Ludwig Meier blättert durch eine Messebroschüre von 1952. „Das war die älteste Broschüre, die ich im Archiv auftreiben konnte“, so der Marketingchef der Messe Friedrichshafen. Seit 1985 arbeitet Meier bei der Messe Friedrichshafen und leitet als strategischer Kopf die Geschicke der Internationalen Bodenseemesse (IBO). Er hat 36 Ausgaben der Traditionsmesse selbst miterlebt, konzipiert und betreut. Trotz jahrelanger IBO-Erfahrung ist er von seiner Arbeit noch genauso begeistert wie zu Beginn, von Langeweile keine Spur. „Die IBO bedeutet mir sehr viel. Ich freue mich jedes Jahr unglaublich darauf.“

Reges Treiben auf der IBO 1950.
Reges Treiben auf der IBO 1950. | Bild: Messe/Archiv Haller

Meiers erste Messe

Seine Begeisterung für die IBO entbrannte bereits als kleiner Bub. „Mitte der 1960er-Jahre habe ich als Dreikäsehoch zum ersten Mal die IBO besucht. Mein persönliches Highlight war damals der Coca-Cola-Stand. Es gab nicht nur gratis Limonade, sondern auch Gläser, die ich über die Jahre gesammelt habe“, erzählt er. Die kostenlosen Coca-Cola-Gläser sind heute vielleicht nicht mehr so spektakulär, wie sie es noch vor 60 Jahren waren, doch das sei auch das Faszinierende an der IBO, so Meier: „Die IBO ist als Konsumgütermesse ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Nachkriegsjahre, der beginnende Wohlstand, das Wirtschaftswunder – all das hat sich in der Messe widergespiegelt.“

Das Erfolgsgeheimnis

Sein Motto lautet: „Wer nicht mitgeht mit der Zeit, der geht mit der Zeit.“ Dieser Mut zur Veränderung ist auch das Erfolgsgeheimnis der Verbrauchermesse, die seit 75 Jahren die Menschenmassen nach Friedrichshafen lockt, wie Meier verrät. „Die IBO erfindet sich immer wieder neu. Keine IBO ist wie die vorangegangene, jedes Jahr werden das Programm und das Angebot angepasst. Wir überlegen uns immer wieder aufs Neue, wie wir den Zeitgeist der Gesellschaft einfangen“, so Meier. Und die IBO trifft den Nerv der Zeit über die Jahrzehnte hinweg mit Live-Kochshows, Konzerten, Zirkus-Showeinlagen, Volksfesten und Modeschauen.

Meier selbst ist immer wieder überrascht von der Vielseitigkeit der Messe. „Eigentlich denkt man immer, man kennt schon alles und hat schon alles gesehen, aber dann spaziere ich über die Messe und entdecke doch noch ein Produkt, das nützlich, skurril oder kurios ist.“ Sein letzter Kauf war praktischer Natur – ein Reinigungsmittel für Glas. „Einmal darüber wischen und sauber ist die Scheibe“, lacht er.

Ein italienisches Dorf in der Messehalle

Doch auch mit spektakulären Kulissen macht die IBO von sich reden: Einmal wurde eine Snowboard-Piste angelegt, ein anderes Mal wurden mehrere Tonnen Sand in eine Messehalle verfrachtet und 2013 wurde auf dem Gelände ein italienisches Dorf nachgebaut. „Das war schon verrückt. Plötzlich stand in einer Messehalle die Rialto-Brücke. Sogar ein Wasserlauf wurde angelegt und das italienische Fremdenverkehrsamt hat uns eine originale venezianische Gondel ausgeliehen – der Wahnsinn“, staunt Meier noch heute.

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Besonders im Gedächtnis geblieben ist ihm die Messe im Jahr 2002. Denn in jenem Jahr fand die Traditionsmesse zum letzten Mal auf dem alten Messegelände am Riedlewald statt. „Da war einerseits Wehmut im Spiel – andererseits auch Vorfreude auf die Veränderung“, so Meier. Doch ihm sitzt auch der Schelm im Nacken. Bei einer Modenschau Anfang der 1990er-Jahre hat das Messeteam den Models einen Streich gespielt: So wurde dem Publikum ein Schild vorgehalten: „TV-Aufnahme, bitte nicht klatschen“ stand darauf. Das Publikum hielt sich daran – und die Models wunderten sich, wo der Applaus blieb. „Das hat die Damen ziemlich verunsichert. Aber natürlich haben wir den Scherz bald aufgelöst, dann war das Gelächter groß“, erinnert sich Meier.

Themen ändern sich, die Grundbedürfnisse bleiben

„Erstaunlich ist, dass sich zwar die Themen und Trends über die Jahre hinweg stets geändert haben, aber eigentlich möchten die Menschen noch genau dasselbe wie früher: sich treffen, eine gute Zeit miteinander haben, sich unterhalten und sich überraschen lassen“, so Meiers Beobachtung. Die Covid-Jahre waren deshalb besonders schwierig. „Zu jener Zeit dachte ich wirklich: Das war‘s – jetzt geht es nur noch digital weiter. Messen gehören ab sofort der Vergangenheit an“, so Meier über seine herausforderndsten Berufsjahre. Doch glücklicherweise ist dieser Fall nicht eingetreten. Rund 50.000 Besucher wurden beim Neustart im Jahr 2023 gezählt. „Das zeigt: Nach der Pandemie haben die Menschen die persönliche Begegnung wieder zu schätzen gelernt. Die Chancen stehen also gut, dass es die IBO auch in 75 Jahren noch gibt.“

Für Ludwig Meier als strategischen Kopf der IBO ist die diesjährige Messe jedoch die vorletzte. Mitte 2025 geht er in Rente. Wenn er an den Abschied denkt, wird er bereits etwas wehmütig. „Meine Arbeit wird mir fehlen, keine Frage. Andererseits freue ich mich auch darauf, zur Abwechslung als Privatperson über die Messe zu flanieren, Freunde und Bekannte zu treffen und mir vielleicht wieder ein Reinigungsmittel zu kaufen“, so Meier schmunzelnd.