Am Donnerstag startet das Kinder- und Heimatfest zum 72. Mal, am Samstag steigt Peter Sikora ins Seehasen-Kostüm. Dabei ist Sikora der 16. Mann in Folge, der im schwarz-weiß gescheckten Fell zum Publikumsliebling der nächsten Tage wird. Der Seehas: Ist ja wohl klar, dass da keine Frau die Traditionsfigur spielen kann. Oder?

Am Samstag landet er wieder im Hafen, der Seehas. (Archivbild)
Am Samstag landet er wieder im Hafen, der Seehas. (Archivbild) | Bild: Andrea Fritz

Warum eigentlich nicht? Schließlich hat das Seehasenfest-Präsidium seit diesem Jahr erstmals eine Frau an der Spitze. Na ja, jedenfalls zur Hälfte. Präsidentin Christine Waggershauser und Präsident Kai Nopper stehen dem Festausschuss gemeinsam vor. Doch ausgerechnet zur Seehäsin-Frage erklärte Frau Präsidentin jüngst öffentlich, warum das gar keine Frage sei. Mit einer Seehäsin würde „einiges ad absurdum geführt und Traditionen würden zusehends verwässern oder gar verschwinden“, erklärte Christine Waggershauser in der „Schwäbischen Zeitung“.

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Tradition bedeutet, dass man etwas tut, was die Menschen früher auch schon so gemacht haben. Doch hie und da dürfen sich die Hüter der Seehas-Traditionen schon fragen, ob ein Hauch von Moderne dem Image nicht sogar gut tun würde. Ein paar Beispiele gefällig?

Wer im Elternbrief an Grundschulkinder kundtut, dass bitte in jeder 4. Klasse „zwei Waschmütter“ für die Kostüme gebraucht werden, schreibt Vätern in Jahrzehnten mühsam erworbene Kompetenzen an der Waschmaschine ab.

Die Jungs tragen Latzhose, die Mädchen Kleid (Archivbild).
Die Jungs tragen Latzhose, die Mädchen Kleid (Archivbild). | Bild: Andrea Fritz

Schon Knirpse im Kindergarten haben einen eigenen Kopf, wenn es um ihre Garderobe geht. Stellen Sie sich mal die Diskussionen zuhause vor, wenn eine Sechs- oder Siebenjährige für den Hasenklee eben nicht das Röckchen oder Kleidchen anziehen will, weil sie die Latzhose viel schicker findet! Warum Hosen nur für Jungs sein sollen, erscheint einem Mädchen der Neuzeit schlicht unlogisch.

Mit der Tradition buchstäblich auf Kriegsfuß stehen Jungs, die in militärischer Uniform als Soldaten beim Umzug mitlaufen müssen, selbst wenn sich das mit ihrem Weltbild überhaupt nicht deckt. Die Wehrpflicht ist schon lange abgeschafft. Wobei zu fragen wäre, ob man solche Themen bei einem Kinder- und Heimatfest überhaupt (noch) auf die Straße bringen muss. Oder müssen die Kostüme mal wieder raus aus der Mottenkiste?

Peinliche Kostüme

Apropos: Als mein Sohn vor Jahren bei 30 Grad im Schatten im Bärenfell mitmarschieren „durfte“, war das für ihn eine doppelte Pein (wegen des Kostüms und der Hitze). Aber Mädchen im bauchfreien orientalischen Outfit auf die Straße zu schicken, während ihnen in der Schule das Tragen zu kurzer T-Shirts verboten wird, ist auch mit Tradition nicht zu erklären.

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Und: Was „Württembergs Könige und ihre Ehefrauen“ beim historischen Rückblick auf der städtischen Seehasenfest-Internetseite verloren haben, ist wohl selbst mit Tradition nicht zu erklären.

Also, liebes Seehasenfest-Präsidium: Ihr müsst den Seehas nicht gendern! Nur bei der nächsten Bewerberrunde das tun, was jeder „Arbeitgeber“ heute in seine Stellenanzeige schreibt: Seehas gesucht (m/w/d). Und bei der Gelegenheit vielleicht auch mal im großen Fundus der Seehasenfest-Geschichte schauen, was man entstauben oder ausmisten kann.