Eine Verkettung unglücklicher Umstände hat einer 27-jährigen Frau aus Friedrichshafen eine Menge Ärger eingebrockt. Sie zog Ende November versehentlich die Wohnungstür hinter sich zu und bemerkte zu spät, dass der Schlüssel noch in der Wohnung lag. Sie hatte zwar einen Zweitschlüssel bei einem Bekannten hinterlegt, doch der hatte ihn verlegt. Um 19.30 Uhr musste die junge Frau zu einem beruflichen Termin. Also rief sie den Schlüsseldienst.

Masche in ganz Deutschland verbreitet

Der gerufene Schlüsseldienst verlangte für die Türöffnung über 410 Euro. Ist das normal? Nein, sagt Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale in Stuttgart. Üblicherweise sind für eine Türöffnung am Abend in Baden-Württemberg 149 Euro fällig. Bitter merkt er an: "410 Euro sind ja fast noch ein Freundschaftspreis, denn zwischen 80 und 2000 Euro ist alles drin." Offenbar wurde die Frau Opfer einer in ganz Deutschland verbreiteten Masche.

Vermeintlich lokale Firma

In ihrer Notlage geriet die Häflerin im Internet an ein Vermittlungsunternehmen mit dem Namen "Schloss auf" und einen vermeintlich lokalem Schlüsselservice. Dahinter steckt ein Unternehmen mit dem Namen MK Notservice GmbH, ansässig in Ebersbach-Neugersdorf in Sachsen. Daraufhin rief ein Schlüsseldienst zurück, dessen Mitarbeiter nach einer Dreiviertelstunde erschien und in etwa einer Minute die Haustür öffnete. Die junge Frau sollte sofort in Bar bezahlen. Das Geld hatte sie nicht zur Hand, gemeinsam ging es zum Geldautomaten. Die 27-jährige sollte ein Formular ohne Durchschrift unterschreiben. Als sie es fotografieren wollte, soll der Schlüsseldienst-Mitarbeiter versucht haben, Name und Adresse der Firma zu verdecken, wie die 27-jährige im Nachgang berichtete. Sie bekam die Daten trotzdem heraus: MK Schlüsselnotdienst in Essen. Eine Rechnung hat sie bisher nicht.

Inzwischen hat die Häflerin Anzeige erstattet. Beide Unternehmen haben im Internet zum Teil verheerende Kritiken. Der MK Notservice antwortete auf unsere Nachfragen nicht.

MediaSlot: Linktostory

Verbraucherschützer Matthias Bauer ist der MK Notservice bekannt. Der habe auch schon unter dem Namen "Schlossexperte" operiert und es gebe weitere "grenzwertige" Unternehmen. Die Polizei winke bei Anzeigen manchmal gleich ab, weiß er aus Gesprächen, die Staatsanwaltschaften stellten die meisten Verfahren ein und die Politik ändere bisher nichts. Bauer findet das erschütternd, denn dadurch werde das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat unterminiert.

Ein Großteil der Fälle wird eingestellt

"Die Polizei muss diese Anzeigen aufnehmen und ermitteln", sagt Markus Sauter, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, ganz klar. "Es ist zutreffend, dass ein Großteil der Fälle eingestellt wird", berichtet Erste Staatsanwältin Christine Weiss, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Ravensburg. Wenn die Anzeige wegen Wuchers erfolge, Paragraf 291 Strafgesetzbuch, ergebe sich neben der Frage nach einem fassbaren Täter auch das Problem, dass Wucher eine Zwangslage voraussetzt. Allein das Ausgesperrtsein reicht im Sinne des Strafgesetzes nicht aus. "Es zwingt einen niemand, den erstbesten Anbieter zu nehmen", erklärt Weiß. In manchen Fällen kommen auch andere Straftatbestände in Betracht: Nötigung oder Betrug, bei den Hintermännern auch gewerbsmäßiger Bandenbetrug, Steuerhinterziehung und Vorenthalten von Arbeitsentgelt.

Erste Staatsanwältin Christine Weiss.
Erste Staatsanwältin Christine Weiss. | Bild: Wex, Georg
Markus Sauter Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz.
Markus Sauter Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz. | Bild: Hanser, Oliver

Zahlen sind ungenau

Die Zahlen in der Region sind statistisch ungenau, da nur der Gesamtbereich Wucher erfasst wird. Laut Sauter nimmt die Gesamtzahl aktuell zu. 2017 waren es im Bereich des Polizeipräsidiums Konstanz 20 Fälle, im Bodenseekreis fünf, davon in Friedrichshafen einer. Für Verbraucherschützer Bauer ergibt sich daraus kein klares Bild, zumal die Dunkelziffer sehr hoch sein dürfte, weil die Leute sich schämen.

Auch im Notfall nicht auf alles einlassen

Die Verbraucherzentrale gibt folgende Tipps im Zusammenhang mit Anforderungen von Schlüsseldiensten. Sie gelten auch für andere handwerkliche Notdienste wie Rohrreinigung oder Glasbruch.

  • Grundsätzlich informieren: Welche ortsansässigen Handwerker gibt es in der Umgebung, die Türen öffnen und wie sind sie zu erreichen? Die Alternative: Einen Ersatzschlüssel bei einer in der Regel erreichbaren und vertrauenswürdigen Person deponieren.
  • Wenn man vor der verschlossenen Tür steht und im Internet, meist über die Suchmaschine Google, nach einem regionalen oder lokalen Schlüsseldienst sucht, beispielsweise mit „Schlüsseldienst Friedrichshafen“, sich klar machen: Die ersten Ergebnisse sind Anzeigen – sie sind entsprechend gekennzeichnet. Es sind nicht automatisch die regionalen, die beliebtesten oder gar die besten Schlüsseldienste. Auf der Internetseite des ausgewählten Anbieters unbedingt ins Impressum schauen, dort sollte dessen Adresse stehen.
  • Vor der Auftragsvergabe nach einem verbindlichen Komplettpreis für die Türöffnung fragen und einen Festpreis, der die Anfahrtskosten und eventuelle Zuschläge enthält, vereinbaren, möglichst mit Zeugen. Dazu sollte man wissen, welche Art von Schloss geöffnet werden soll. Nicht einfach einen unbekannten Schlüsseldienstmitarbeiter machen lassen und hoffen, dass es nicht so teuer sein wird.
  • Genau prüfen, was der Kunde unterschreiben soll: Welche Bedingungen und Arbeitsleistungen vor oder nach der Türöffnung werden vereinbart? Passagen, die unerwünscht sind oder nicht vereinbart wurden, streichen. Nur in Bar bezahlen, wenn eine detaillierte Rechnung vorliegt und diese der Vereinbarung entspricht. Wenn in der Situation nicht genügend Bargeld zur Verfügung steht, auf Zahlung per Rechnung bestehen. Sich nicht vom Monteur zum nächsten Geldautomaten lotsen lassen.
  • Nicht vom Handwerker oder Monteur unter Druck setzen lassen. Gegebenenfalls Nachbarn oder/und Polizei um Hilfe bitten. Nötigung ist strafbar.
  • Eine einfache Türöffnung kostet nach Erhebungen der Verbraucherzentrale im Durchschnitt in Baden-Württemberg werkstags und tagsüber im üblichen Rahmen im Schnitt knapp 81 Euro sowie an Sonn- und Feiertagen sowie nachts etwa 149 Euro bei seriösen Anbietern – bei eher dubiosen können es auch bis zu 1000 Euro und mehr sein. Eine Übernachtung bei Freunden oder in einem Hotel ist, falls möglich, umsonst oder zum Teil deutlich preiswerter, falls es später eine einfache und/oder preiswerte Lösung gibt.