Er will das Vertrauen der rund 250 Zuhörer gewinnen, doch sein Redebeitrag stößt auf breite Ablehnung. Andreas Brand, Aufsichtsratsvorsitzender des Medizin Campus Bodensee (MCB) und Oberbürgermeister von Friedrichshafen, sagt bei der Mitarbeiterversammlung am 15. Januar im Krankenhaus viel, aber wenig mit Inhalt – so berichten es zumindest Augenzeugen. Eine Anwesende spricht später von „Floskeln und Worthülsen“.
Warum ein Medizinischer Direktor sowie Geschäftsführer Klöckner trotz aller Vorwürfe weiter im Klinikum walten dürfen? Und was am Ende des Compliance-Verfahrens für Konsequenzen stehen könnten? Antworten darauf gibt Brand an diesem Tag, sechs Wochen nach Bekanntwerden der Vorwürfe, nicht, heißt es danach aus Mitarbeiterkreisen. Sehr zu ihrem Frust – sie fordern unverzügliches Handeln.
Seit Wochen unklare Aussagen
Das passt zur Strategie der vergangenen Wochen: Seitdem die Vorwürfe gegen das Klinikum öffentlich wurden, äußert sich der OB nur kryptisch. Meist kommt von ihm Folgendes in folgender Reihenfolge: Bestürzung über die Gesamtsituation ausdrücken, Aufklärungswille demonstrieren, auf das Compliance-Verfahren verweisen und um Geduld bis zu den Ergebnissen Ende März bitten. So oder ähnlich wiederholt er sich in Pressemitteilungen, Reden oder Interviews.
Das wird auch in einem zuletzt ausgestrahlten Fernsehbericht des SWR deutlich. Darin will Brand auf Nachfrage nicht auf die Vorwürfe von Detlef Kröger, dem Anwalt der verstorbenen Oberärztin, eingehen. Er erklärt stattdessen, dass Klinikmitarbeiter seit Corona überfordert seien. Durch den Tod der Oberärztin kämen außerdem „Faktoren, die subjektiv und objektiv zusammenwirken“, sagt der Oberbürgermeister. Was das genau bedeuten soll? Das bleibt zumindest in dem Bericht unklar.
Was ist seine Rolle beim Klinikum?
Klar ist dagegen, dass Brand aufgrund seiner Doppelrolle besonders im Fokus steht. Im Jahr 2025 steht die OB-Wahl an, da kommen die Vorwürfe zur Unzeit und könnten sich auch auf einen möglichen Wahlkampf auswirken – sofern er wieder antritt.
Im Fokus steht Andreas Brand nicht nur als Oberbürgermeister, sondern als Vorsitzender des Aufsichtsrats, dem Kontrollorgan der Geschäftsführung. Dessen Aufgabe ist es, die Geschäftsführung zu beraten, zu überwachen sowie zu fördern, wie es selbst auf der Klinikwebseite heißt.
Obwohl der Titel das womöglich vermuten ließe, verfügt Brand als Aufsichtsratsvorsitzender nicht über die größte Entscheidungsgewalt in der GmbH, das ist die Gesellschafterversammlung. Auf seinem Posten hat er vor allem organisatorische Aufgaben. Beschlüsse fasst der Aufsichtsrat zudem im Kollektiv. „Gegebenenfalls kann bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag geben“, erklärt Sabrina Lorenz, Pressesprecherin vom Regierungspräsidium Tübingen, die Machtverhältnisse in dem Gremium.
Was, wenn die Vorwürfe sich bestätigen?
Aber welche Verantwortung hätte der Aufsichtsrat in möglichen Schadensfällen, wie sie nun untersucht werden? Und würde ein Aufsichtsratsvorsitzender haften? Sabrina Lorenz, Sprecherin beim Regierungspräsidium, erklärt: „Eine Haftung gegenüber Dritten kommt nur wegen unerlaubter Handlung in Betracht.“ Sofern Schäden also nicht von dem Aufsichtsratsvorsitzenden selbst verursacht worden seien, hafte er in der Regel auch nicht. Haften könnten Aufsichtsratsmitglieder dagegen, wenn sie ihren Pflichten als Mitglied des Gremiums nicht nachkämen oder sie verletzten. Dann würden Ansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft zustehen.
Ähnlich beantworten diese Frage auch mehrere Gesetzeskommentare zu Paragraf 104 in der Landesgemeindeordnung. Dieser Passus legt die „Vertretung der Gemeinde in Unternehmen in Privatrechtsform“ fest. Demnach haften Vertreter der Gemeinde in den Organen grundsätzlich persönlich für den „angerichteten Schaden“, heißt es beispielsweise in einem Auszug aus einem Gesetzeskommentar zum baden-württembergischen Kommunalrecht, der in der C.H.-Beck-Datenbank nachzulesen ist.
Was sagt Andreas Brand dazu?
Sofern dem OB keine Beteiligung oder Mitwissen an den Vorfällen nachgewiesen werden kann, bleiben die Untersuchungen wohl auch strafrechtlich ohne Auswirkungen – sofern er nicht eigene Konsequenzen zieht. Ein Aufsichtsrat wie Andreas Brand könnte sein Amt potenziell auch eigenständig niederlegen. „Der Gesellschaftsvertrag kann dazu bestimmte Fristen oder ein bestimmtes Verfahren vorsehen“, sagt Sprecherin Lorenz.
Aber welche Konsequenzen würde Brand als Vorsitzender des Aufsichtsrats ziehen, sofern sich die Vorwürfe bestätigen? Eine Anfrage dazu lässt der Vorsitzende von der in diesem Fall zuständigen Pressestelle des Klinikums beantworten. Die Frage nach möglichen Konsequenzen wird darin nicht geklärt, die Pressesprecherin verweist jedoch auf das laufende Compliance-Verfahren und den Mediationsprozess. Die Erkenntnisse und Bewertungen aus den Untersuchungen sollen Ende März „gegebenenfalls Grundlage weiterer Entscheidungen“ sein, sagt Pressesprecherin Susann Ganzert.