Bringt der Zwang zum Homeoffice etwas? Darf sich der Staat da wirklich einmischen? Oder ist es höchste Zeit dafür? Das sagen zwei SÜDKURIER-Redakteure:

„Gut, dass endlich nachgeschärft wird“

Mirjam Moll aus der Politikredaktion sagt:

Im Kampf gegen die Pandemie wurde an vielen Stellschrauben gedreht, nur bei einem Bereich gilt nach wie vor Spielraum. Das ändert sich mit der Homeoffice-Verordnung zumindest ein Stück weit. Natürlich kann nicht jeder in Homeoffice arbeiten. Doch dass Luft nach oben ist, zeigt der Vergleich zum Vorjahr. Nach Angaben des Staatsministeriums waren im vergangenen Frühjahr mehr als doppelt so viele Arbeitnehmer im Homeoffice als jetzt. Dabei sind die Infektionszahlen jetzt deutlich höher als zu Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr. Wenn ständig von Kontaktbeschränkungen im privaten Raum gesprochen wird, gleichzeitig aber unzählige Kontakte bei der Arbeit weiter möglich sind, fühlt sich der Bürger zu Recht gegängelt.

Es fehlt die Verhältnismäßigkeit

Die häppchenweisen Verschärfungen vermitteln zudem das Gefühl, dass trotz aller Anstrengungen keine Erleichterungen in Sicht sind. Eine Homeofficepflicht hätte früher kommen müssen. Schon im Sommer war absehbar, was im Herbst Wirklichkeit wurde – ein deutlicher Anstieg von Neuinfektionen.

Die Folgen sind tödlich

Der Einzelhandel muss dafür bluten, während größere Unternehmen ihre Mitarbeiter weiter ins Büro rufen dürfen. Hier fehlt die Verhältnismäßigkeit. Deshalb ist es gut, dass jetzt endlich nachgeschärft wurde. Wirken wird die Verordnung aber nur, wenn tatsächlich auch geprüft wird, ob sich Arbeitgeber daran halten. Denn die bisherige Empfehlung zum Homeoffice wurde von zu vielen ignoriert. Die Folgen müssen dagegen alle tragen. Für manche sind sie tödlich.

„Wie soll der Staat bewerten, welcher Mitarbeiter abkömmlich ist?“

Walther Rosenberger aus der Wirtschaftsredaktion meint:

Es ist das stete Lamento all jener, die die strenge Unterordnung der Wirtschaft unter den Staat fordern: „Selbstverpflichtungen von Unternehmen laufen ins Leere!“ Egal ob höhere Recycling-Quoten bei Verpackungen oder mehr Frauen in Spitzenjobs. Trotz vollmundiger Beteuerungen der Wirtschaft – so das Argument – habe sich erst etwas verändert, als gesetzliche Vorgaben eingeführt wurden.

Zwang von außen ist kontraproduktiv

Diese Denke wird aktuell auch auf die Homeoffice-Debatte übertragen. Der Analogieschluss ist aber falsch. Erstens liegt es im ureigensten Interesse der Unternehmen, das Infektionsgeschehen im Betrieb bei null zu halten. Gelingt dies nämlich nicht, rückt das Gesundheitsamt ein, spricht Quarantänemaßnahmen aus oder schließt gar Abteilungen. Das aber stört die betrieblichen Abläufe unvermittelt und massiv. Jedem Personaler ist das bewusst, und daher ist die generelle Bereitschaft groß, Kontakte im Betrieb herunterzufahren – etwa durch Homeoffice. Zum Zweiten ist es von außen schlicht unmöglich, die innerbetriebliche Arbeitsteilung zu beurteilen. Wie soll der Staat bewerten, welcher Mitarbeiter abkömmlich ist und welcher nicht? Das kann nur das Unternehmen selbst. Zwang von außen ist kontraproduktiv.

Betonköpfe wachrütteln ist erlaubt

Ein Appell des Staates an die Verantwortung der Unternehmen, um die verbliebenen Betonköpfe in den Chefetagen wachzurütteln, ist aber durchaus erlaubt. Ergänzt durch sowieso geplante steuerliche Anreize für mehr Homeoffice brächte das deutlich mehr, als Durchregieren mit Verordnungen.