Als der Unternehmer vom Bodensee den Newsletter öffnete, hätte es ihn – wie er selbst sagt – „fast auf den Boden gesetzt“. Während Lufthansa die Verbindung von Frankfurt nach Friedrichshafen gerade erst wegen fehlender Flugzeuge für mindestens zwölf Monate eingestellt hat, wirbt sie in einer Kundenmail nur wenige Tage später mit „neuen Verbindungen für einen spannenden Sommer“.
Von München gehe es beispielsweise direkt nach Skandinavien. „Die Ruhe der unendlichen Weiten Lapplands genießen, das klare, eisige Wasser norwegischer Fjorde spüren oder endlich der langersehnte Blick auf die Nordlichter – willkommen in Skandinavien! Von Oulu in Finnland bis nach Trondheim in Norwegen – machen Sie Ihre Reisewünsche wahr“, heißt es im Newsletter. Verbunden mit dem Reiseversprechen: „Neue Abenteuer warten darauf, von Ihnen erlebt zu werden.“
Auf schnelle Verbindung angewiesen
„Ich weiß gar nicht, was man dazu sagen soll“, sagt Edgar Jung von der Firma Jung & Meyer am Telefon. In seinen Augen passe das nicht zusammen. Als Software- und Beratungsunternehmen am Bodensee, mit Kunden der kritischen Energieinfrastruktur, müssten er und seine Kollegen schnell vor Ort sein, wenn es zu Problemen in den Netzen komme. Um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, seien sie auf eine innerdeutsche Verbindung angewiesen. Auch anderen Unternehmen in der Region fehlt eine Anbindung. ZF, RRPS, Zeppelin oder ifm sehen sich von einem wichtigen Drehkreuz abgekoppelt.
Allein im vergangenen Monat sei er dreimal nach Frankfurt geflogen, sagt der Unternehmer. Nach dem Wegfall der Verbindung werde dies künftig mit erheblichem Mehraufwand verbunden sein. Ähnliche Erfahrungen hätten andere Firmen gemacht. „Ich habe von einigen gehört, die jetzt sehr viel länger unterwegs sind“, betont er. Die Jung & Meyer GmbH ist laut Edgar Jung auch Teil des Fördervereins Flughafen Friedrichshafen, „genauso wie andere strukturell wichtige Unternehmen“, und für alle sei das gerade ein riesiges Thema.
Flieger seien immer gut ausgelastet gewesen
An der fehlenden Auslastung kann es in seinen Augen nicht liegen, dass Friedrichshafen bei der Lufthansa jetzt hinten runterfällt. „Zumindest wenn ich unterwegs war, war der Flieger sicher zu mindestens 80 Prozent ausgelastet“, so der Unternehmer. Auch angesichts der Ticketpreise könne die Airline wohl kaum mit einer mangelnden Wirtschaftlichkeit der Strecke argumentieren, findet er. In der Corona-Pandemie sei die Lufthansa mit „unser aller Steuergelder“ gerettet worden. Jetzt so zu agieren, „finde ich nicht in Ordnung“.

Lufthansa begründet die Aussetzung der Verbindung nach Friedrichshafen auf Anfrage erneut mit außerplanmäßigen Wartungsarbeiten der Triebwerke bei Maschinen der A320neo-Flotte. Daher stünden in diesem Jahr deutlich weniger Flugzeuge als ursprünglich geplant zur Verfügung. Mit dem Ergebnis, „einige Verbindungen zum Beginn des Sommerflugplans 2024 auszusetzen, die in den letzten Monaten keine positive wirtschaftliche Entwicklung gezeigt haben“.
Davon seien auch die Flüge zwischen Frankfurt und dem Bodensee-Airport betroffen. Die Verbindung werde für mindestens zwölf Monate ausgesetzt. „Weitere Entscheidungen für eine Wiederaufnahme werden zu einem späteren Zeitpunkt getroffen“, erklärt ein Lufthansa-Sprecher. Dass man zeitgleich neue Ziele aufnehme, „steht dazu aus unserer Sicht in keinem Widerspruch“. Für neue Verbindungen, zum Beispiel von München nach Trondheim oder von Frankfurt nach Chișinău (Rumänien), kämen „völlig andere, deutlich kleinere Flugzeugmuster zum Einsatz, nämlich Airbus A319 oder auch Bombardier CRJ900“. Der Einsatz solcher Flugzeuge auf der Strecke von Friedrichshafen nach Frankfurt mache mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit keinen Sinn.
Jung hält das für eine Ausrede
Mit einer Aussage wie dieser hatte Edgar Jung bereits gerechnet. In seinen Augen ist der Verweis auf andere Maschinengrößen lediglich eine Ausrede. Er hat bei Lufthansa Beschwerde eingereicht, sich zudem an den Bundestagsabgeordneten Volker Mayer-Lay gewandt und um Unterstützung gebeten. Der CDU-Abgeordnete teilt auf Anfrage mit: „Ich halte die Entscheidung der Lufthansa für dramatisch, insbesondere da ich mich schon lange in Gesprächen mit verschiedensten Verantwortlichen für eine Verbesserung der Verbindungen vom und zum Flughafen Friedrichshafen einsetze.“
Abgeordneter schreibt dem Verkehrsminister
In der konkreten Angelegenheit habe er sich nun gemeinsam mit Abgeordneten-Kollegen aus Sigmaringen und Ravensburg an das Bundesverkehrsministerium und den Vorstandsvorsitzenden der Lufthansa, Carsten Spohr, gewandt. In den Schreiben heißt es: „Besonders befremdlich erscheint uns die Tatsache, dass die Einstellung der Flugverbindung mit einem Engpass an Flugzeugen begründet wird, während die Lufthansa gleichzeitig Werbung für neue Flugziele macht.“
Als politische Vertreter einer der „wirtschaftlich stärksten Regionen unseres Landes“ sei das für sie nur sehr schwer nachvollziehbar. Gemeinsam habe man, so Volker Mayer Lay weiter, die Beteiligten nachdrücklich dazu aufgefordert, die Flugverbindung von Friedrichshafen nach Frankfurt schnellstmöglich wieder aufzunehmen.