Bereits um kurz nach 18 Uhr, eine Stunde vor dem offiziellen Beginn der Abschiedsfeier von Andreas Brand, ist im Foyer des Graf-Zeppelin-Hauses kein Durchkommen mehr. Hunderte Menschen haben sich eingereiht, um Andreas Brand die Hand zu schütteln.
Um kurz nach 19 Uhr begrüßt der Erste Bürgermeister Fabian Müller das Publikum. Die Gästeliste kann sich sehen lassen: Neben Gemeinderatsmitgliedern, Landrat Luca Prayon und Bürgermeisterkollegen aus umliegenden Städten und Gemeinden sind auch Wilhelm Herzog von Württemberg und Regierungspräsident Klaus Tappeser zugegen.
Ein Oberbürgermeister, der nahe am Häfler war
Nach 15 Jahren im Oberbürgermeisteramt ist Zeit für eine Bilanz. „Ob bei Terminen und Veranstaltungen, bei seinen regelmäßigen Einkäufen auf dem Wochenmarkt am Freitag, beim Seehasenfest oder einfach beim Spaziergang mit seinem Hund: Andreas Brand suchte den Kontakt, hörte zu und nahm die Ideen und Aufgaben mit ins Rathaus“, sagt Fabian Müller. Er führt aus, dass Brand Zeit seines Amtes immer einen Blick für Zahlen gehabt habe. „Er hat es geschafft, die Verschuldung der Stadt in den vergangenen 15 Jahren von 53 Millionen auf 20 Millionen Euro zu senken.“
Neue Wohnungen und neue Hallen
Zudem wurden unter der Ägide Brand pro Jahr 300 Wohnungen gebaut, ein Sportbad gebaut und eröffnet, ein neuer B31-Abschnitt mit Lärmschutztunnel realisiert, neue Kindergärten in Betrieb genommen, Klimaschutzfonds eingerichtet und neue Hallen in Ailingen und Kluftern erstellt. „Einzig die ZF-Arena muss noch abgerissen werden“, stichelt Fabian Müller in Richtung des Regierungspräsidenten Klaus Tappeser. Hintergrund: Zwar beschloss der Gemeinderat bereits im Frühjahr, dass die baufällige Arena abgerissen werden soll, doch die Sportstätte steht unter Denkmalschutz – und zum Abriss braucht es eine Genehmigung des Regierungspräsidiums. „Wenn Sie uns hier bald gute Neuigkeiten vermelden können, freut sich Herr Brand auch noch im Ruhestand darüber“, so Müller schmunzelnd.

Besonders bei den langwierigen Rechtsstreitigkeiten um die Zeppelin-Stiftung habe Brand Schneid und Durchhaltevermögen bewiesen, wie Müller resümiert. Der Urenkel von Graf Zeppelin hat über einen Notvorstand die Übergabe der Stiftung an die Stadt im Jahr 1947 angreifen wollen und ist an mehreren Gerichten und in nunmehr vier Prozessen gescheitert. „Das haben wir Herrn Brand zu verdanken, der über die Jahre hinweg immer entschieden dagegen hielt.“
Doch nicht nur Kollegen aus der Verwaltung ehren Brand – auch der Gemeinderat findet lobende Worte. Achim Brotzer (CDU) attestiert Brand, ein hervorragender Konfliktlöser zu sein. „Er ist immer darauf bedacht, einen Kompromiss zu finden, besonders wenn die Diskussionen zuvor verfahren und lang gewesen sind.“ Mit einem Schmunzeln räumt Brotzer ein, dass auch so manche Gemeinderatssitzung bis in die Nacht ging. Doch Brand sei ein Mann mit Charakter, Leidenschaft und Vernunft, bei „welchem es kein Feilschen um das Tafelsilber unserer Stadt gab“, wohl auf den Rechtsstreit mit den Zeppelin-Nachfahren um die Stiftung anspielend.

Der Ehrenring für Brand
Auch lobende Gesten kommen aus dem Gemeinderat: Die ehrenamtlichen OB-Stellvertreter Bruno Kramer, Angelika Drießen und Matthias Eckmann überbringen die Nachricht, dass Andreas Brand eine besondere Ehrung zuteilwerden soll. Er wird mit dem Ehrenring der Stadt Friedrichshafen ausgezeichnet, die zweithöchste Auszeichnung der Stadt nach der Ehrenbürgerwürde.
Als Andreas Brand als letzter Redner auf die Bühne tritt, verspricht er: „Ich versuche, mich kurz zu halten. Ich weiß, dass Sie alle Durst haben.“ Anders als seine Vorredner geht Brand auch auf heikle Themen seiner Amtszeit ein und solche, die ihm Kritik einbrachten. Zum Beispiel die Geschehnisse am Häfler Klinikum, welche durch den Suizid einer Oberärztin ans Licht kamen. Immer wieder wurde Brand von der Presse, von Mitarbeitern am Klinikum und von Betroffenen kritisiert, zu zögerlich zu reagieren. In seiner Abschiedsrede sagt er: „Der Tod der Oberärztin hat tief betroffen gemacht. Nicht alle haben uns Aufklärung und personelle Konsequenzen, neue Strukturen und die Bereitschaft zur Veränderung zugetraut.“ Doch Priorität sei gewesen, faktenbasiert zu handeln. „Wir haben aber immer versucht, in dieser schwierigen Zeit dennoch wohlüberlegt, mit ruhiger Hand und klarem Blick nach vorn zu entscheiden und zu handeln.“

Ein Frank-Sinatra-Hit zum Abschluss
Andreas Brand gibt zu, dass ihm die Arbeit fehlen wird und dass er mit einem lachenden und weinenden Auge gehe. „Doch es ist die Freude auf die Zeit, die vor uns liegt, die überwiegt. Ein Wahlamt ist immer Verantwortung auf Zeit. Bei mir endet diese heute um 24 Uhr.“ Tosender Applaus und Standing Ovations folgen. Und das Stadtorchester Friedrichshafen, welches den Abend musikalisch und nach den Liedwünschen von Brand begleitet, schließt den offiziellen Teil mit dem Song „My way“ von Frank Sinatra.