Ob Klinikum, Messe oder Stadtwerk am See: Andreas Brand ist Vorsitzender oder stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates in den meisten städtischen Unternehmen – kraft seines Amtes als Oberbürgermeister. Ein Job, der von den Firmen extra vergütet wird. Doch Neid ist kaum angebracht, denn viel übrig bleibt dem OB davon nicht. Vergütungen bis zu 6100 Euro pro Jahr darf er zusätzlich zum OB-Salär behalten, schreibt das Beamtenrecht im Land vor. Mehr nicht.
Für seine "Nebenjobs" in den städtischen Unternehmen im Jahr 2017 führte Andreas Brand nach Angaben des Rathauses insgesamt 31 300 Euro an die Stadt ab, die in den Haushalt fließen. Im vergangenen Jahr waren es 24 750 Euro; unter anderem deshalb deutlich weniger, weil er wegen der wirtschaftlich schlechten Lage des Klinikums auf seine Aufsichtsrats-Bezüge verzichtet habe.
Über 200 000 Euro extra
Weitaus höhere Beträge erhält der OB für seine Sitze im Aufsichtsrat bei ZF oder im Zeppelin-Konzern. 2017 lieferte er aus diesen Tätigkeiten 176 000 Euro, im vergangenen Jahr nach vorläufiger Rechnung knapp 225 000 Euro ab. Auch diese stolzen Summen fließen in den städtischen Haushalt, jedoch auf eine separate Position, ein Sonderkonto gewissermaßen. Denn was mit diesem Geld passiert, darüber entscheidet der OB ganz allein.
Dieses Recht hat das Häfler Stadtoberhaupt schon sehr lange durch die Hauptsatzung der Stadt. Eingeführt wurde es während der Amtszeit des verstorbenen OB Bernd Wiedmann, der zuvor die Gelder aus den Aufsichtsrats-Bezügen noch behalten durfte. Als Wiedmann dem Verein zur Pflege des Volkstums, dessen Ehrenpräsident er war, im Jahr 2001 eine Spende von damals 700 000 Mark für das Projekt Narrenbrunnen überwies, gab es enorme Diskussionen. Später stellte sich heraus, dass diese Spende rechtswidrig war, woraufhin der Verein die Hälfte des Geldes zurück gab. Die andere Hälfte von rund 190 000 Euro bildet auf dem Vereinskonto das Budget für den nach wie vor gewünschten Narrenbrunnen.
2017 in Summe 122 500 Euro ausgeschüttet
Was Oberbürgermeister Brand mit dem Geld aus seinen Einnahmen bei den Stiftungsbetrieben macht, ist – zumindest in der Summe – kein Geheimnis mehr. 2017 hat der OB in 68 Einzelfällen insgesamt 122 562 Euro ausgezahlt (siehe Grafik). Die größten Posten waren 15 000 Euro zur Förderung mildtätiger Zwecke, 10 000 Euro für Kunst und Kultur und zwei Mal 10 000 Euro für das Gesundheitswesen. In den meisten Fällen wurden Beträge zwischen 500 und 1500 Euro ausgezahlt. Wollte der OB mehr als 25 000 Euro im Einzelfall zuweisen, muss er vorher den Ältestenrat im Gemeinderat informieren.
Viele Kleinspenden, wenige große
Auffällig ist, dass die Sparte Brauchtums- und Heimatpflege mit 28 Überweisungen und dem größten Anteil Geld mit Abstand am meisten vom OB-Sonderkonto profitiert. Dass hier der Narren-Verein mit bedacht wird, steht bei Summen wie 1111 Euro oder 1 555 Euro außer Frage. Aber in dieser Sparte des Stiftungszwecks würden auch Musikvereine oder Chöre gefördert, erklärt Monika Blank. "Eine Förderung des Narrenbrunnens oder Vergleichbares wurde von Oberbürgermeister Andreas Brand nie vorgesehen oder verfügt", so die klare Antwort. In der Regel stehe hinter jeder Einzelbuchung auch ein anderer Empfänger. Es sei selten, dass im Jahresverlauf ein Empfänger zwei Mal Geld vom Sonderkonto bekäme.
Empfänger der Gelder bleiben ungenannt
Die jeweiligen Empfänger benennt die Liste, die uns die Stadt zur Verfügung gestellt hat, jedoch nicht. "Die Verwendung muss für Zwecke im Sinne der Satzung der Zeppelin-Stiftung erfolgen", erklärt Monika Blank, Sprecherin der Stadt. Das werde vor der Auszahlung auch geprüft. Beispielhaft benennt die Stadtsprecherin Zuwendungen für örtliche Vereine, Gruppen, Organisationen, Kirchen, Hochschuleinrichtungen oder einzelne Projekte. Zum Beispiel habe Brand studentische Projekte an der DHBW gefördert und die Duale Hochschule bei Laboreinrichtungen unterstützt. Zu den Empfängern gehörten die Tafel, die Pauline 13 nach dem Hausbrand in der Paulinenstraße oder die Aktion Gemeinsinn Ailingen, die Zustiftungen erhielt.
Jede Förderung wird geprüft
Im vergangenen Jahr wurden vom Sonderkonto nach vorläufiger Rechnung insgesamt 80 Auszahlungen mit einer Summe von rund 188 500 Euro vom OB angeordnet. Was übrig bleibt, wird immer für das Folgejahr gut geschrieben. Für 2019 rechnet der OB damit, dass er 140 000 Euro aus seinen Aufsichtsratsbezügen bei der Stadt abliefert – so steht es im Haushaltsplan.
Bleibt die Frage, ob man eine Auszahlung vom Sonderkonto beim OB beantragen kann? "Es gibt beides: Anfragen und Bitten um Unterstützung und Förderung, aber auch eine Förderung auf eigene Initiative des Oberbürgermeisters hin", antwortet Monika Blank. Jede Förderung werde geprüft: Ist ein Wunsch nicht mit den Stiftungszwecken vereinbar, gebe es auch kein Geld. Selbst wenn Initiativen oder Vereine mehrfach gefördert würden, bestehe kein Anspruch darauf, regelmäßig Geld vom OB zu bekommen.
Ablieferungspflicht
Nicht nur der Oberbürgermeister muss den Großteil seiner Aufsichtsratsbezüge abliefern. Dieser Pflicht unterliegen alle Mitglieder in Aufsichtsräten und Beiräten, die von der Gesellschafterversammlung des Unternehmens entsandt sind. Das gilt also auch für Beigeordnete, Mitarbeiter der Stadtverwaltung und auch Gemeinderäte. Es gelten lediglich unterschiedliche Freigrenzen. So dürfen Gemeinderäte – wie der OB – 6100 Euro pro Jahr aus den Aufsichtsratsbezügen behalten, ein Beamter der Besoldungsgruppe A 9 bis A 12 nur 4300 Euro.