Dicht gedrängt steht eine Herde junger Rinder in Halle A1. Mit aufgestellten Ohren fixieren sie die Pferde und ihre Reiter. Sie scheinen genau zu wissen, was kommt. Um die Westernatmosphäre perfekt zu machen, wird die Szene mit amerikanischer Countrymusik unterlegt.
Ein Reiter mit Cowboyhut auf einem Quarter Horse reitet auf sie zu. Er zeigt seinem Pferd das Rind, das er von der Herde trennen will und treibt es aus der Herde. Dann legt er die Zügel auf den Hals des Pferdes. Ab jetzt arbeitet es selbstständig und verhindert, dass sich das Rind zurück zur Herde flüchtet. Zweieinhalb Minuten Zeit haben Pferd und Reiter für die Disziplin, die sich Cutting nennt. Das Abtrennen des Rinds von der Herde.

Ute Holm ist seit den 70er-Jahren Westernreiterin. Zunächst war es Hobby, dann machte sie ihre Leidenschaft zum Beruf. Heute ist sie Cutting-Trainerin für Pferde und Reiter und nimmt an Turnieren teil. Das Quarter Horse, erklärt die 59-Jährige, sei die zahlenmäßig größte eingetragene Pferderasse der Welt. Ihr Name leitet sich von ihrer Fähigkeit ab, eine Quarter Mile, also die Distanz einer Viertelmeile, in kürzester Zeit zurückzulegen.
Sie seien nervenstark, wendig und hätten vor allem die Eigenschaft Rinder zu lesen. Ähnlich wie ein Hütehund. Neben der Arena werden die Pferde wie Leistungssportler aufgewärmt. Ihr Wettkampfpferd Basti, ein hübscher Fuchs, ist dabei tiefenentspannt. Ute Holm ist dagegen etwas nervös.
Bis ein Pferd die Kunst des Cuttings beherrscht, durchläuft es die Schule des sogenannten Reinings. Das Wort, das sich von Zügel ableitet, beschreibt eine weitere Disziplin des Westernreitens, die Dressur, die ebenfalls ihren Ursprung in der Arbeit mit den Rindern hat. Schneller und langsamer Galopp, Stoppen, Drehungen um die eigene Achse, sogenannte Spinns, und die Rollbacks bei denen die Hinterhand am Boden bleibt und die Vorderbeine von einer Seite zur anderen pendeln, gehören zu den Übungen, die ein solches Pferd beherrschen muss. Die Ausbildung, sagt Sascha Ludwig, ein Therapeut für Pferde und Reiter, daure ein bis zwei Jahre.
Westernreiten wird in Europa immer populärer. Carlos Guadarrama, der seine Wurzeln in Mexico hat, ist seit vielen Jahren mit seinem Angebot auf Messen in Europa unterwegs und beobachtet einen Trend. Der Mann, der seit 30 Jahren in Bayern lebt, vermutet, dass die Menschen zunehmend eine andere Art zu leben suchen. Sie suchen die Cowboynostalgie, die sie im Kino sehen. Seine Ware, die er aus Mexiko importiert, verkauft sich auf jeden Fall gut. Jeder, der Western reitet, sagt er, kauft sich Cowboystiefel und einen Hut. Ein Lifestyle-Attribut.
Dann braucht der Westernreiter noch den typischen Sattel. Felisette van Wieren präsentiert auf ihrem Stand die verschiedensten Modelle. Sättel für die Dressur, das Reining, oder einen fürs Arbeiten auf dem Pferd. Farmer, die die meiste Zeit des Tages auf dem Rücken ihres Pferds verbringen oder Wanderreiter haben andere Ansprüche an ihren Sattel als Turnierreiter. Dass sich die Form der Sättel von denen des klassischen Reitsports unterscheiden ist ebenfalls der Tradition geschuldet. Auch wenn heute in Europa vermutlich keiner mehr ein Rind mit dem Lasso fängt und am Horn des Sattels festbindet – es ist bis heute unverkennbarer Bestandteil eines Westernsattels.
Jordi Bartolome aus Peru sitzt an einem Stand für Zaumzeug und stellt ein sogenanntes Bosal aus dünnen Lederstreifen her. Das kunstvolle Flechtwerk wird zusammen mit den aus Pferdehaar ebenfalls handgeflochtenen Zügeln, der Mecate, verwendet. Das altkalifornische Zaumzeug kommt ohne Gebiss, das sonst übliche, metallene Mundstück aus. Diese uralte Form der Reitkunst werde immer öfter von Westernreitern nachgefragt, sagt er.

Eine eigene Nische hat Melanie Beckmann erschlossen. Die junge Frau aus Markdorf hat zusammen mit Isabelle Knaus aus Tirol das Green Village ins Leben gerufen, um für mehr Nachhaltigkeit im Reitsport zu sorgen. Von der Bürste bis zum Futter – 15 Partnerunternehmen setzen auf umweltschonende Produkte, die sie gemeinsam auf Messen präsentieren wollen, um Reiter und Pferdehalter für das Thema Umweltschutz zu sensibilisieren.

Alexander und Sina Biselli haben bereits kräftig eingekauft. Neben ihren beiden Kindern ist der Handwagen voller Ausrüstungsgegenstände. „Wir haben eine kleine Herde Longhorn-Rinder zuhause und meine Frau reitet ein Quarter Horse“, erzählt Alexander. Die Familie ist aus Leibertingen angereist und freut sich, dass die Messe nicht mehr in Augsburg, sondern in Friedrichshafen stattfindet.