzwedelnd durchs Foyer fetzt. Die zierliche Frau pfeift. Der Jack-Russell-Terrier spitzt die Ohren und rennt zur Seniorin, bleibt erwartungsvoll vor ihr stehen. Doch noch hat Klara kein Leckerli, dass sie dem Hund geben könnte. Also dreht er wieder ab.

Bis zu zwei Stunden Auszeit vom Heimalltag

Sanne Weber begrüßt die alte Dame. Das „Frauchen“ von Alex fragt sie, wie es ihr heute gehe. „Ich such‘ meinen eigenen Kopf“, sagt Klara, lacht und setzt sich in die kleine Runde. „Ihr sitzt der Schalk immer im Nacken“, erzählt Sanne Weber. Wie fast jeden Dienstagnachmittag ist sie mit ihrem Therapiehund Alex im Wilhelm-Maybach-Stift in der Kitzenwiese zu Gast. Anderthalb bis zwei Stunden lang bringt der kleine Hund „mit der Energie für drei“, so Sanne Weber, nicht nur Abwechslung in den Alltag im Seniorenheim.

Das Leckerli liegt direkt vor Alex Nase. Doch er schnappt sich das Stück Fleisch erst, wenn „Frauchen“ es erlaubt.
Das Leckerli liegt direkt vor Alex Nase. Doch er schnappt sich das Stück Fleisch erst, wenn „Frauchen“ es erlaubt. | Bild: Cuko, Katy

Sehr viele der hochbetagten Bewohner leiden an Demenz in den unterschiedlichsten Stadien. Alex schaffe es oft, manchen Senior in der Runde, der sonst in sich gekehrt oder apathisch ist, sich zu öffnen. „Sie erinnern sich an Erlebnisse, berichten von früher“, erzählt sie. Der Hund vermittelt ihnen Nähe und Wärme – ein positiver Effekt, der auch medizinisch längst bekannt ist. Seit Sanne Weber mit dem Jack-Russel-Terrier vor drei Jahren die Ausbildung zum Therapiehund begann, ist sie mit ihm Dauergast im Wilhelm-Maybach-Stift – ehrenamtlich und kostenlos.

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An diesem Nachmittag sorgt Alex vor allem mit seinen Kunststückchen für Trubel im Foyer des Stifts. Er selbst wird durch Leckerli – getrocknetes Entenfleisch – motiviert. „Das frisst er für sein Leben gern“, sagt Sanne Weber. Jeder der fünf Senioren bekommt von ihr immer wieder ein paar der kleinen Fleischstückchen, die es zur Belohnung gibt. Der Hund riecht förmlich, wo es noch was zu holen gibt, bleibt vor der Person erwartungsvoll stehen und wartet auf das Kommando. Alex kann Männchen oder den Diener machen, auf den Hinterbeinen stehend eine Pirouette drehen, sich tot stellen oder den kleinen, schon ziemlich zernagten grünen Tennisball apportieren. 30 bis 40 Kommandos beherrsche Alex, erklärt Sanne Weber. Aber nicht diese Kunststückchen zeichnen den Therapiehund aus.

Männchen macht Alex an diesem Besuchstag sehr oft, um das begehrte Entenfleisch als Belohnung zu bekommen. Den Heimbewohnern gefällt das ...
Männchen macht Alex an diesem Besuchstag sehr oft, um das begehrte Entenfleisch als Belohnung zu bekommen. Den Heimbewohnern gefällt das „Spiel“. | Bild: Cuko, Katy

Das Wichtigste neben Kontaktfreudigkeit des Hundes und einer hohen Toleranzschwelle ist die Impulskontrolle. „Er muss in jeder Situation cool bleiben und auf meine Kommandos reagieren, auch wenn ein Rollstuhl vorbeirauscht oder jemand laut hustet“, erklärt Sanne Weber. Legt sie ein Leckerli direkt vor seiner Nase auf den Boden und sagt „bleib“, wartet Alex, bis er das für ihn erlösende Kommando bekommt. Erst dann schnappt er sich das Stück. Das sind nicht nur Spielchen, die den Heimbewohnern gefallen und die sie interessiert verfolgen. Für den Hund sind die Besuche auch regelmäßiges Training, das nötig ist. Um mit Alex als Therapiehund arbeiten zu können, haben Frauchen und Hund Ausbildung und Charakterprüfung absolviert, die auch regelmäßig erneuert wird.

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Nach einer guten Stunde Toberei wird Alex langsam müde, er scheint satt und zufrieden. Der kleine weiße Hund mit dem großen, dunklen Augenfleck legt sich hin, döst etwas. Klara ist schon vor ihm gänzlich entspannt auf ihrem Stuhl eingenickt. „Aber sie hört alles, wenn sie ihr Hörgerät an hat“, sagt Sanne Weber schmunzelnd. Wenn der Hund pausiert, nutzt sie die Zeit verstärkt, um mit den Senioren über Dies und Das ins Gespräch zu kommen. So weiß sie, dass nicht nur Klara früher einen eigenen Hund hatte, sondern auch eine zweite Bewohnerin, die sich etwas später zur Runde gesellt hat.

Dog-Sharing hat sich bewährt

Für Sanne Weber ist Alex der zweite Hund, auf den sie „gekommen“ ist. Sie lernte den Welpen vor acht Jahren kennen, nachdem kurz zuvor ihr eigener Hund gestorben war. „Da ging mir das Herz auf“, erklärt sie, warum sie sich der Familie aus der Nachbarschaft spontan als Hundesitter anbot. Im Sommer darauf hatte sie den lernfreudigen Alex zum ersten Mal sechs Wochen bei sich – seither jede Woche zwei bis drei Tage.