In welcher Position arbeiten Sie am Medizin Campus Bodensee?
Pflegerin*: Ich arbeite in der Pflege. Wo genau, will ich nicht sagen. Aber ich bin nahe genug an den Geschehnissen dran, um mir eine Meinung zu erlauben.
Warum haben Sie sich zu einem Interview bereit erklärt?
Ich bin wütend und schockiert über die Art und Weise, wie mit den Vorfällen im Klinikum umgegangen wird. Es wurde nun eine externe Kanzlei mit der Aufklärung der Vorwürfe gegen das Klinikum beauftragt.
Was kritisieren Sie daran?
Laut Oberbürgermeister Andreas Brand wurde bereits mit der Aufarbeitung begonnen. Mit meinen Kollegen oder mir hat aber bislang noch niemand gesprochen.
Was hätten Sie sich gewünscht?
Vor den Feiertagen wäre genug Zeit für eine Mitarbeiterversammlung oder ein ähnliches Format gewesen. Doch es ist gar nichts passiert.
Haben Sie Zweifel daran, dass die Vorwürfe wirklich aufgeklärt werden sollen?
Ich frage Sie: Wie soll ich einer Kanzlei vertrauen, die von der Geschäftsführung ausgewählt wurde? Von eben der Geschäftsführung, die nachweislich Teil des Problems ist?
Warum haben Sie kein Vertrauen?
Ich kannte die verstorbene Oberärztin, sie war eine Frau, die die Gefährdung des Patientenwohls kritisiert hat. Letztlich sollte ihr fristlos gekündigt werden. Ich hätte mir gewünscht, dass die Geschäftsführung und der betroffene Chefarzt bis zur Klärung der Vorwürfe freigestellt werden. Auch meine Kollegen wünschen sich das. Aber genau das ist nicht geschehen.
Was braucht es, damit sie Ihr Vertrauen zurückgewinnen?
Ich wünsche mir eine wirklich objektive und sichere Aufarbeitung. Ich habe Bedenken, dass Aussagen, die ich gegenüber dieser Kanzlei treffe, letztlich bei der Geschäftsführung landen. Und wie mit Menschen umgegangen wird, die namentlich Missstände anzeigen, wissen wir inzwischen.
Tatsächlich ist noch nicht bekannt, ob Aussagen anonym getroffen werden können – und welche Vorwürfe überhaupt untersucht werden sollen.
Ganz genau.
Wie ist es denn gerade für Sie, am Klinikum zu arbeiten?
Innerhalb der Pflege, mit den Oberärzten und Funktionsärzten, gibt es eine große Einigkeit. Doch es gab dieses Schreiben der Chefärzte, in denen sie nicht mehr – so wie ursprünglich von vielen Kollegen in einem internen Brief formuliert – die Freistellung der Geschäftsführung fordern. Viele – mich eingeschlossen – verstehen nicht, warum sie sich dazu haben hinreißen lassen. Das sorgt für Misstrauen.
Haben Ihrer Erfahrung nach die Patienten noch Vertrauen ins Klinikum?
Patienten sprechen mich an, und auch meine Kollegen. Einen großen Teil unserer Zeit verbringen wir derzeit damit, die Menschen zu beruhigen. Wir sagen ihnen, dass sie uns vertrauen können. Dass sie bei uns trotz der Vorfälle in guten Händen sind.
Ist die Pflege dabei besonders betroffen?
Auf jeden Fall. Wir verbringen viel mehr Zeit mit den Patienten als die Ärzte.
Was für Fragen kommen denn da auf?
Sie haben viele Fragen: Wo genau haben sich die Vorfälle abgespielt? Hat einer der Assistenzärzte, die in die Vorfälle involviert waren, heute Dienst? Passen Sie auf mich auf, Schwester?
Was sagen Sie dann?
Dass die verstorbene Oberärztin der Pflege nie einen Vorwurf gemacht hat. Dass wir uns um sie kümmern. Aber ich kann ihnen nicht versprechen, dass sich die Situation geändert hat. Der Organisationsabläufe, die die Oberärztin kritisiert hat, haben sich nicht geändert.
Dabei handelt es sich vor allem um den Vorwurf, dass nicht ausreichend qualifiziertes Ärztepersonal am Patienten arbeitet?
Ganz genau. [Anm. d. Red.: Diesen Vorwurf bestreitet das Klinikum.]
Wie geht es Ihnen denn selbst mit der Situation?
Fassungslosigkeit, Wut und Zorn über die Geschehnisse wechseln sich bei mir ab. Momentan herrscht vor allem Fassungslosigkeit. Darüber, dass der betroffene Chefarzt und Geschäftsführer Franz Klöckner nicht freigestellt werden. Und auch darüber, dass Oberbürgermeister Andreas Brand nicht reagiert. Bisher hat er kein Zeichen gesetzt, um das Vertrauen der Mitarbeiter zu verdienen.
Gibt es auch positive Erlebnisse?
Ich bin stolz darauf, dass wir als Pflege unsere Arbeit professionell erledigen. Dass wir uns den Ängsten der Patienten stellen. Und dass wir daran arbeiten, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu festigen. Auch der Großteil der Ärzte leistet hervorragende Arbeit. Es ist wichtig, das zu betonen.
Empfinden Sie sich als Mitarbeiterin in der öffentlichen Debatte korrekt wiedergegeben?
Ehrlich gesagt finde ich die Debatte wichtig. Nur so erfahren die Mitglieder des Aufsichtsrats ungefiltert, was überhaupt los ist am Klinikum. Intern wurden wir aufgefordert, nicht mehr mit der Presse zu reden.
Auch die Polizei ermittelt zu den Vorwürfen. Haben Sie selbst schon ausgesagt?
Noch nicht, aber ich habe eine Aussage geplant. Vor allem will ich an Kollegen verweisen, die direkt Zeugen bei einigen Vorfällen waren. Bis vor Kurzem wussten wir noch nicht, ob wir überhaupt über Vorfälle mit Patienten reden dürfen – wegen der Schweigepflicht. Aber seitens der Polizei wurde uns versichert: Bei der Ermittlung zu Todesfällen dürfen wir Aussagen treffen. Viele von uns wollen nun dabei helfen, Licht ins Dunkel zu bringen.