Kita-Kinder oder alte Menschen betreuen, Getriebe zusammenschrauben, Industrieanlagen bauen oder Straßenbeläge erneuern: in der Zeppelinstadt gehen tausende Arbeitnehmer weiterhin täglich zur Arbeit – in Kindertagesstätten, Pflegeheimen, Produktionshallen oder Baubetriebe. Andere wiederum, die in Bürojobs arbeiten, sind bereits seit fast einem Jahr überwiegend im Homeoffice. Die neue Regelung wird in den meisten größten Häfler Unternehmen – zumindest nach eigenen Angaben – längst umgesetzt.

Diese neuen Regeln gelten für Arbeitgeber

ZF: 6900 Mitarbeiter können mobil arbeiten, aber 2800 eben auch nicht

Rund 9700 Menschen arbeiten beim Automobilzulieferer ZF allein am Standort Friedrichshafen. „Mobiles Arbeiten kommt in der Regel nur für die sogenannten indirekten Bereiche infrage, wie Verwaltung oder Teile der Entwicklung, das sind am Standort Friedrichshafen rund 6900 Mitarbeiter“, erklärt ein Unternehmenssprecher. Da mobiles Arbeiten aber bei ZF bereits vor der Corona-Pandemie Standard gewesen sei und lediglich auf direkten Absprachen mit den Vorgesetzten beruhe, gebe es keine statistische Erfassung der Mitarbeiter, die aktuell von zuhause aus arbeiten.

Die Nachfrage nach ZF-Getrieben ist aktuell groß.
Die Nachfrage nach ZF-Getrieben ist aktuell groß. | Bild: Felix Kästle

Es sei jedoch klar, dass – gerade in der Produktion und produktionsnahen Bereichen – zahlreiche Tätigkeiten Präsenz in den Werken erfordern. Aktuell arbeiten rund 30 Prozent der am Standort Friedrichshafen beschäftigten Mitarbeiter im „direkten Bereich“, also in der Produktion oder produktionsnahen Bereichen. In Zahlen: 2800 ZF-Mitarbeiter können gar nicht anders, als in Präsenz zu arbeiten.

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Rolls-Royce Power Systems: 90 Prozent der Office-Mitarbeiter wählen sich von zuhause ein

„Weltweit ist Rolls-Royce Power Systems in der Lage, alle Computerarbeitsplätze remote an die digitale Arbeitsplattform anzubinden. Derzeit wählen sich weltweit etwa 6000 von insgesamt 10.000 Mitarbeitern über VPN ein. Wenn man die Arbeitsplätze in der Produktion und den produktionsnahen Bereichen ohne Computerzugang abzieht, befinden sich somit derzeit bis zu 90 Prozent aller möglichen Mitarbeiter an mobilen Arbeitsplätzen, also nicht in Büros“, erklärt Unternehmenssprecher Christoph Ringwald.

Bei Rolls-Royce Power Systems arbeiten vor allem Produktionsmitarbeiter in Präsenz, allerdings mit Masken.
Bei Rolls-Royce Power Systems arbeiten vor allem Produktionsmitarbeiter in Präsenz, allerdings mit Masken. | Bild: RRPS

Mit den weitreichenden Mobile-Office-Regelungen, die bereits im März während des ersten Lockdowns eingeführt wurden, erfülle der Konzern bereits jetzt alle politischen Vorgaben.

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Für Arbeitnehmer, die in der Produktion in Friedrichshafen arbeiten, gibt es kein Homeoffice, aber kontaktarme Schichtmodelle und Hygieneregeln. „Das bisher minimale Infektionsgeschehen auf den Werksgeländen von Power Systems unterstreicht die Wirksamkeit der vom Unternehmen getroffenen Maßnahmen, die zum Teil über die Richtlinien und Beschlüsse von Bund und Ländern hinausgingen. Eine weitergehende Maßnahmendefinition von staatlicher Seite könnte die optimale Ausrichtung auf die betrieblichen Abläufe unter den gegebenen Umständen negativ beeinflussen“, erklärt Ringwald. Konkrete Zahlen zu Infizierten in Friedrichshafen nennt das Unternehmen nicht.

Bei Airbus arbeiten knapp 50 Prozent der Mitarbeiter im Homeoffice

Beim Luft- und Raumfahrtsunternehmen Airbus haben am Standort Immenstaad rund 85 Prozent aller Mitarbeiter die technische Ausstattung, um im Homeoffice zu arbeiten, so Sprecher Mathias Pikelj. Rund 2140 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in Immenstaad, davon können etwa 300 Jobs in der Produktion nicht dauerhaft von zuhause aus erledigt werden. „Bei anderen kann ein zeitweiser Einsatz vor Ort, je nach Projektstatus oder aufgrund von Sicherheitsauflagen, vonnöten sein. So sind gegenwärtig täglich etwas weniger als 50 Prozent der Belegschaft am Standort“, erklärt der Sprecher.

Bei Airbus in Immenstaad arbeitet rund die halbe Belegschaft im Homeoffice.
Bei Airbus in Immenstaad arbeitet rund die halbe Belegschaft im Homeoffice. | Bild: Grupp, Helmar

Eine genaue Angabe über infizierte Mitarbeiter bei Airbus macht das Unternehmen nicht. Der Standort sei eine Art Abbild der Region und können sich dem Trend nicht entziehen. „Aufgrund von Hygieneregeln konnte das Infektionsgeschehen weitestgehend vom Standort ferngehalten werden“, so Pikelj.

Zeppelin Systems sieht Home-Office-Pflicht kritisch

Der Anlagenbauer Zeppelin Systems und seine Tochtergesellschaft Zeppelin Aviation & Industrial Service beschäftigen 588 Mitarbeiter am Standort Friedrichhafen. „Rund 300 Mitarbeiter nehmen an der Homeoffice-Regelung teil“, erklärt Marketingteamleiterin Julia Meyn. Eine Homeoffice-Pflicht gab es jedoch bisher nicht.

Bei Zeppelin Systems in Friedrichshafen werden große Silos und Anlagenkomponenten hergestellt – die Produktion funktioniert nur ...
Bei Zeppelin Systems in Friedrichshafen werden große Silos und Anlagenkomponenten hergestellt – die Produktion funktioniert nur vor Ort. | Bild: Ambrosius, Andreas

Eine gesetzlich vorgeschriebene Homeoffice-Pflicht sieht das Unternehmen kritisch. „Wir haben bereits hervorragende Regelungen in unserem Unternehmen haben“, sagt Meyn, „die Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten müssen für mobiles Arbeiten geeignet sein und diese Entscheidung sollte den Unternehmen obliegen.“ Rund 150 Mitarbeiter am Standort könnten überhaupt nicht von zuhause aus arbeiten. Laut Meyn gab es seit Beginn der Pandemie 16 infizierte Mitarbeiter (Infektionsrate 2,7 Prozent) – und keine nachweisbaren Ansteckungen innerhalb des Betriebs.

Bei der Stadt Friedrichshafen gibt es 630 Präsenzjobs

Erzieherinnen, Gärtner, Köche: bei der Stadt Friedrichshafen arbeiten nach eigenen Angaben rund 630 von insgesamt 1300 Mitarbeitern in Jobs, die nicht am Schreibtisch stattfinden. Heißt: Rund die Hälfte der städtischen Mitarbeiter kann gar nicht ins Homeoffice. „Von der anderen Hälfte haben rund zwei Drittel – also 430 – die Möglichkeit, Homeoffice zu nutzen“, so Stadtsprecherin Monika Blank. Die Verwaltung gehe davon aus, dass die Homeoffice- Vorgaben vom Bund bereits erfüllt werden oder ohne größeren Aufwand erfüllt werden können.

In der Küche des städtischen Pflegeheims Karl-Olga-Haus ist Präsenz gefragt: Norbert Szücs (vorne) und Herbert Christen können nicht ins ...
In der Küche des städtischen Pflegeheims Karl-Olga-Haus ist Präsenz gefragt: Norbert Szücs (vorne) und Herbert Christen können nicht ins Homeoffice. | Bild: Stadt Friedrichhafen

Seit Beginn der Pandemie sind bei der Stadt Friedrichshafen nach eigenen Angaben insgesamt 21 Personen positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Infektionsquote beträgt demnach 1,6 Prozent. „Uns liegen keine genauen Informationen vor, wo sich die infizierten Personen angesteckt haben. Innerhalb der Stadtverwaltung hat es jedoch keinen Hotspot gegeben“, berichtet Stadtsprecherin Monika Blank.

Im Landratsamt arbeiten von 1400 Mitarbeitern rund 400 von zuhause

Eine vergleichsweise geringe Homeoffice-Quote hat bisher das Landratsamt Bodenseekreis in Friedrichshafen. In der Behörde gibt es laut Sprecher Robert Schwarz 1000 heimarbeitsfähige Arbeitsplätze, aktuell arbeiten rund 400 Mitarbeiter regelmäßig von daheim, also rund 28 Prozent der Belegschaft. „Wir wollen diesen Anteil nun noch weiter erhöhen“, sagt Schwarz.

Im Landratsamt Friedrichshafen stehen bisher 1000 Heimarbeitsplätze zur Verfügung, etwa 400 Mitarbeiter arbeiten regelmäßig von zuhause.
Im Landratsamt Friedrichshafen stehen bisher 1000 Heimarbeitsplätze zur Verfügung, etwa 400 Mitarbeiter arbeiten regelmäßig von zuhause. | Bild: Fabian Strauch

Es gebe allerdings auch im Landratsamt etliche Tätigkeiten, die nicht im Homeoffice stattfinden könnten, beispielsweise der Winterdienst, die Betreuung der Entsorgungszentren oder der Bürgerservice. In der Belegschaft habe es bisher in etwa ein Dutzend Infektionsfälle gegeben. „Übertragungen oder Ausbrüche innerhalb des Hauses sind bisher nicht bekannt geworden“, so der Sprecher.

Beim IT-Unternehmen Double Slash arbeiten 90 Prozent von zuhause

Wer hat bessere Voraussetzungen für On-Remote-Arbeit, also Fernarbeit, als ein IT-Dienstleister? Beim Häfler Unternehmen Double Slash arbeiten nach Firmenangaben 90 Prozent der Mitarbeiter am Standort Friedrichshafen aktuell von zuhause aus, der Rest anteilig. „Alle Kollegen sind mit Arbeitsmitteln ausgestattet, die Mobile Office möglich machen.

Dimitry Cheprak ist IT-Consultant beim Softwaredienstleister Double Slash in Friedrichshafen – und arbeitet im Homeoffice.
Dimitry Cheprak ist IT-Consultant beim Softwaredienstleister Double Slash in Friedrichshafen – und arbeitet im Homeoffice. | Bild: Double Slash

Wie während des ersten Lockdowns wird den Mitarbeitenden auch im laufenden Lockdown die Arbeit von zuhause aus nahegelegt. Auszubildenden und Studenten sind alle Mobile Office ready und arbeiten aktuell von zuhause aus“, erklärt HR-Managerin Leonie Hlawatsch. Lediglich die Empfangsstellen könnten nicht ins Homeoffice verlegt werden. Auch bei Double Slash habe es vereinzelt Infektionsfälle gegeben, so das Unternehmen.