Ein Wechselbad der Gefühle liegt hinter Giulia Gwinn. Wenige Tage, nachdem sie mit der Fußballnationalmannschaft den Titel der Vize-Europameisterin nach Deutschland geholt hat, berichtete die sympathische Fußballerin bei einem Empfang, den die Stadt mit Überraschungsgästen im Ailinger Rathaus für sie ausrichtete, von den vergangenen Wochen.

„Nach der Niederlage in Wembley waren wir am Boden zerstört. Dann kam das super Gefühl auf dem Balkon des Frankfurter Römers“, beschrieb sie. Die 8000 Menschen auf dem Platz seien schon etwas ganz, ganz Besonderes gewesen.

„Das spricht für die Entwicklung des Frauenfußballs“
Vier Wochen hätte sie mit ihrer Mannschaft in England wie in einer Blase gelebt und gar nicht richtig mitbekommen, welche Begeisterung sie in der Heimat ausgelöst haben. Es sei schön, dass es ihrer Mannschaft übers ganze Turnier gelungen sei, die Leute mitzunehmen. „Das spricht für die Entwicklung des Frauenfußballs“, so Giulia Gwinn. „Wir freuen uns, dass wir viele begeistern und inspirieren konnten.“
Der Empfang in ihrem Geburtsort, wo Giulia Gwinn mit acht Jahren bei der TSG Ailingen den Fußballsport für sich entdeckt hat, gehe ihr ans Herz. „Ich freue mich über den herzlichen Empfang und darüber, Leute zu sehen, die die ersten Schritte mitgegangen sind“, sagte der DFB-Star, der seit 2019 für den FC Bayern München spielt. Einige der Spieler, mit denen sie als kleines Mädchen auf dem Ailinger Rasen in der Mannschaft kickte, nahmen an dem Empfang teil, außerdem ihr erster Trainer Michael Fischer. Es sei zwar 14 Jahre her, ein paar Momente seien ihm aber im Gedächtnis geblieben, schilderte Fischer.

Kunstradfahren? Leichtathletik? Lieber Fußball!
Eigentlich hätte sich Giulia Gwinns Mutter Gabi gewünscht, dass ihre Tochter zu den Kunstradfahrern oder Leichtathleten geht, so Fischer. „Aber ihren unbedingten Willen setzte die etwas über einen Meter große Giuli schon damals durch.“ Als einziges Mädchen in der Jungenmannschaft habe die Vorgabe gelautet, ja nicht wie ein Mädchen zu spielen.

„Sie war vielseitig, hatte einen starken Drang und war sehr, sehr schnell“, blickte ihr Trainer zurück. Damals hätte ihre Mutter das so begründet, dass die Tochter mit zwei großen Brüdern schnell sein müsse. „Ihr Talent war damals absolut zu sehen, aber dass sie so erfolgreich wird – nein, dazu fehlt mir der Vergleich“, gibt Fischer zu. Jetzt gehöre Giulia Gwinn zu den Eckpfeilern der deutschen Nationalmannschaft. „Danke, dass du uns so stolz und glücklich machst.“
Vor dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt lobte auch Oberbürgermeister Andreas Brand die Profi-Kickerin. „Wir alle haben in den vergangenen Wochen mitgefiebert. Die Spiele der Europameisterschaft waren vollgepackt mit Spannung, Tempo, glänzenden Spielpassagen und einem spürbaren, enormen Teamgeist“, sagte Brand. Dass es nicht ganz gereicht habe, sei schade, aber am Ende stehe trotzdem ein großer Erfolg.

Die Fans aus Ailingen hätten dabei ganz besonders mitgefiebert. „Das, was Sie und Ihr Team bei der EM zur besten Sendezeit gezeigt haben, hat sicher viele Fußball spielende Mädchen und junge Frauen inspiriert und motiviert, weiterzumachen und ich hoffe sehr, dass in der Wertschätzung und Bezahlung ein Umdenken einsetzt“, sagte der Oberbürgermeister.
Gwinn möchte das kleine Sommermärchen mit in die Liga nehmen
„Jetzt hoffen wir, dass die Euphorie für Frauenfußball in Deutschland anhält“, sagte Giulia Gwinn, die am Dienstag mit ihren Teamkolleginnen ins Trainingslager in Italien aufbrach. Nun wolle sie das kleine Sommermärchen in die Liga mitnehmen. Ihr Wunsch sei, dass die Leute auch weiterhin ins Stadion kommen, um die Spielerinnen zu unterstützen. „Jetzt bekommen die Leute langsam ihre Vorurteile aus dem Kopf“, so Gwinn. Nun sei es auch an den Verbänden, weiter zu unterstützen, damit die Euphorie weitergetragen werde.