Mist, Bus verpasst! Vielleicht ist ja eines dieser grünen E-Bikes die Alternative, die jetzt überall in Friedrichshafen rumstehen? Ich lade die Tier-App, melde mich an und scanne den QR-Code des Fahrrads ein. Bis dahin geht alles ganz einfach. Die App beginnt fleißig zu buchen. 1,20 Euro Startgebühr, dann 27 Cent pro Minute. Ich drücke den Ständer herunter, setze mich auf den Sattel, doch irgendwas bremst. Das Rad fährt einfach nicht los!

1,45 Euro für eine Minute Fahrt – ohne zu fahren
Ach, klar, das Kabelschloss am Hinterrad muss raus. Während ich versuche, das Schloss aus der Kabelöffnung zu ziehen, bucht die App weiter und weiter. Ich rüttle und rüttle, aber nichts passiert. Dann breche ich die Fahrt ab. 1,45 Euro für exakt eine Minute Fahrtzeit, in der ich keinen Meter gefahren bin. So ein Mist!

Ich probiere es nochmal. Einscannen, Kabel ziehen, in die Halterung stecken. Dieses Mal funktioniert es problemlos. Sechs Minuten dauert meine Fahrt – und kostet jetzt plötzlich nur 27 Cent. Abstellen kann ich das Rad übrigens fast überall. In Friedrichshafen gibt es nur sehr wenige Zonen, in denen ein Abstellverbot gilt, wie etwa in der Wilhemstraße oder auf der Uferpromenade. Dafür gibt es spezielle Parkflächen, auf denen man Freiminuten bekommt, zum Beispiel auf dem Franziskusplatz oder dem Bahnhofsvorplatz.
Nächster Versuch: Mit dem E-Roller nach Immenstaad
Dieses Mal leihe ich einen E-Scooter. Gleiches Prinzip, das Fummeln am Kabelschloss fällt allerdings weg. Auch hier zahle ich wieder 1,20 Euro Aktivierungsgebühr, dann aber nur 25 Cent pro Minute. Abos mit Freiminuten gibt es übrigens auch, lohnen sich aber nur bei häufiger Nutzung. Mein Ziel: Airbus und der Ortseingang Immenstaad. Offiziell ist das keine Nutzungszone mehr für die Leihroller und Pedelecs, denn Tier bietet die Fahrzeuge nur in Friedrichshafen – und neu – auch in Markdorf an. Mit Tempo 20 rolle ich in Fischbach los, den Berg runter flitzt mein Gefährt sogar mit 22 Stundenkilometern. Dann geht es auf den Radweg Richtung Airbus.

Bleibt der Roller einfach stehen, wenn ich die Stadtgrenze verlasse?
Gespannt warte ich darauf, was passiert, wenn ich auf Gemarkung Immenstaad fahre. Tatsächlich erstmal rein gar nichts. Der Roller fährt weiter, nichts blinkt, auch in der App erscheint keine Warnmeldung. Vor dem Airbusgelände versuche ich den Roller zu parken. Auf dem Display erscheint eine Mitteilung.

Wenn ich den Roller hier, außerhalb des Verleihzone, abstellen will, wird das mit 25 Euro Umzugsgebühr richtig teuer. Allerdings bietet mir Tier an, dass ich den Flitzer für zwei Stunden abstelle, pausiere und dann weiterfahre. Gleiches Spiel übrigens ein paar hundert Meter beim Ortsschild Immenstaad. Für mich geht es allerdings wieder zurück nach Fischbach. Insgesamt dauert die Fahrt hin und zurück 30 Minuten und hat richtig Spaß gemacht.
Beim Blick auf die Rechnung wird mir ein bisschen schwindelig: 8,70 Euro kostet der Spaß. Am Tag darauf nutze ich den Roller, den ich praktischerweise in der Nähe parken konnte, wieder. Dieses Mal fahre ich damit zum Bahnhof Fischbach, allerdings mit einem kleinen Umweg. 12 Minuten waren es am Ende – macht inklusive Aktivierungsgebühr 4,20 Euro.

Am Ende der Testfahrten bleiben noch ein paar Fragen offen. Zum Beispiel, warum mein erster E-Bike-Versuch Geld gekostet hat, wo ich doch gar nicht losfahren konnte? Das kann mir auch Pressesprecher Patrick Grundmann nicht ad hoc sagen. „Bei Problemen können sich Nutzer jedoch ohne viel Wartezeit an unser Customer-Care-Team wenden. Das geht zum Beispiel über die App per Livechat“, erklärt er mir. Und kann ich die Roller und Räder – zumindest außerhalb der Innenstadt – wirklich abstellen, wo ich will? „Nutzer müssen nur die üblichen Abstellregeln beachten“, erläutert Grundmann. Auf diese macht mich auch die App aufmerksam: „Wenn du angekommen bist, stelle den E-Scooter auf einer ausgewiesenen Parkfläche ab oder parke so auf dem Bürgersteig, dass du andere nicht behinderst.“

Mein Fazit
Sowohl das Fahren des E-Bikes als auch des E-Rollers machen Spaß. Die App ist bedienerfreundlich und erklärt gut, was zu tun ist. Beim E-Bike ist das Entfernen der Kabelschlösser manchmal ein kleines bisschen Gefummel, denn neben mir scheint es etlichen anderen Nutzern so zu gehen, die ihren Unmut bei Google Play äußern. Hier wäre vielleicht eine andere Schließtechnik besser. Die Leihfahrzeuge sind eine gute Ergänzung zum ÖPNV, der ja leider – gerade in die Häfler Teilorte – nicht immer gut getaktet ist. Auch wer einen weiteren Weg von der Haltestelle nach Hause oder zur Arbeit hat, bekommt hier eine tolle Möglichkeit. Wer die Pedelecs regelmäßig nutzt, kann sich dementsprechend auch mit einem Helm und einem Abo ausstatten.
Die Preise von Leihrollern? Dafür bekomme ich das ÖPNV-Tagesticket!
Für alle, die außerhalb der Verleihgrenze leben, also zum Beispiel in Immenstaad, sind die Leihfahrzeuge uninteressant, weil sie beim Abstellen eine Gebühr von 25 Euro bezahlen müssen. Eine Ausflugsfahrt nach Immenstaad ist allerdings möglich.
Preislich sind die Leihroller und Pedelecs natürlich nicht gerade ein Schnäppchen. 8,70 Euro von Fischbach nach Immenstaad und zurück – da bekomme ich fast schon die 3-Zonen-Tageskarte beim Bodo-Verkehrsverbund und fahre durch den ganzen Landkreis. Und irgendwie ist es auch ein bisschen absurd, dass die Rollerfahrt von einem Kilometer doppelt so teuer für mich ist wie die Busfahrt vom Stadtbahnhof nach Fischbach. Andererseits: Wenn die grünen Flitzer mehr Menschen weg vom Auto bringen, können sie nur sinnvoll sein!