Der 15. Juli 1972 ist ein tragisches Datum für die Kirchengemeinde „Zum Guten Hirten“ Friedrichshafen. Ein schlichtes Kreuz vor der Kirche erinnert an den Tag vor 50 Jahren, an dem bei einem Flugzeugabsturz drei Menschen hier ums Leben kamen. Das kleine Sportflugzeug, eine Piper PA 28, befand sich im Landeanflug auf den Flugplatz, der nur wenige hundert Meter entfernt lag. Die Maschine verlor plötzlich an Höhe, berichteten Augenzeugen damals den Reportern. Dann stürzte sie ins Dach der Kirche und explodierte beim Aufprall. Das alles ist Zeitungsberichten von damals zu entnehmen.
„Wir sahen das einmotorige Flugzeug über unsere Köpfe hinweg passieren“
Volker Briegel, der heute in Ravensburg lebt, war damals 13 Jahre alt. Er erinnert sich: „Wir waren mehrere Jungs, die neben unserem Haus auf der Wiese nahe der Rotach spielten.“ Der Flugplatz Friedrichshafen stand damals lediglich für Sportflugzeuge und das Militär zur Verfügung. „Die Einflugschneise, was die Sportflugzeuge betraf, war eigentlich direkt über unserer Wiese“, berichtet Briegel. „Man konnte den Flugzeugmotor hören, was zu dieser Zeit eher zur Standard-Geräuschkulisse in der Allmansweiler Siedlung gehörte.“ Volker Briegel und seine Freunde kümmerten sich also nicht weiter um die Geräusche – bis sie ein ungewöhnliches Motorstottern wahrnahmen. Sie sahen das einmotorige Flugzeug „über unsere Köpfe hinweg passieren“.
„Wir konnten nicht fassen, was wir zu sehen bekamen“
Im Flugzeug saßen zwei junge Männer und eine junge Frau aus der Nähe von Stuttgart. Volker Briegel kann die Abfolge der Geschehnisse noch exakt beschreiben – jedes Detail hat sich ihm eingeprägt. Auf das Stottern des Motors folgt eine Stille und ein plötzlicher Sinkflug. Die Jungen hörten einen lauten, scheppernden Knall und sahen eine dunkle Rauchwolke aufsteigen. Sofort war den Buben klar: Da ist etwas passiert. Sie rannten in Richtung der Rauchwolke.
s waren nur wenige hundert Meter, im Vollsprint waren Volker Briegel und seine Freunde schnell vor Ort. Auf der Wiese vor der Kirche angekommen, blieben sie „geschockt stehen und konnten nicht fassen, was wir zu sehen bekamen. Im ersten Moment nahm ich nur Einflüsse wahr – Brand, Hitze, Kerosingeruch und einen süßlichen Brandgeruch, mit dem ich nichts anfangen konnte. Dieser war schlicht im Repertoire meines damals jungen Lebens nicht enthalten.“

Der Pilot und einer der Insassen waren sofort tot
Volker Briegel weiß nicht mehr genau, wie lange es dauerte, bis die ersten Erwachsenen eintrafen. „Ich meine mich zu erinnern, dass ein Kirchenbediensteter mit einem kleinen Feuerlöscher versuchte, wie David gegen Goliath, den massiven Brand zu löschen.“ Der Pilot und einer der Insassen waren beim Aufprall des Flugzeugs auf das Kirchendach sofort tot. Die junge Frau starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.

Werner Ackermann, seit Langem engagiertes Mitglied der Kirchengemeinde, war 1972 als Sanitäter tätig. „Ich bin als Sanitäter mit dem Krankenwagen an diesem Tag mit einem Sportunfall vom VfB-Gelände ins Krankenhaus gefahren und habe den eingeliefert“, erinnert er sich. „Ich war oben in der Ambulanz und habe gewartet. Dann kam ein Anruf: Flugzeugabsturz, alles bereit halten, alles räumen.“ Der Wagen vom Roten Kreuz kam an und Werner Ackermann sah die junge Frau. Das Bild hat sich in sein Gedächtnis eingeprägt – ebenso wie bei Volker Briegel. Sichtlich bewegt beschreibt er den Anblick. „Ich habe das noch vor Augen.“

Viele Details möchte Volker Briegel bewusst nicht wiedergeben
Volker Briegel beschreibt die Einsamkeit, die er als Junge bei dem schrecklichen Anblick empfand – obwohl seine Freunde direkt neben ihm standen. Viele Details möchte er ganz bewusst nicht wiedergeben. Was auf dem alten Foto zu sehen ist, kann er erklären: Das Flugzeug war in das gekrümmte Kupferdach schräg über dem Nebeneingang der Kirche eingeschlagen, das Dach war aufgerissen. „Mit dem Aufprall muss ein Teil des Flugzeugs wohl am Dach entlang nach unten gerutscht sein und kam im Eck zwischen Nebeneingang und dem Vordach zu liegen.“ Die eintreffende Feuerwehr schickte alle Augenzeugen weg. Vom angrenzenden Zaun Richtung Ailinger Straße aus folgten einige weiter dem Geschehen.
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